Warpaint – Heads Up

von am 14. Oktober 2016 in Album

Warpaint – Heads Up

Die gute Nachricht vorweg: Die arg banal und uninspiriert daherkommende Tanzflächensingle New Song ist glücklicherweise absolut kein adäquater Gradmesser für Heads Up. Dennoch kann das dritte Album von Warpaint nicht das bisherige Qualitätsniveau der kalifornischen Ausnahmeband halten.

Eine der großen, subtilen Stärken von The Fool und dem selbstbetitelten Zweitwerk Warpaint war ja gar nicht so insgeheim ja der soghafte Spielfluss, in den sich die beiden Platten in fast schon hypnotisierender Schlüssigkeit entlang ihrer vor dem inneren Auge verschwimmenden Einzelteile spielten. Heads Up gelingt es nun lange Zeit nicht, diese rauschhafte, in sich geschlossene Gruppendynamik zu erzeugen – das Drittwerk des Quartetts muss sich erst aus dem kohärenten Stückwerk über eine fragmentarisch zusammengeschweißte Abfolge guter bis schwächelnder Songs aufeinander einspielen.

Gleich zu Beginn etwa kollidiert das eröffnende Trio miteinander, reibt seine jeweiligen Vorzüge an denen der Nachbarn auf: Der famose Opener Whiteout lässt sich in seinen gurgelnden Basslauf, das entspannt tänzelnde Schlagzeug und ätherisch funkelnde Gitarren fallen, klingt wie unter einem Schleier beschworen und setzt in Sachen Atmosphäre und Stimmung nahtlos die Stärken von Exquisite Corpse, The Fool und Warpaint fort, korrigiert die Facetten aber bereits deutlicher hin zur Elektronik; das nachfolgende By Your Side übernimmt diesen Ausblick, bremst den in die Wege geleiteten Strom jedoch unterkühlt aus, schnippelt und sucht, entpuppt sich als schöner Song mit Zug zum griffigen Refrain, der jedoch unkonzentriert abdriftet und irgendwann einfach endet; bevor New Song eben nur theoretisch alles richtig macht, mit seinem pumpenden Dancefloor-Beat, der infektiösen Mitsingmelodie und seinem gefälligen Ohrwurmrefrain.
Ein anbiedernder Hit sicherlich, dem man sich kaum entziehen kann – aber so seicht, leicht durchschaubar und banal austauschbar. Dass das ebenfalls Richtung Charts schielende So Good wie die gemäßigtere, besser in den Bandsound und das Gesamtfeeling eingefügte Annäherung an das selbe Grundprinzip anmutet, macht die Sache nur bedingt besser – selten waren Warpaint songwritertechnisch langweiliger. Und schwerer in die Gänge gekommen ist darüber hinaus eben auch noch keine Veröffentlichung der Band.

Schwer zu sagen, ob dieser Leistungsabfall mit den stilistischen Feinjustierungen und genreverschmelzenden Weiterentwicklungen zu tun hat, derer sich Heads Up bedient (weswegen es wohl auch zulässig wäre von Kinderkrankheiten oder Wachstumsschmerzen zu sprechen); den zahlreichen prägenden, so weit voneinander entfernten Nebenprojekten, denen alle Beteiligte seit Warpaint vor zwei Jahren nachgegangen sind; oder eben mit den markanten Umbrüchen im Entstehungsprozess: Warpaint haben sich für ihr drittes Studioalbum für eine Rückkehr zu Ur-Produzent Jake Bercovici entschieden, sind den Songwriting-Vorgang aber diesmal offener und individueller auf die einzelnen Mitglieder zugeschnitten angegangen.
Wo Schlagzeugerin Mozgawa aufgrund einer Fußverletzung beispielsweise lange Zeit nur mit einer Drummaschine komponieren konnte, und die Rhythmen der Platte so immer wieder gerne verspielter, exakter programmiert, leichtfüßiger und tanzbarer daherkommen, verschwimmen die reduzierter eingesetzten Gitarren oft zu weiten Teilen hinter den Synthieflächen. Nicht selten wirkt Heads Up dahinter allerdings so, als hätten Warpaint dabei auch den Zugang zu ihrer emotionalen Tiefgründigkeit ein wenig zu künstlich übermalen, als würde die forcierte Ästhetik die Substanz nicht mehr abschöpfen können.

Was insofern schade ist, als dass Warpaint – wenn sie sich denn in gewohnter Stärke dem Kern ihrer Klasse abschmeicheln und das Songwriting ausreifend fokussieren – auch auf Heads Up immer noch eine fesselnde Intensität und unvergleichliche Faszination entwickeln.
The Stall beschwört ein nautisches Flair, der Mitternachtsbass streunt durch einsame Gassen, sehnsüchtig und verletzlich, findet irgendwo ein jazziges Loungepiano. Don’t Wanna wiederum lässt alle Evolutionsideen der Platte großartig in einem narkotisierten Clubtrack kulminieren, intime Trance und verführerische Verfänglichkeit betören dann. Das anmutig-verspulte, ziellose Geplänkel von Don’t Let Go lässt die Platte durchatmen, bevor Heads Up sich ohnedies endlich doch noch im Einklang mit sich selbst wie auf Schienen der zweiten Hälfte zuwendet.
Zwar mag der Bruch zur Dr. Dre Reminiszenz Dre danach noch merkbar von statten gehen, der sich daraus entspannende, skelettierte R&B mit seinen unwirklich in den Refrain perlenden Gitarren und industriellen Beats ist dafür ein Traum, den sich The xx und Konsorten kaum schöner ausmalen könnten (sich aber wohl ein weniger abruptes Ende ausdenken würden). Der Titelsong mäandert erst wie im Delirium, ist dann aber ein herrlich schmissig und hüftbetont twistender Shake – endlich kurbelt die Band die Dynamik an, ohne sich dabei selbst zu opfern und verschiebt Rhythmen ebenso entspannt wie energisch. Above Control gibt sich dagegen nicht greifbar, frickelnd, zuckend, ist ein unbändiger Trademarksong für den homogenen Sound der Kombo – wendig und exakt, verzaubert, indem er immer wieder eine neue kleine Melodievariation aus der Hinterhand träufelt. Und die Kokal-Akustik-Gitarrenminiatur Today Dear lässt Heads Up unendlich melancholisch sogar als eine der unscheinbarsten, schönsten Warpaint-Nummern bisher verklingen.
Nur eben: Den Eindruck eines unaugegorenen, zu überhasteten Gesamtwerks kann das dritte Studioalbum zu diesem Zeitpunkt nicht mehr korrigieren. Aus einem „Don’t wanna define myself“ wird hier eben nur zu schnell ein „Don’t wanna defend myself“ – eventuell darf Heads Up ja rückblickend als das zwischen all seine Vorlieben zerrissene Übergangsalbum von Warpaint durchgehen.

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