Mirrors For Psychic Warfare – Mirrors For Psychic Warfare

von am 16. Juni 2016 in Album

Mirrors For Psychic Warfare – Mirrors For Psychic Warfare

Mirror for Psychic Warfare spielen obskur-herausfordernde Ambientmusik, die zu keinem Zeitpunkt verbergen will, dass die 46 Minuten dieses selbstbetitelten Debütalbums von zwei verdienten Köpfen des Post-Metal in unmittelbarer Neurot-Nähe erdacht wurden.

Darf man da schon von einer Supergroup sprechen? Im Falle von Mirrors For Psychic Warfare kann man sich das wohl gerade noch verkneifen, selbst wenn hinter den fünf Mammut-Kompositionen der Platte niemand geringerer als der mit unzähligen Dauerkooperationen, Gastspielen und Sologeschichten vielbeschäftigte Neurosis-Mann Scott Kelly sowie der mittlerweile als Produzent extrem gefragte Multiinstrumentalist  und Burried at Sea-Vorstand Sanford Parker stecken – immerhin machen die beiden ja bereits bei Corrections House (in personell größeren Dimensionen mit Bruce Lamont und Mike IX Williams) gemeinsame Sache.
Dass Mirrors For Psychic Warfare nun nicht unter eben jenem Corrections House-Banner veröffentlicht werden konnte macht durchaus Sinn, immerhin mutet gegen den Einstand ihrer neuen Spielwiese so manche bisherige Arbeit der beiden Umtriebigen geradezu konventionell, vor allem aber songorientiert und griffig an. Mirrors For Psychic Warfare ist nun all dies nicht, sondern setzt ungefähr dort die Hebel an, wo sich [amazon_link id=“B000291H6A“ target=“_blank“ ]The Eye of Every Storm[/amazon_link] in seinen ruhigen Passagen in elektronische Schichten verkrochen hat, addiert Boris’sches Hartnäckigkeit sowie eine Swan’sensche Schamanenhaftigkeit, und experimentiert aus dieser Nische ohne geißelnde Formen weiter.

Parker und Kelly haben so ein zwischen den Polen Postmetal, Doom, Ambient und Drone treibendes Werk geschaffen, dass sich vor allem auf seine Atmosphäre beruft und Stimmungen zu kreieren als oberstes Gebot ausgegeben hat – als hätte Kelly ja immer noch Neurosis, um mit knackigen Riffs, sich kompakt erschließenden Spannungsbögen und schmissigen Hooks an Bord zu holen.
Mirrors For Psychic Warfare bremsen die Dinge nun also weit draußen aus und servieren eine stoisch konzipierte Klangodyssee, die die nötige Verfassung und Bereitschaft voraussetzt, um sich ergiebig in den hypnotischen Reiz der Platte fallen zu lassen. Vor allem Eingangs gerät das dann auch durchaus zu einer faszinierenden Herausforderung.
Kelly’s Stimme klingt im eröffnenden Oracles Hex merkwürdig theatralisch in dem offenen Lagerhallensound, um sein letztendlich doch so unverkennbar als Leitsymbol herhaltendes Organ spielen psychedelische Gitarren: mantraartig wiederholte, sparsame Melodien sind diese, oder glimmernd in Zaum gehalten voller Feedback. Alles scheint in dem irritierend körperlosen und schmutzig aufgeräumten Werk auf einen unmittelbaren Ausbruch hinzuarbeiten. Tatsächlich kippt der Song später in einen mit maschinellen Beat arbeitenden Industrial-Alptraum, der in seiner sturen Repetition dennoch nur wie ein weiteres hinauszögern des nächsten Climax-Crescendos wirkt. Diesen erlösenden Gefallen tun Mirrors For Psychic Warfare einem freilich nicht mehr, sondern lassen das verstörende Klangkonstrukt in der Dunkelheit verhallen.

Mindestens ebenso eigenwillig erweist sich das folgende, knapp 15 Minuten lange A Thorn to See: Mirrors For Psychic Warfare bauen auf einen stur zwischen Elektronik und kargem Minimalismus davonlaufenden Drum-Rhythmus, der jeden Grooveansatz als Ballast geißelt. Mystisch entrückt legt das Duo Klangschichten über die sparsam laufenden Snareschläge, die immer dichter und beklemmender werden, bis Kelly wie ein apokalyptischer Geschichtenerzähler in beunruhigender Lethargie in den Score einer hoffnungslosen Finsternis herab steigt. Viel passiert hier genau genommen nicht, entziehen kann man sich der Anziehungskraft, die von Mirrors For Psychic Warfare hier ausgeht dennoch kaum. Warum bleibt schwer zu definieren – vielleicht liegt es an der selben hypnotischen Bannkraft, die eben auch die Monolithen der Swans erzeugen – auf eine irgendwann derart garstig hereinbratende Slo-Mo Gitarre hätten Gira und Co hingegen wohl verzichtet. Mirrors For Psychic Warfare dehnen sie dagegen zum geduldigen Noise-Orchester aus.
Nach diesem Rausch haben die beiden Szenegrößen allerdings ihr fesselndstes Pulver verschossen. Von hier an bleibt man – wie das Cover in gewissem Maße Cover suggeriert – als Hörer ein außen vor stehender Beobachter, der sich das Gebotene betrachten, aber nicht mehr eintauchend spüren kann. Auch, weil sich plötzlich mehr Ästhetik als Substanz in das Album schleicht. So ist CNN WTZ monoton riffender Gitarrenwand-Doom, den die Japaner um Takeshi selbst dann noch intensiver hinbekommen, wenn sie es gar nicht darauf abgesehen haben, bevor spätestens das grobschlächtige Post Metal Suspence-Skelett I’ll Try You All die Platte zu ziellos und zerfahren wirken lässt. Es mangelt dabei weniger an der Inspiration, als der Umsetzung – wohin die Reise gehen soll ist klar, jedoch bleibt der Weg dorthin zu ineffektiv. Am besten nachzuhören im abschließenden  43, das seine primitiven Gitarrenanschläge einem melancholischen Pianoloop und Fanfaren aus der Dose folgen lässt. Das klingt dann nach einer guten Idee, aber auch einer billigen Umsetzung, zumal das nur leicht variierte Grundmotiv der Nummer mit seinem Carpenter-Flair über knapp 10 Minuten langweilend in die Breite gezogen ist.
Auch wenn sich Parker und Kelly in den besten Momenten von Mirrors For Psychic Warfare damit einmal mehr als tiefenwirksame Atmosphäre-Meister ihres Fachs empfehlen und ihren jeweiligen Arbeitmappen durchaus interessante neue Facetten hinzuzufügen verstehen,  haben die beiden in ihrer Karriere bereits zweifellos spannendere und vor allem gelungenere Alben vorgelegt. Ohne Mirrors For Psychic Warfare insofern bis auf weiteres unter Wert verkaufen zu wollen, aber: Ein bisschen darf man durchaus hoffen, dass diese Exkursion für Kelly primär den Fokus bei der Arbeit am kommenden Neurosis-Werk geschärft hat.

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