Ghost of a Chance – Shorelines

von am 10. September 2012 in EP

Ghost of a Chance – Shorelines

Tobias Heiland alias Ghost of a Chance unterstreicht noch einmal, dass man nur wegen einer Hardcore-Vvergangenheit und Punkrocksozialisierung nicht zwangsläufig wie all die kehligen Troubadoure um Brian Fallon, Chuck Ragan und Co. klingen muss.

Man sollte ein Buch eben nie nach seinem Umschlag beurteilen. Oder nach seiner Inhaltsangabe. Sonst hätte man in Heiland einen ehemaligen Hardcoresänger, tätowiert mit Flanellhemd, der sich vordergründig mit Akustikgitarre bewaffnet in spärlich ausgebauten Songkleinoden versucht und damit schon mit Frank Turner und Co. auf der Bühne gestanden hat. Da kann man mit dem Urteil schonmal vorschnell aufs falsche Ziel schießen. Im Falle von Ghost of a Chance bedeutet das wie auf dem Debütalbum ‚And Miles to Go Before I Sleep‚ – und wohl auch als Ausblick auf das demnächst anstehende zweite Werk –  aber, dass sich Heiland viel wohler im Pop und Indie, denn in Country, Blues oder Folk fühlt. Begriffe wie „bierselig“, „hemdsärmelig“ oder „kumpelhaft“ sind also das vielleicht letzte, was man aus der Plattitüdenkiste kramen kann. Und seine Stimme, die hat er sich außerdem nicht kapputt und heiser gegröhlt.

Stattdessen sind das meist feingliedrig gedachte, kompakt ausgeführte Singer-Songwriterübungen, die niemandem wehtun wollen und können, dafür aber umso gefühlvoller ihre Trümpfe ausspielen, eben mit kleinen Mitteln auf große Emotionen pochen. ‚Fearful Symmetry‚ macht das als geschmeidiger Ohrwurm schon zu Beginn elegant, ist nicht weniger als ein potentieller Indie-Hit; galoppiert dementsprechend wohlig einher, hat Platz für reichlich Melancholie aber keinen wirklichen Klimax in seinem getriebenen Wesen und ist dabei so angenehm unkompliziert sympathisch, dass das niemandem ein Zacken aus der Krone bricht. Mit mehr Folk im Blut säumt das nasale ‚Ned Kelly School of Self-Defense‚ das selbe Pferd von hinten auf, wildert unverhohlen und aufgedreht bei Mumford and Sons, verkneift sich aber zum Glück jedweden stumpfen Stampfbeat oder euphorisch penetrante Mandolinen, sondern besinnt sich auf das wesentliche: die immer zutraulichen Melodien von Ghost of a Chance, die in ihrer unspektakulären Geste nur zu gut kaschieren, dass das problemlos auf internationaler Ebene mithalten kann.

Richtig deutlich wird das ausgerechnet bei den beiden über die Stränge schlagenden Balladen im Mittelteil, die bedenklich nahe an astrein reduzierten Schmachtfetzen entlangschrammen. ‚Tesla‚ und vor allem ‚Arctica‚ sind romantisch verklärte Schwelger, die gerne Billy Bragg oder John K. Samson wären, aber in Heilands Tendenz, bedingungslos und nicht immer zu seinem besten stets die leise Melodramatik zu suchen, deswegen viel näher bei Snow Patrol landen als einem lieb sein kann und damit genau aus dem Stoff geschneidert sind, für den die zuständigen Soundtrackbeauftragen bei Grey’s Anatomy und dergleichen ihr letztes Hemd geben würden, Heiland mit Kohle erschlagen sollten. Das ist auf der einen Seite gut, weil Snow Patrol solche berührenden Momente ohnedies nicht mehr hinbekommen und Ghost of a Chance zumindest bis zum eigentlich zwangsläufig kommen müssenden Durchbruch mit derart intim berührenden Kleinoden wohl so etwas wie die unpeinliche Alternative zu den üblichen in diesen musikalischen Bereichen wildernden Verdächtigen darstellt. Was dann übrigens auch nichts mit Heilands Auftreten und Punk-tauglichen Aussehen zu tun hat. Sondern nur mit der Qualität seiner Songs.

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