Baroness – Purple

von am 8. Januar 2016 in Album

Baroness – Purple

Es scheint fast so, als hätte der verheerende Busunfall den Blick für das wesentliche geschärft: Die personell runderneuerten Baroness destillieren auf dem gefühlten Comeback ‚Purple‚ die Absichten des Vorgängers ‚Yellow & Green‚, lassen sich dann aber von den gefürchteten Produzentenskills des Dave Fridman einen Gutteil der Butter vom Brot klauen.

Gut gealtert ist das Doppelalbum von 2012 leider wirklich nicht: Mit etwas Abstand hat sich herauskristallisiert, dass bei der Hinwendung zu mehr Alternative Rock und weniger sludgiger Metalwucht über 18 Songs in 75 Minuten einfach zuviel Leerlauf eingeschlichen hat, der zudem nur noch selten die übermannende Urgewalt der Anfangsphase von Baroness inne wohnte. Der verlorene Biss grassiert in Savannah – auch Kylesa können ein Lied (oder mittlerweile ernüchternderweise eigentlich: ganze Alben) darüber singen.
Selbst ‚Purple‚ kann dieses Problem nicht gänzlich beseitigen – läuft songwritertechnisch immer wieder unnötige Wege (der Abgang von ‚Kerosene‚ ist etwa im Kontext durchaus stimmig, für sich genommen taumelt die Nummer hinten raus jedoch spannungsarm plätschernd), die nicht wie wohl beabsichtigt zur schichtweisen Atmosphäre-Intensität beitragen, sondern wie das bemühte, aber zuwenig zwingende Reden um den heißen Brei herum wirken, was sich vor allem im ausgebreitet lamentierenden, blass-ineffektiven Closer ‚If I Have To Wake Up (Would You Stop The Rain?)‚ in einer dröge verwässerten Gesetztheit niederschlägt, wo eigentlich tempogedrosselte, nachdenkliche Wucht passieren sollte.
Über die gesamte Distanz füttert dies das Gefühl, das Potenzial von ‚Purple‚ unheimlich schnell erfasst zu haben, denn man kennt alle Ecken der Platte in kurzer Zeit. Baroness legen mit ihrem immer stärker zur Eingängigkeit tendierenden Songwriting ihre Karten mittlerweile einfach extrem  schnell auf den Tisch, man muss sich diese Band trotz angestiegener Synthieunterfütterungen nicht mehr erarbeiten. Das kennt man bereits von ‚Yellow and Purple‚: Baroness überrennen nicht mehr mit ihrer gewaltigen Präsenz, sondern nehmen einen festen Griffes an der Hand.

Wo ‚Yellow and Green‚ aber über weite Strecken scheiterte, macht ‚Purple‚ aus dieser Ausgangslage heraus jedoch erstaunlich viel richtig und liefert deutlich über den Erwartungshaltungen ab. Gleich ‚Morningstar‚ gibt die Richtung vor, mit einem imposanten Fokus: Die Gitarrenriffs donnern postmetallisch-mächtig und eindrucksvoll ausladend wie seit dem ‚Red Album‚ nicht, der Refrain öffnet sich unmittelbar zur regelrechten Hymne, das folgende ‚Shock Me‚ ist nichts weniger als ein knackiger Hit. Zumindest bis zum stimmungsvollen Instrumental-interlude ‚Fugue‚ verlassen Baroness dieses installierte Niveau auch nicht mehr, sondern reihen praktisch anstandslos die ansteckenden Ohrwürmer mit immensem Unterhaltungswert aneinander, die auf gefinkelte Progressivität zugunsten des stärker forcierten Melodiegehalts zurücktreten – und John Baizley streut trotz seiner limitierten gesanglichen Fähigkeiten die Killerhooks eben in beispielloser Konsequenz aus. Spätestens wenn sich ‚Chlorine & Wine‚ als schlafendes Monstrum entpuppt, bei dem sich irgendwann alle in den Armen liegen ist ‚Purple‚ in dieser Hinsicht damit vielleicht sogar exakt das Album geworden, das Mastodon seit einigen Jahren vorschwebt, aber nicht gelingen will.

Nach diesem luftholenden Intermezzo knickt der Spielfluss jedoch ein wenig ein. Die stur am Gaspedal stehende Schwachstelle ‚The Iron Bell‚ oder das eindimensional agierende ‚Desperation Burns‚ können zwar ebenso als potentielle Singlekandidaten durchgewunken werden, bleiben jedoch weniger vielschichtig und berauschend als die Songs der ersten zwei Albumdrittel. Zudem schafft es die Platte danach auch nicht mehr, den überragenden Ausbruch zu kreieren, den es spannungtechnisch benötigt hätte: Das schmissig seine Leistungsgrenzen verschiebende ‚Purple‚ erreicht letztendlich niemals endgültig die epischen Höhen, die es in Aussicht stellt, bleibt das wirklich Monumentale schuldig.
Zu einem Gutteil aber auch alleine deswegen, weil das Viertwerk der Band für die Entscheidung büßen muss Dave Fridman auf den Produzentenstuhl gelassen zu haben, der hier alle seine Fähigkeiten zuverlässig ausspielt: Es existiert praktisch keine dynamische Bandbreite und die dünn inszenierten Instrumente versinken in einem komprimiert-strauchelnden Soundmatsch, der dem weitestgehend superben (über die Jahre eben anders gewichteten) Songwriting  von Baizley beinahe jeglichen zwingenden Druck raubt und (zwar etwas unvariabel und leicht auszurechnend im Midtempo-Bereich verankerten, aber eben mit präzisem Muskelspiel arbeitenden) Hymnen regelrecht blutleer erscheinen lässt und damit unter Wert verkauft.
Im direkten Vergleich haben es 2015 deswegen auch die weniger auf Nummer Sicher gehenden, erfrischender agierenden und besser produzierten Wildlights die Nase vorne; für sich genommen funktioniert das gleichermaßen nach eingeschliffener Routine und Aufbruchstimmung klingende ‚Purple‚ aber durchaus als euphorisierende Kurskorrektur in der Formkurve – ganz ungeachtet dessen, ob man sich mit der inzwischen eingenommenen stilistischen Grundhaltung der Band restlos anfreunden kann oder nicht.

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