Iron Maiden – The Book of Souls

von am 10. Oktober 2015 in Album

Iron Maiden – The Book of Souls

Sollte ‚The Book of Souls‚ tatsächlich doch das letzte Album der britischen Metal-Institution seinIron Maiden würden sich mit einem in die Vollen gehenden Mammutwerk verabschieden. Und dennoch wäre weniger hier sogar noch mehr gewesen.

Vieles am sechzehnten Studiowerk der Band, dem fünften seit dem Dickinson-Comeback, schreit förmlich danach, das Opus Magnum der Iron Maiden-Spätphase sein zu wollen: Die Umstände rund um die Entstehungsgeschichte (Dickinson besiegt den nach den Aufnahmen diagnostizierten Zungenkrebs; die Band trotzt der längsten Pause zwischen zwei Alben; die Rückkehr zum alten Logo), das Artwork (gewisse Aspekte der Maya haben auch nach 2012 noch eine ultimative Ausstrahlung, vor allem, wenn es um die eigene Vergänglichkeit geht: „As you get older, you start thinking about your own mortality and these things more„.), die Quantität (mit ausufernden 92 Minuten Spielzeit versammelt ‚The Book of Souls‚ Songwriting-Credits von allen Bandmitgliedern auf dem ersten Doppelalbum der über 40 Jahre Jahre umfassenden Maiden-Discographie), vor allem aber auch die Qualität: Iron Maiden servieren mit ‚The Book of Souls‚ nicht nur ein Destillat ihres Hoheitsgebiet-Könnens, sondern treiben den Husarenritt aus Altbekannten mit vitalem Prog-Übermut auf die Spitze, lassen unersättliche Kompositionen schlichtweg zu jedem Zeitpunkt nach dem wortwörtlichen Mehr gieren.

The Book of Souls‚ strotzt in seinen (teilweise über)langen Exkursionen so vor atemlos gniedelnden Endlos-Gitarrensolos und in all ihrer theatralischen Dramatik überschwänglich gestikulierenden Melodien ohne Netz und doppelten Boden, majestätisch bauen sich stimmungsvolle Atmosphärepassagen neben vor schwülstigem Pathos funkensprühenden Power-Chorus-Feuerwerken auf, impulsive Tempiwechsel reißen den Hebel um wild galoppierenden Harmonie-Abfahrten und stadiontauglich sich selbst zelebrierenden „Ohhohoho„-Chören umher. Maiden feiern sich anhand einer die eigenen Trademarks in ein zumeist mitreißendes Songwriting ummünzenden Selbstsicherheit, begeben sich jedoch aus der eigenen Erbverwalterrolle hinein in die Frischzellenkur.
Ebenso wichtig als das massenhafte Vohandensein der schieren Fülle an all den Zutaten, die das Maiden-Herz begehrt, ist nämlich die Tatsache, dass Harris und Co. durch das Abschütteln jeglicher Mäßigung wieder einen Hunger an den Tag legen, der den vorangegangenen Platten in dieser fordernden Form abgegangen ist. ‚The Book of Souls‚ zündet sein komplexes Muskelspiel mit einer Leichtigkeit, ist wendiger und schwerer auszurechnen als die oft zu generische Arbeitsweise der jüngeren Vergangenheit, der Drahtseilakt zwischen Entertainment und Komplexität gelingt mühelos, nur selten mit schwachen Anzeichen einer hüftsteifen Pose. Hinter jedem exaltierten Spannnungsbogen kann so eine 180 Grad-Wendung folgen, Iron Maiden verschweißen ambitionierte Passagen zu abwechslungsreich und dynamisch die Richtung ändernden Songs, die sich selten aber doch gar in derart catchy portionierten Single-Kandidaten wie dem knackigen Hardrock-Austoben ‚Speed of Light‚ oder dem repräsentativen Killerohrwurm ‚Death or Glory‚ in all seiner tighten Spielfreude münden.

Gleich die Eingangs kurzerhand gen Ennio Morricone schielende, majestätische Eröffnungsnummer ‚If Eternity Should Fail‚ („Waiting in line for the end of your time/ If eternity should fail“ vibriert Dickinsons kaum noch steril klingendes, aber auch immer öfter in die hohen Tonlagen gequältes Organ) reckt sich so permanent dem Metal-Firmament entgehen, reiht die großen Gesten und hymnischen Szenarien ohne falsche Zurückhaltung aneinander und dehnt sich als Bindeglied von Leistungsschau und unersättlich den eigenen Zenit nach oben rücken wollendem Ehrgeiz imposant aus. Mehr noch: Es ist der erste Arena-Epos der Platte, der sich neben dem überragenden, die Hooks mit anachronistischer Miene ausspielenden Harris-Gestaltenwandler ‚The Red and the Black‚ und vor allen dem imposant abschließenden 18 Minuten-Brocken ‚Empire of the Clouds‚ (samt Streichern und dünn klingendem Klavier läuft man immer wieder Gefahr in plätschernde Gefilde abzudriften) unmittelbar einen Platz in den Annalen der Maiden-Klassiker beanspruchen wird.
Gerade letzterer führt jedoch als längster je veröffentlichter Maiden-Song auch vor, dass ‚The Book of Souls‚ trotz seiner regelrecht triumphalen Hochphasen keineswegs makellos ist und allerhand Potential verspielt. Keiner der aufgefahrenen Song ist für sich genommen tatsächlich schlecht, aber der eine oder andere genehmigt sich in seinen zügellos-progressiven Auswüchsen doch unnötige Längen, hätte mit mehr Zug zur Entschlackung an Effizienz gewonnen. Zusätzlich schwächelt die zweite Hälfte der Platte, auch wenn etwa das sentimental-kompakte ‚Tears of a Clown‚ nur in Relation zu vorangegangenen eigenen Nummern wie dem kantig austeilenden ‚When the River Runs Deep‚ den Kürzeren zieht. Dass ‚The Book of Souls‚ als Einzel-Album ohnedies angenehmer zu konsumieren wäre, steht dabei außer Frage. Dass es mit etwaigen Kürzungen schlicht ein noch furioser packendes, besseres Album hätte werden können jedoch ebenso.

Alleine, weil beispielsweise dem dezent müden ‚The Man of Sorrows‚ oder dem Beinahe-Langeweiler ‚Shadows of the Valley‚ immer wieder die Luft auszugehen drohen – was jedoch auch Kevin Shirley zu verantworten hat. Dessen schwammige, leblos-monotone „Live“-Produktion nimmt zahlreichen Passagen mit seinem dumpfen Sound vieles an Druck und Energie, zügelt die Gitarrenausritte und schaltet die Bandbreite der Platte gefühltermaßen auf einem bedingt aufregend-genormten Level gleich, erlaubt dafür aber den immer noch vorhandenen Billig-Synthies zu viel Platz. Im mittelalterlich stacksenden Titelsong setzt dies vielleicht angenehm abgründig retrofuturistische Akzente, noch viel öfter verleiht es ‚The Book of Souls‚ aber unnötig Staub angesetzt habenden Ballast.
Das alles sind ärgerliche Punkte, die verhindern, das aus einem über den Erwartungen ablieferndem, sehr guten Iron Maiden-Album ein wahrhaftig herausragendes wird. Nichtsdestotrotz auch ohne Klassiker-Anspruch eines, dass die Relevanz der Band eindrucksvoll unterstreicht. Und sei es nur deswegen, weil sich die hierauf aufbauenden Livetermine mutmaßlich fulminant gestalten werden und sich 2015 nur schwer ein Metal-Album finden wird, dass annähernd soviel unverbindlicheren Spaß macht, wie ‚The Book of Souls‚.

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