Destroyer – Ken

von am 22. Oktober 2017 in Album

Destroyer – Ken

Destroyer Dan Bejar folgt auf (dem je nach Zählweise wohl elften Studioalbum) Ken gewissermaßen den kanadischen Landsmännern von Timbre Timbre und ihrer retrofuturistischen Postkarte Sincerely, Future Pollution in eine alternative Realität der späten 80er.

Trotz der stilistischen Überschneidungen ist die Umgebung natürlich weicher und wärmer, in der Ken letztendlich schwelgt. Dieser Noir-Pop ist schließlich grundsätzlich näher an der Lounge als an der Dystopie, trotz genrespezifischer Ingredienzien wie enorm körperbewusster Bassläufe geradezu zärtlich dem vergänglichen Trösten und Träumen verpflichtet.
Bands sing their songs and then disappear into the rhythm of the night/ Yeah you wanted it to be cool/ You thought that it would be alright/ In the morning…“ schwadroniert Bejar im drückend und dicht gestaffelten In the Morning, das wie eine Reminiszenz an den Pop von The Cure mit maschinell aufbegehrenden Dream-Gitarren und kristallinen Synthies werkelt, in sich ruht und dabei paradoxerweise eine gewisse Aufbruchstimmung weckt, obwohl sie vor allem rekapituliert.
Sometime last year, I discovered that the original name for “The Wild Ones” (one of the great English-language ballads of the last 100 years or so) was “Ken.” I had an epiphany, I was physically struck by this information. In an attempt to hold on to this feeling, I decided to lift the original title of that song and use it for my own purposes. It’s unclear to me what that purpose is, or what the connection is. I was not thinking about Suede when making this record. I was thinking about the last few years of the Thatcher era. Those were the years when music first really came at me like a sickness, I had it bad.(…)I think “ken” also means “to know.”“ erläutert Bejar die Gedanken hinter einer neuerlichen – natürlich nur relativen – Zäsur im Schaffen von Destroyer.

Ken ist in dieser Intention gefühlsmäßig und soundtechnisch zwar etwas näher dran an Kaputt, verlässt sich zudem nicht derart auf herausragende Highlights wie das stimmungsvolle Poison Season, sondern setzt auf ein kohärentes Niveau, dass das phasenweise analytisch und theoretisch bleibende, eine gewisse Distanz zur Erfüllung seiner Motive pflegendes Songwriting umgibt.
Sky’s Grey hat keine Eile, dafür aber ein getragenes Piano und von elektronischen Effekten unterspülten Pop, der ätherisch mit harmoniesüchtigem 80er-Bass, flimmernden Gitarren, leisen Streicher und entspannten Rhythmen auflebt. „Come one, come all, dear young revolutionary capitalists/ The groom’s in the gutter/ And the bride just pissed herself/ I’ve been working on the new Oliver Twist“ – was für Hooks dieser Typ doch von jetzt auf gleich setzen kann!
Es gibt in weiterer Folge freundliche Interpretationen von singletauglichen Erinnerungen an Disintegration (Tinseltown Swimming in Blood), beschwingte Gitarrenpop-Bagetallen (Cover From the Sun) oder intime Zärtlichkeiten wie das streichelnde Saw You At The Hospital. Der fragil pulsierende Mitternachtsleviathan A Light Travels Down the Catwalk weiß dagegen abgeklärt Bescheid („Strike an empty pose/ A pose is always empty„), bevor Rome die Tugenden von Merchandise beschwört und als geschmeidiger Hedonismus mit viel Melodiegefühl in jedem seiner Bausteine ein betörendes Saxofon findet. Es werden eben keineswegs alle Brücken zur Destroyer-eigenen Vergangenheit abgebrochen.

Sometimes in the World täuscht deswegen gleichermaßen bratzenden Rock wie Drive’sches Neonlicht an, nur um im schaukelnden Singalong zu landen; auch Stay Lost tänzelt lockerer über den tiefen Bass und die The Smiths’sche Gitarre. Beinahe rockt Bejar hier, wird dann allerdings lieber aus der Steckdose dirigierend hymnisch. Man füht jedoch, dass Ken seiner Berufung näher kommt, und tatsächlich: La Regle du Jeu baut erst Spannungen am französischen Dancefloor auf, tanzt dann mit geschlossenen Augen und haut letztendlich ein schwülstiges Gitarrensolo in den Nachthimmel – das ist die Erlösung, nach der diese Platte über kurzweilige 40 Minuten gesucht hat!
Seinen heimlichen Höhepunkt erreicht Ken jedoch eventuell bereits zuvor. Wenn der sophisticated Crooner, Märchenonkel, Beobachter und Phillsoph Bejar in Ivory Coast mit seinem elegischen Zauberorgan inmitten seiner Komposition thront (also zwischen wuchtig und drückend rotierenden Synthies, während die hallverhangene Gitarre irgendwo im Hintergrund gar zu einem noiseverliebten Solo ansetzt und plötzlich doch einem herrlich galligen Saxofon Platz macht) und die historisch perfekt eingefangenen Ästhetik kontemplativ sinnierend als sein eigenes Echo krönt: „Good things come to those who wait forever.
Spätestens dann ist auch Kenn wieder emotionaler Destroyer-Indie mit zutiefst eleganter Soul-Grandezza – diesmal eben deutlicher auch mit den Mitteln des New Wave und der späten 80er umgesetzt – der poetisch, elegant und mit aller Zeit der Welt ausgestattet wie bereits seine zehn Vorgängerplatten nicht nur eine ureigene Charakterstärke hofiert, sondern schlichtweg zeitlos bezaubert.

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