Grizzly Bear – Shields

von am 13. September 2012 in Album

Grizzly Bear – Shields

Shields‚ experimentiert als Album nach dem Album mit der „Was-wäre-wenn-Frage„: Was, wenn Grizzly Bear schon 2006 ihr schrullig-verlegtes Verständnis von Pop derart „verständlich“ hätten formulieren können oder wollen wie auf dem Durchbruchwerk von 2009.


Anders gesagt: ‚Shields‚ funktioniert als jenes Album, das aufzeigt, was passiert wäre, wenn Grizzly Bear schon den so unfassbar wunderbar aus allen Rudern laufenden Experimentalpopgeniestreich ‚Yellow House‚ mit den konsenstauglich-nachvollziehbaren Hits eines Kalibers wie etwa ‚Two Weeks‚ angereichert hätten, durch welche die Brooklyner um Ed Droste und Daniel Rossen vor drei Jahren durch die Decke in den Indierock-Himmel schossen. Und verdeutlicht damit auch, wie gut das funktioniert hätte. In dieser Position baut das vierte Grizzly Bear-Album Brücken zwischen seinen Vorgänger, ist in seiner anhaltenden Entrückung aber noch zugänglicher als alles bisher und hat zudem trotz all der verqueren Krümmungen mehr Hits denn je in petto, allein die Eingangsphase lässt – das psychedelische Interlude ‚Adelma‚ außen vor – die Kinnlade nach unten klappen: ‚Sleeping Ute‚ nimmt unmittelbat an der Hand und poltert umständlich an Bob Dylans ‚Ballad of a Thin Man‚ angelehnt seiner Explosion entgegen, findet aber nur inneren Frieden und den anstandslosen Popentwurf ‚Speak In Rounds‚, in dem Grizzly Bear sich abermals aus dem Stand zum ganz großen Popsong aufmachen und flotten Tempos beim ‚Southern Point‚ (ja, nicht jede Idee auf ‚Shields‚ ist eine ausschließlich neue!) ankommen. Was aber nur dann schlimm ist, wenn man auch bekrittelt, dass das entspannt bis zu seinem Zähne zeigenden Schluß groovende Rockding ‚Yet Again‚ das Ganze sogar nochmal um mindestens eine Stufe anhebt.

Shields‚ flacht darüber hinaus aber auch die bisher gerne einmal auftuenden Gräben im Albumfluss ab. Die Diskrepanz zwischen eingängigen und verspielt-verspullten Songs, zwischen verrückt und mitreißend, zwischen Weirdo-Entrückung und alternativen Indie-Mainstream, sie verläuft auf dem vierten Album der Band weniger auseinanderklaffend, im späteren Verlauf sogar fein säuberlich aufeinander Acht geben im Wechselschritt. Ab der Mitte in etwa, beim jazzigen ‚What’s Wrong‚, das sich so auch gut auf Radiohead’s ‚Kid A‚ zurecht gefunden hätte, oder dem späten Triumph-Trumpf ‚Half Gate‚ in seiner Funktion als epischen, vielschichtigen, Chor-bfeuerten Auslader und eigentlich optimalen Rausschmeißer – wenn nicht das zusammenfassende ‚Sun In Your Eyes‚ mindestens ebenso überragend wäre! – lassen Grizzly Bear die Dinge nur zu gerne ein wenig ausschweifen, geben ihren Songs Raum wild zu wachsen. ‚The Hunt‚ wird so zu einem betörend ziellosen Drifter, der so auch von ‚Yellow House‚ hätte stammen können, sich mit seinen leisen Blues-Bläsern in der allgegenwärtigen 60s Popstimmung von ‚Shields‚ jedoch wohl noch wohler fühlt und zudem die allgegenwärtige, drückende Melancholie hier zusätzlich verdichtet. Dem gegenüber steht eine trübselige Endorphin-Schleuder wie das treibende ‚A Simple Answer‚, was nicht aus dem Rahmen fällt, weil diese ihre Sache weitaus gemächlicher beendet als beginnt und in diesem überraschenden Tempo-Ausfallschritt eben auch nur zu aufmerksam im ‚Yellow House‚ groß geworden ist.

Aus dieser Symbiose der errungenen Vorzüge der bisherigen Bandphasen zieht das verschlafen nachdrückliche ‚Shields‚ seine besten Momente, in den sorgsam eingearbeiteten Feinheiten dazwischen findet sich der nötige Wille zur Weiterentwicklung im Detail. Nie wird die allgemein trippige Sogwirkung von Grizzly Bear im Jahr 2012 wahrscheinlich konkreter, als im Soul-Rausch ‚Gun-Shy‚, wenn die New Yorker ungriffige Hooks mit wärmenden Melodien einlullen, darum herum sorgsam um die Ecke gedachtes Theater engagieren und den Spagat zwischen Kunst und großem Kino doch wieder schaffen, wie niemand sonst. Dank solcher Momente ist es letztendlich auch egal, dass Grizzly Bear ihr bisheriges Schaffen nicht ein weiteres Mal übertreffen, sondern bloß auf Augenhöhe wiederholen und als noch geschlossenere, schlüssigere Songsammlung weiterführen. Allerdings bestätigen und widerlegen Ed Droste, Christopher Bear, Chris Taylor und Daniel Rossen mit ‚Shields‚ auf unerwartet konstante Art und Weise auch die Vermutungen, die man bereits nach ‚Veckatimest‚ hegen musste: das Quartett operiert mittlerweile am Zenit, in dem was sie tun, hat nun auch die restlich verbliebenen Luftlöcher geschlossen, höher hinaus geht es hier wohl nicht mehr.

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