The Twilight Sad / Sereph [20.04.2012 PPC, Graz]

von am 22. April 2012 in Featured, Konzerte, Reviews

The Twilight Sad / Sereph [20.04.2012 PPC, Graz]

Noch druckvoller als auf Platte inszenieren The Twilight Sad im kleinen Rahmen ihren tanzbaren Melancholiereigen als Schnittstelle zwischen schottischer Kauzigkeit, ausladender Sigur Rós Ästhetik und energischem Postpunk Drive englischer Prägung.

Als James Graham den Beginn von ‚Cold Days From The Birdhouse‚ nur vor der geloopten Minimalfigur – also ohne der auf Platte vorhandenen Akkustigitarre – abseits der davor stattfindende Wall of Sound darbringt, ist das einer der wenigen Momente, den der wuchtige The Twilight Sad-Klang nutzt, um auszuatmen, sich etwas vom gleichförmigen Muster des Abends zu entfernen: Den im Ansatz versteckten Detailreichtum der Studioband The Twilight Sad haben diese auf Tour gegen eine nachdrückliche Dauerpräsenz an Energie eingetauscht, was der Band im Livegewand ebenso eine gewisse Monotonie verleiht, wie es die Kompaktheit steigert, den Auftritt noch kurzweiliger zusammenfasst.
Diese wenigen ruhigen Momente also, die nutzt das Publikum im hinteren Bereich der PPC Bar zum lauten Geschwätz und unterstreicht damit eine nicht nur in Graz verrohte Konzertkultur: Die Liveshow als Hintergrundsound für den unverfänglichen Kaffeeplausch. Dieser Unart spielt die den Andrang locker abdeckende Mini-Location zusätzlich in die Karten: Nur gut vier Fünftel der Veranstaltungsfläche sind ohne Drängeln gefüllt, vor der Bühne findet sich ein Respektsabstand zur Band.  Wenn ‚Cold Days From The Birdhouse‚ sich dann im weiteren Verlauf seiner ruhigen Anfangsphase entledigt, hilft da aber ohnedies nichts mehr – The Twilight Sad brechen aufs Neue über das Publikum her, überfluten den Raum mit ihrer wehklagenden Rhythmushatz und ersticken Gespräche im Keim.

Das stoisch gehetzte Schlagzeugspiel von Mark Devine prägt den Rahmen, die beiden Tourkollegen Johnny Docherty am tief brummenden Bass und Martin Doherty am Synthesizer füllen das restliche Korsett beinahe restlos. Der analog anachronistische Klang, welcher das aktuelle Albums ‚No One Can Ever Know‚ prägt, ordnet sich nun dem Gesamtkonzept unter, tatsächlich verschmelzen die sechs gespielten Songs des dritten Studioalbums sowie die jeweiligen Vertreter früherer Alben (‚That Summer, At Home I Had Become The Invisible Boy‚, ‚Cold Days From The Birdhouse‚ und ‚And She Would Darken The Memory‚ vom Debütalbum ‚Fourteen Autumns And Fifteen Winters‚ – ‚I Became a Prostitute‚ und ‚Reflection of the Television‚ von ‚Forget the Night Ahead‚ ) zu einer mitreißenden, in ihrer ausladenden Geste unheimlich kompakten Symbiose. Der mittlerweile vollends zu Charlie Bronsons kleinem Bruder avancierte Gitarrist Andy MacFarlane, schrubbelt dazu die Akkorde ungeachtet des Ausgangsmaterials zum Breitwandformat auf. Akzentträger Graham wirft sein Schottisch ohne Hemmungen in die Waagschale, tut dies wie in Trance, optisch nahe am blinden Seehund, der Männchen macht und sich auch ohne Mikro in die Songs seiner Band steigert, als gälte es eine Heilige Messe zu zelebrieren. Immer wieder taucht er in das klangliche Meer seiner Band unter, watet generell in der zweiten Reihe des flächigen Synthie und Gitarrensound. Der Eindruck drängt sich förmlich auf: The Twilight Sad sind Live einfach kompakter, zielstrebiger und noch konsequenter mit dem Fokus, als auf Platte.

Weniger kompakt als Eröffnung übrigens der Support, Sereph aus Graz, die ihre technisch versierte Mischung aus zackigem Indierock und gediegener Elektronik gerne mal über mehrere Ecken jagen. Auch, wenn die Texte gelegentlich direkt aus dem 1980er Handbuch für dunkle Robert Smith Plattitüden entnommen zu sein scheinen, diese dezent neben den Tönen mit leidlich kaschiertem Akzent vorgetragen werden (deutschsprachiger Gesang als Ausweg?), die paar aus der Konserve kommenden Beats leider nicht so zwingend sind, wie das die Tanzbewegungen vom Schlagzeuger andeuten, wenn dieser Knöpfe dreht, statt zackige Rhythmen mit eleganten Verschleppungen zu verzieren und das manchmal gar etwas arg prätentiös wirkt: Das hat ein gesundes Fundament. Vor allem, wenn der so grübelnd dreinblickende New Romantic affine Gitarrist monoton tiefdringend am Mikro steht – und das mit melancholischem Ansatz eine interessante Mischung aus The Cooper Temple Clause, And Also the Trees und – natürlich – The Twilight Sad ergibt. Die sollte man spätestens für die Zeit am Radar behalten, wenn Sereph es verstanden haben, wirklich große Melodien in ihre detailliert ausgearbeiteten, versiert dargebotenen, groß angelegten Songs einzuflechten. Bis dahin zumindest schon einmal eine der vielversprechendsten jungen heimischen Bands. Das zu diesem Zeitpunkt noch in überschaubarer Anzahl erschienene Publikum dankt jedenfalls artig.

Aber die Verbindung zum Publikum will an diesem Abend ohnedies nur bedingt funktionieren. An The Twilight Sad liegt dies nicht, auch, wenn diese die Interaktion nicht unbedingt suchen: Nach den meisten Songs wird die Gitarre so lange weiter bearbeitet, bis der nächste beginnt, auf Applaus ist man nicht unbedingt angewiesen. Ein paar Danksagungen müssen genügen. Die Schotten spielen sich lieber in einen Rausch und gehen vollends in ihren Songs auf. Da passt es in letzter Konsequenz nur zu ideal, dass The Twilight Sad nach einer guten Stunde unter dem Lärm der rückgekoppelten Gitarre von der Bühne marschieren, Zugaben gibt es natürlich auch in Graz keine – obwohl die Setlist im direkten Vergleich zu den restlichen Terminen der Tour ohnedies gekürzt abgehakt wird. Verwechselt man die gebotene Kompaktheit gar mit einer dem kleinen Rahmen entsprechenden Gehetztheit?
Zurück bleibt jedenfalls eine leidlich enthusiastische Masse, die der Band ihre gerade Linie nicht streitig macht. Und die Erkenntnis, dass solch grandiose Nischensensationen wie The Twilight Sad in Graz offenbar nicht zum Massenandrang führen. Umso schöner natürlich, dass Indiepartment trotzdem immer wieder solche hochkarätigen Kleinode anlockt.

Die Setlist des Auftritts findet sich hier, auf den YouTube Channels von thatjokeisntfunny und apis38 dazu einige Mitschnitte des Konzertabends sowie Fotos auf dem Facebookauftritt von indiepartment.

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