Someone Still Loves You Boris Yeltsin – Fly by Wire

von am 3. September 2013 in Album

Someone Still Loves You Boris Yeltsin – Fly by Wire

Someone Still Loves You Boris Yeltsin haben bereits unschuldige Songs über Dracula, Chili-Kochwettbewerbe und Ozeanographen geschrieben. Der erste Song ihres vierten Studioalbums heißt ‚Harrison Ford‚ und richtig: auf den ersten Blick ist alles beim alten bei der grundsympathisch-unscheinbaren Indieband. Auf den zweiten hat sich dann doch ein wenig was getan in Springfield.

Die zum Trio geschrumpfte Kombo schreibt nach wie vor geradezu kindlich anmutende Gitarrensongs, die in all ihrer Herzlichkeit keiner Fliege etwas zu Leide tun wollen und dabei im besten Sinne nett sind: allerdings eben nicht als der kleiner Bruder von Scheiße, sondern eher eine immer passende, bescheidene Unaufdringlichkeit für alle Lebenslagen ausstrahlen, unkompliziert und unaufdringlich aus den Ärmeln geschüttelt. Auch ‚Fly by Wire‚ deutet dabei in den stärksten Momenten wieder an was sein hätte können, wenn sich Weezer anstelle von Stadionbrimborium für die Kleinstadtnachbarschaft entschieden hätten. Denn eben: das Händchen für Melodien hat das Quartett gepachtet, und soviel mutmaßliche Beiläufigkeit will erst einmal sorgfältig in nur zu gerne hakenschlagenden Kompositionen eingeflochten werden. Immer noch am besten nachzuhören auf dem direkten-Vorgänger ‚Let it Sway‚.

Die Unmittelbarkeit und auch Hitdichte des von Chris Walla so kongenial produzierten Schaffenszenit erreicht ‚Fly by Wire‚ trotz solch herzlicher Ohrwürmer wie dem flowerpowernden Dreampop-„Bah-Bah-Bah„-Singalong ‚Lucky Young‚, dem vorweggeschickten Fuzzrocker ‚Nightwater Girlfriend‚ mit seinem Disco-Finale und dem ska-angehauchten ‚Loretta‚ oder der schlichten Tatsache, dass keiner der sieben restlichen Songs eklatant besser oder weniger Single-geeignet wäre nie wirklich. Stattdessen setzen Someone Still Loves You Boris Yeltsin nach der mit der ‚Tape Club‚-Compilation eingeleiteten Zäsur, dem Ausstieg von Gründungsmitglied John Robert Cardwell und einer immens erfolgreichen Russland-Tour (auf der die Band unter anderem von Boris Jelzins persönlichem Übersetzter mit Wodka beschenkt worden war) auf einen sanften Neuanfang.

Im Keller von Gitarrist Will Knauer’s Eltern bastelte die Band in Eigenregie an ihrem bisher wahrscheinlich unscheinbarsten Album, einem, das erstmals ohne herausragende Einzelsongs ein konstantes Ganzes auffährt, probierte sich zudem an sanften Neujustierungen. Und dennoch: mag sich ‚Harrison Ford‚ nach seinem Piano-Intro auch noch so melancholisch in wohlig-weiche Electropop-Ansätzen betten, ‚Ms. Dot‚ mit einen beinahe Hip-Hop-tauglichen Rhythmus liebäugeln oder auch das glückliche ‚Young Presidents‚ eine markante Synthie-Linie forcieren, dazu ein allgegenwärtiger Schleier über dem Sound von vor allem Dickey’s Mikrofon zu liegen scheint und Cardwell dem Variantenreichtum des Gesangs deutlicher fehlt als dem (diesmal doch merklich klarer strukturierten) Songwriting an sich – letztendlich bleiben Someone Still Loves You Boris Yeltsin klar Someone Still Loves You Boris Yeltsin. Songs wie das in sehnsüchtigen Country zurückgelehnte ‚Cover All Sides‚, der in alle Windrichtungen treibende Titeltrack oder die berührende Ballade ‚Bright Leaves‚ funktionieren wie alte Bekannte.

Die knappe halbe Stunde Spielzeit erweist sich dabei als hart an der Grenze zur allzu beschnittenen Kompaktheit wandelnt, kostet ‚Fly by Wire‚ durchaus an Gewicht, forciert andererseits jedoch auch die Ausfallfreiheit der Platte. Womit der vierte Langspieler der Band abseits des Entstehungsortes und Produktionsweise zusätzliche Parallelen zum 2006er-Einstand ‚Broom‚ zulässt und sich darüber hinaus doch kaum wie der (objektiv betrachtet durchaus stattgefunden habende) Rückschritt nach ‚Let it Sway‚ anfühlt. Womit Someone Still Loves You Boris Yeltsin doch weitestmöglich alles richtig gemacht haben: der Abgang von Cardwell wurde überraschend souverän und beinahe nahtlos kaschiert, die besonnene Standpunktneuverortung mit dezenter Perspektivenanreicherung angeboten – und die wahrscheinlich grundsympathischste unscheinbare Indierockband ist man außerdem geblieben.

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