The Dillinger Escape Plan – One of Us is the Killer

von am 19. Mai 2013 in Album

The Dillinger Escape Plan – One of Us is the Killer

Das fünfte Dillinger Escape Plan-Album ist letztendlich in seiner Unberechenbarkeit über weite Strecken so berechenbar und auch überraschungsarm geworden, wie das die blauggepauste Single ‚Prancer‚ sowie eine an der Grenze zur Selbstparodie wandelnde Tracklist im Vorfeld vermuten lies. Einen Strick drehen sich die Amerikaner aus den erarbeiteten Alleinstellungsmerkmalen dennoch wieder nicht.

Das größte Problem von ‚One of Us is the Killer‚ ist bis zu einem gewissen Grad das selbe, dass Greg Puciato und Ben Weinman bereits auf dem tollen ‚Option Paralysis‚ hatten, und das Quintett hat es vor allem mit sich selbst: The Dillinger Escape Plan ist nach wie vor die vielleicht größte Macht im progressiven Mathcore – und muss sich deswegen immer noch und immer wieder am eigenen Schatten messen. Eben aus diesem Teufelskreis auszubrechen gelang nach dem epochalen Meisterwerk ‚Calculating Infinity‚ über die Geniestreiche ‚Miss Machine‚ und ‚Ire Works‚ triumphal: Ausnahmesänger Puciato brachte Melodien ein, die bis zur Hymnik greifen, konventionellere Songstrukturen sind seit gut einem Jahrzehnt ebenso möglich wie elektronische Wildwüchse, Zuckerbrot und Peitsche Pflicht. Seit ‚Option Paralysis‚ jedoch stagnieren die Amerikaner trotz allem in ihrer imposanten Entwicklung und richten jedweden Forscherdrang vor allem auf Details und Puciatos stetig voranschreitenden gesanglichen Feinschliff – freilich allesamt auf einsamen Niveau.

Auch ‚One of Us is the Killer‚ lebt wieder von atemberaubend fingerfertigen Mathcore-Wahnsinnstaten, blutüberströmt sprintenden Weimann-Riffs und atemlosen Griffbrettexplosionen, unzähligen Rhythmuswechseln und Tempo-Täuschungen. Hakenschläge stehen im Sekundentakt auf dem technisch fulminanten Labyrinth, an allen Ecken und Kanten präsentiert sich Puciato als formvollendeter Shouter zwischen betialischem Gekeife und ausladenden Rockmomenten: beinahe Patton’sche Versiertheit auch hier. The Dillinger Escape Plan beherrschen ihrem Wahnsinnszirkus mittlerweile derart blind und aus dem Effeff – niemand sonst inszeniert hysterisch um sich tretende Gitarrenarbeit und abgehackt krumme Rhythmen derart bedingungslos, niemand sonst beherrscht nonkonformes (wobei: trifft dies tatsächlich noch zu?) Chaos-Gefrickel mit Jazz-Core Tendenzen derart mühelos – zumal diesen technischen Wahnsinn eben auch kaum jemand abzuliefern vermag.
Um ungehört Vorhersagen zu können, dass es sich bei ‚CH 375 268 277 ARS‚ um den verspulten Instrumentaltrack der Platte handeln müsste braucht es dann mittlerweile allerdings eben auch keine übersinnlichen Fähigkeiten mehr – die konzentrierten Meshuggah-Inspiration des verspulten Instrumentaltracks überrascht dann aber doch.

Mögen The Dillinger Escape Plan vor allem in den ohrenscheinlich Keyboard-lastigstigen Momenten näher an die psychotischen Flächen von The Locust dran sein denn je und man in Songs wie ‚Crossburner‚ die neue Liebe zu „ruhigeren“, atmosphärischeren Song bedient, blickt ‚One of Us is the Killer‚ über weite Strecken trotzdem lieber als in die Zukunft zurück auf die Anfänge der Band: ein ‚When I Lost My Bet‚ verprügelt sein jazziges ‚Calculating Infinity‚-Schlagzeug stakkatohaft und holt bedrohliche Bass-Wellen ins Boot, ‚Paranoia Shields‚ ist trotz Lounge-Moment, Bläsern und Chor ebenso nah dran an der Jahrtausendwende. ‚Hero of the Soviet Union‚ klingt wie ein Überbleibsel von ‚Irony is a Dead Scene‚ während der Titelsong sich atmosphärerisch und ruhige zur Hymne mit fett walzendem Finale auftut und Puciato zwar als Sänger zu jedem Zeitpunkt weiterhin immer besser und variantenreicher wird, als Texter aber noch immer mit dem Vorschlaghammer zu arbeiten pflegt: „You smell like shit, not the truth/…/You are the scum of the earth/ You are the scum of the ocean„.

The Dillinger Escape Plan tun abseits der Lupe, was man dem Besetzungskarusell um Weinman bis 2007 wahrscheinlich nie zugetraut hätte: sie liefern weitestgehend ab, was man von ihnen erwartet. Die Extreme sind längst ausgelotet, die Luft in den bespielten Höhen seit jeher dünn: wohin, wenn man bereits ganz oben ist? Der Band dies zum Vorwurf zu machen (tut man ja bei ähnlich veranlagten Ergüssen auch nicht) wäre alleine angesichts der vorangegangenen Pioniertätigkeit ungerecht – aber auch aufgrund der hier aufgefahrenen elf neuen Stücke.
One of Us is the Killer‚ löst die Grundproblematik der Erwartungshaltung-Ausgangslage ähnlich souverän wie ‚Option Paralysis‚ und spult sein Höchtleistungssport-Programm nach kurzer Inkubationszeit abermals knapp über der reinen Pflichterfüllung ab: solange The Dillinger Escape Plan Songs schreiben, die nicht nur die Kinnlade hinabklappen lassen, sondern auch auf emotionaler Ebene als Ventil funktionieren, müssen sich Weinman und Co. gar nicht weiter mit ihrer Vergangenheit belasten. Das bisher schwächste Album der Band beweist derweil: derart frisch aufgewärmt servieren The Dillinger Escape Plan selbst ihr eigenes Erbrochenes noch mit Abstrichen als Königsmahlzeit des Genres. Eine neuerliche Initialzündung ist auf Sicht aber unabdingbar.

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