Restorations – LP 3

von am 17. November 2014 in Album

Restorations – LP 3

Restorations provozieren mitunter arg abenteuerliche Band-Vergleiche, wenn es um den Versuch geht, ihr drittes Album in Schubladen packen zu können. So absurd die Konstellationen dabei auch bisweilen erscheinen mögen: im Kern treffen sie auf dieses wunderbar rücksichtslos-mutige Punkrockalbum doch auch immer irgendwie zu.

Bruce Springsteen trifft Hot Snakes“ heißt es etwa im Pressetext, „eine Mischung aus Foo Fighters und Crazy Horse“ befindet die Visions. In den aufgeworfenen Referenzen tauchen mitunter Rival Schools neben The Hold Steady auf, Thrice neben Brand New, Sparta neben Sunny Day Real Estate. Und natürlich immer wieder Hot Water Music: gleich das eröffnende ‚Wales‚ klingt dann auch tatsächlich so, als hätte Chuck Ragan Benzin im Blut und glühenden Highway-Wüstensand im Gesicht, während spätestens im anschließenden Hit ‚Seperate Songs‚ klar wird, dass es sich das Quintett mit der rauhen Stimme von Sänger Jon Loudon nur allzu leicht hätte machen können, indem es sich bequem ins gemachte Hot Water Music-Epigonen-Bett legt. Restorations wollen hingegen nicht einmal mit allzu konventionellen Strukturen entgegenkommen: der Song, ein in sich gehendes Kraftpacket, schlängelt sich mit viel Druck um seine melancholischen Melodielinien und explodiert mit Soul unter der Haube zu einem Finale, dass erst in die Breite geht, nur um sich im nächsten Moment doch wieder in sein Schneckenhaus zurückzuziehen. Den Kniff mit den permanenten Wendungen, dem steten Schwenk vor der ausladenden Hymne, den liebt diese Band – sich selbst und ihre Hörer zu fordern mindestens ebenso.

Womit ‚LP 3‚ gleichermaßen beim Vorgänger ansetzt, wie die Dinge auch weniger frontal angeht, die immanente Melancholie der Platte mit geballten Fäusten anpackt. ‚Misprints‚ beginnt so als Stadionrock, marschiert dann durch ein dunkles Dickicht auf ein tröstendes Lagerfeuer zu und hat am Ende genug Energie gesammelt um in einer großen, aber bescheiden bleibenden Geste aufzugehen. Brian Fallon hätte der gefühlvollen Ballade ‚The Future‚ wohl alle Ecken und Kanten abgeschliffen, wohingegen  ‚All My Home‚ dann ohnedies vielleicht gleich der nachdenkliche, nostalgische Song mit Countryanleihen und Bläserunterstützung ist, den The Gaslight Anthem so schon lange nicht mehr zustande bringen würden. The Menzingers hätten hieraus wohl eine massentauglich umarmende Single gebastelt – Retorations tragen die Nummer lieber gedankenverloren auf einer Harmoniegesang-Welle in den Nachthimmel der oszillierenden Indiewelt von Wintersleep. Das perkussiv getriebene ‚Most Likely A Spy‚ ist dann näher dran an den alten Against Me, als selbst ‚Transgender Dysphoria Blues‚ es war, und ‚No Castle‚ einer der kompakten Brecher der Platte, in den Restorations kurzerhand ein herrlich gniedelndes Van Halen-Soli stecken.

Selbst ein ‚Tiny Prayers‚, das über weite Strecken den herausragenden Beweis antritt, dass Restorations das mit den glücklich machenden PunkROCK-Ohrwürmern auch mit direkterem Zug zum Tor ohne Mühen hinbekommen (wenn sie es denn nur wollen) dreht dann doch noch ein paar Extrarunden. Loudon zieht im Finale die Zügel imposant enger und zeigt, dass er zu jedem Zeitpunkt noch eine Schippe drauflegen kann, daneben gönnt sich seine Band kurzerhand ein kunstvolles Feedback-Kissen als Outro. Das sind die Momente, in denen sich mit Fug und Recht behaupten lässt: Restorations bringen auf ‚LP 3‚ der Hemdsärmeligkeit im Punkrock die Unvorhersehbarkeit und Experimentirwut bei, lernen der Unmittelbarkeit des Alternative Rock das Fliegen, und bereiten den Grauzonen zwischen den Genres eines der schönsten Geschenke des zu Ende gehenden Jahres.
Mit Songs, die bodenständig sind, ohne plump zu wirken; so bärbeißig und ruppig, wie liebevoll und anschmiegsam; ausgefuchst und durchdacht wirken, ohne verkopft zu werden; auf emotionaler Ebene packen, ohne sich gleich bei der ersten Berührung feilzubieten und deswegen den verschwitzten Club ebenso zum Explodieren bringen werden/könnten, wie rappelvolle Arenen. Sich dabei Traditionen durchaus bewusst sind, den Blick aber lieber in die Zukunft schweifen lassen. Und eben ein händeringend ausuferndes Spektrum an Einflüssen abdecken, aus all den anvisierten Eckpunkten aber letztendlich ein originäres, homogen-stringentes Sound-Amalgam anrühren, das in seiner bedingungslosen Aufgeschlossenheit wiederum seine Nachahmer finden sollte. Wie scheuklappenbefreit und korsettlos Restorations ihren Songs mittlerweile allen nötigen Raum zugestehen um zu wachsen, führt das abschließende ‚It’s Not‚ noch einmal über knappe sieben Minuten vor und macht den Rausschmeißer aus einer Platte, die den Punkrockladen mutmaßlich eindrucksvoller durchlüftet, als jede andere Platte 2014.

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