Other Lives – Rituals

von am 5. Mai 2015 in Album

Other Lives – Rituals

Other Lives haben ihren federleicht zwischen Kammerpop und Folk-Avantgardismus schwebenden Dream-Indierock noch weiter hinausgetrieben, als bereits auf dem so betörenden Fantasiegebilde ‚Tamer Animals‚. Weil der atmosphärische Sound auf dem Drittwerk des Trios aber endgültig wichtiger zu sein scheint als die zugrunde liegenden 14  Songs, die sich lieber freigeistig in ihrer verwunschenen Schönheit treiben lassen, als konkrete Ziele anzuvisieren, verliert sich das vage bleibende ‚Rituals‚ auch immer wieder auf halben Weg zum furiosen Pop-Meisterwerk.

War ‚Tamer Animals‚ von 2011 schon ein Werk, das schwerelose Weltraum-Szenarien und gleitende Unterwasser-Bilder vor dem inneren Auge (und den dazugehörigen Musikvideos) bedenkenlos zuließ, ist ‚Rituals‚ nun eines, dass keinen Schritt mehr ohne diese aus dem Alltag entrückten Stimmungen tut: Other Lives waren immer schon großartig darin majestätische Atmosphären zu kreieren, elegische Melodien mit einem bisweilen magischen Verständnis für Harmonien und detailverliebte, vielschichtige Arrangements aufzubauen, ihre weitläufigen Kompositionen in einer zeitlos strahlenden Blase der Schönheit heraufzubeschwören, die selbst Radiohead andächtig applaudieren ließ.
Auf ihrem Drittwerk gelingt dies sogar noch anmutiger, andächtiger, erwürdiger und verinnerlichter: ‚Rituals‚ verarbeitet rund um das schwelgende Falsett von Frontmann Jesse Tabish weitläufige Klangwelten, die mit wohltemperierten Streichern, sanften Bläsernwellen und verwaschen perlenden Chören ein mystisches, reich instrumentiertes Orchestergewand samt einer in sich gekehrten Intimität über weiche Tonfolgen und wärmende Klangfarben stülpen. Nicht nur wegen der verstärkt zum Einsatz kommenden Elektronik in Songs wie ‚Pattern‚ oder ‚Reconfiguration‚ denken Other Lives den Vorgänger damit in erster Linie konsequent weiter.

Das Ergebnis ist ein meditativer, uferloser Klangpool mit postrockigen Wirkungskreisen. ‚Rituals‚ hat soundtechnisch noch einmal deutlich mehr Platz als ‚Tamer Animals‚. Alles fließt, breitet sich aus, träumt elegant – von hoffnungsschwangeren Hymnen in dunklen Nächten, tröstenden, leisen Kleinoden voller nie gänzlich greifbarer Eingängigkeit; von 55 Minuten, in die man stufenlos abdriften kann.
Was dann allerdings auch soweit geht, dass auch Other Lives selbst vor lauter dicht gewobenen sphärischen Wohlklang die eigentlichen Songs hinter den Inszenierungen immer wieder aus den Augen zu verlieren drohen und ohne Fokus neugierig durch Territorien ziehen, die die Akribie von These New Puritans mit der Emotionalität von The National und Fleet Foxes kreuzen. Zu keinem Zeitpunkt aber spitzt die Band aus Oakland die Gegebenheiten kompositorisch zu oder zieht die erschaffenen Spannungsbögen knackig enger, sondern malt einen bisweilen etwas zu gleichförmigen Kosmos der graziösen Melancholie, der die in Aussicht gestellten Erwartungshaltungen nicht immer über die gesamte Songlänge stemmen kann.

Rituals‚ umspült so mit einer erhabenen Kunstfertigkeit, nimmt an der Hand und stellt viele der schönsten Popländereien des jüngeren Vergangenheit in Aussicht, schwebt dann aber im Landeanflug doch zu reibungslos und versöhnlich über diese hinweg.
Das ändert zwar nichts daran, dass ‚Rituals‚ trotz schwächelndem Ende entlang einiger zusätzlich aus der homogenen Masse herausragender Songs wie dem abgründige Shuffle ‚Easy Way Out‚, dem märchenhaft schimmernden ‚2 Pyramids‚, der Déjà-vu-Elegie ‚No Trouble‚ oder dem Trauerklos-Walzer ‚English Summer‚ in Summe keinen einzigen Ausfall zu verzeichnen hat – kann aber auch das unbefriedigende Gefühl nicht restlos verscheuchen, dass Other Lives hier mit mehr Zug zum Tor noch soviel mehr hätten erreichen können, als ohne das nötige Händchen für spannungsintensivierende Überraschungsmomente nur so bezaubernd und zärtlich wie bisher niemand sonst im Jahr 2015 um eine so herrliche wie prachtvolle Langeweile zu lamentieren.

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