Explosions In The Sky – The Wilderness

von am 6. April 2016 in Album

Explosions In The Sky – The Wilderness

Seit ihrem letzten regulären Studioalbum haben Explosions in the Sky ihren Postrock vor allem als Soundtrack-Untermalung aufbereitet. Dies wirkt sich nun auf ‚The Wilderness‚ beinahe ebenso gewichtig aus, wie die offenkundige Erkenntnis der Band, sich bis hin zum fantastischen ‚Take Care Take Care Take Care‚ doch auch in eine kreative Sackgasse manövriert zu haben.

So erhaben und bisweilen schlichtweg atemberaubend all ihre bisherigen Werke auch ausgefallen sein mögen, musste sich das Quartett aus Texas dann wohl doch selbst irgendwann eingestehen, dass ihr strahlender Postrock bisher kaum Entwicklungen durchmachte und längst leicht auszurechnen geworden war – auch wenn man ihnen als Fan diese formvollendete Stagnation und vorhersehbare Formelhaftigkeit durch das konstant starke Songwriting und der immer wieder herbeibeschworenen, herausragenden Gänsehaut-Ausnahme-Nummern ja nur zu gerne verziehen hat.
Ob sich Explosions in the Sky als vermeintlich leicht zu kopierende Blaupausennutzer nun Kritiken wie jene von Russian Circles-Basser Brian Cook („All due respect to Explosions In The Sky, but I just can’t listen to the countless knock-offs they’ve generated. It’s like, I get it, you have a delay pedal and you know how to play a minor scale on the guitar. Do something more with the formula!„) zu Herzen genommen oder über Perspektivenerweiternde Arbeiten wie ‚Prince Avalanche‚ die Ambition gefunden haben, um sich mit ihren siebten Studioalbum endlich aus der wunderbaren Vorhersehbarkeit loszueisen bleibt offen, fest steht allerdings: Die selbe Suppe nach dem längst durchdeklinierten Erfolgsrezept ein weiteres Mal aufkochen, das wollten Explosions in the Sky mit ‚The Wilderness‚ offenbar auf keinen Fall.

Die fragmentarische Schönheit des Artwork setzt sich nun also nahtlos auf musikalischer Ebene fort,. Stilistisch und instrumental erweitert ‚The Wilderness‚ die Palette von Explosions in the Sky mutig und ambitioniert, ohne sich dafür tatsächlich von Charakteristiken der eigenen Historie lösen zu müssen. Doch alleine die schimmernd durch den Bandsalat gehängten ersten 50 Sci-Fi-Sekunden im Vorboten ‚Disintegration Anxiety‚ (wirken so im Kontext übrigens weniger wie zufällig platziert als sie dies alleine für sich stehend tun) deuten Progressivität an; und auch die danach einsetzenden zackigen Drums (was ist das überhaupt für ein merkwürdiger Noise-Filter auf dem Mix der Schlagzeugspuren?) und frickelnden Gitarren wildern (die kohärente, emotional abwechlungsreiche Vielseitigkeit der Platte adäquat vorwegnehmend) im Hohheitsgebiet von And So I Watch You From Afar oder Adebisi Shank, die Atmosphäre schielt zu Tortoise.
Die Komfortzone aus nachhallenden Reverb- und Delay-Gitarren-Meeren ist auf ‚The Wilderness‚ grundsätzlich eher Rückzugspunkt als Ausgangslage und Ziel. Denn bereits der geduldige, so erhaben eröffnende Titelsong durchbricht die installierten Standards der Band mit Schellen und einem elegisch getrichenenen Breitwandszenario ausbreitet, spielt seine Trümpfe mit der generellen Bereitschaft zu einem szenarischeren Vorgehen aus – alleine die generell minimierte Spielzeit der einzelnen Puzzelstücke spiegelt diese Gewichtsverlagerung auf breiter Ebene wider.

Immer wieder huschen in weiterer Folge zudem auch elektronische Spielereien als gewichtige Kompositionsbausteine durch ‚The Wilderness‚, unterspülen alte Trademarks: ‚The Ecstatics‚ benötigt mit pluckernden Synthie-Effekten und behutsamer (mutmaßlicher) Drummachine Laptopunterstützung, bevor die klassischen Gitarren erst nach und nach an die Oberfläche perlen dürfen. Explosions in the Sky haben sich von ihren typischen Spannungsbögen und Herangehensweise und durchdeklinierenden Mustern ein ganzes Stück weit entfernt.
In seiner akribisch gezirkelten Arbeitsweise ist ‚The Wilderness‚ damit per se spannender ist als die letzten Alben der Band, zeigt aber auch Nachteile dieser komprimierteren Gangart auf. Die wirklich großen, berauschenden und überwätigenden Momente kommen  in den Detailansichten zu selten zustande, weswegen ‚The Wilderness‚  in Summe eher ein weitschweifendes, sein Potential zumeist nicht restlos erkundendes Stückwerk bleibt, da einzelne Passagen in ihrer kompakten Spielzeit meist abblenden, bevor die imaginative Sogwirkung sich in ganzer Tragweite entfalten kann: ‚The Wilderness‚ ist mehr ein betörendes, überraschendes Funkeln, als atemberaubende Explosionen.

Zumal ‚The Wilderness‚ selbst in seinen schwächeren Momenten immer noch eine zauberhafte Sogwirkung entfaltet. Etwa, wenn im stringenten ‚Tangle Formations‚ bis hin zu den Bläsern alle Instrumente dem unbeirrten Vorwärtsdrang des Schlagzeugs folgen, dabei jedoch eher ausschmückende Staffeten bleiben und dem Song letztendlich nur im Albumfluss aus dynamischen Gründen rechtfertigen. Besser macht das da an sich schon das geduldigere ‚Infinite Orbit‚. Nur ist hier bereits nach viel zu knappen zweieinhalb Minuten Schluß – und damit bevor eigentlich alles gesagt ist.
Der nötige Raum zur Entfaltung kommt auch dem episodenartiger agierenden Songwriting von Explosions in the Sky weiterhin entgegen: Das großartige ‚Logic of a Dream‚ beginnt mit gleißenden Synthies ala Sunshine und martialisch werdenden Drums, die dennoch vor allem feingliedrig klingen. Ein dunkles Riff umspannt grimmig die bedrohlich-finstere Atmosphäre, bevor die Texaner die Nummer plötzlich orchestral vom Albtraum ins Licht kippen und alle Heavyness abstreifen lassen, leichtgängig federnd angetrieben eine meisterhafte Stimmungsjustierung vollziehen.
Das mit elegischen Streichern und Piano ambiente Sigur Ròs-Landschaften geträumte ‚Losing The Light‚  funktioniert dagegen ebenso wie das nach klassischen Mustern spielende ‚Colours in Space‚  eher als vereinnahmende Score-Klangkulisse, spätestens mit dem absolut wunderbaren, magisch verträumten Abschluss ‚Landing Cliffs‚ söhnen Explosions in the Sky mit den Wachstumsschmerzen aus, die ‚The Wilderness‚ bereiten kann: Einiger Kinderkrankheiten zum Trotz expandiert das Quartett seinen Sound mittels einer beständig wachsenden Frischzellenkur für das eigene Schaffen.

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