Warpaint – Warpaint

von am 16. Januar 2014 in Album

Warpaint – Warpaint

Ganz so radial wie mancherorts weisgemacht wird sind die stilistischen Umbrüche beim lange herbeigesehnten Warpaint-Zweitwerk dann doch nicht. Dass das Viermädlhaus in den drei Jahren seit ‚The Fool‚ viel Hip Hop gehört und die Vorzüge der elektronischen Musik für sich entdeckt hat manifestiert sich vielmehr zwischen den Zeilen und im von Flood maßgeschneiderten elegant-unaufgeregten Klangraum der Platte.

Dass da diesmal immer wieder absurd anmutende Vergleiche zu The XX bemüht werden liegt vielleicht ja an Songs wie ‚Feeling Right‚ und der darin schwebenden, schwerelos im Halbdunkel oszillierenden Gitarre, wahrscheinlich aber vor allem an der generell gedämmten Stimmung. Auch weitere gängige Assoziationen wie Cocteau Twins, Beach House, PJ Harvey, Siouxsie and the Banshees oder gar Portishead scheinen immer nur für kurze Momente zu passen, aber es stimmt grundsätzlich schon: Warpaint emanzipieren sich auf ihrem zweiten Langspieler mit neuen Einflüssen abermals ein Stück vom John Frusciante-inspirierten Sound der Anfangsphase – weiter weg von Ataxia, ein bisschen näher hin zu Radiohead, wenn man die noch sphärischere, treibendere Herangehensweise der Band dahingehend interpretieren will – einen ansatzweise ähnlichen Weg sind auch Yeasayer zwischen Debütalbum und Zweitwerk gegangen.

Die LA-Girls wattieren ihren reduzierten Sound mit niemals greifbaren Elektro-Nebeln, verdichten aber vor allem bereits Vorhandenes und umtauchen damit geschickt die Stagnationsfalle. Durch den höheren Synthesizer-Gehalt in vage bleibenden, ständig morphenden Gebilden wie ‚Biggy‚ oder auch dem mysteriös am Dancfloor pumpende ‚Disco/Very‚ gewinnt ‚Warpaint‚ eine durchwegs gedämpfte, wave-lastige und beizeiten gar psychedelischere Postpunk-Würze ohne konkrete Form – genau genommen nutzen Emily Kokal, Theresa Wayman, Jenny Lee Lindberg und Stella Mozgawa die neue Liebe für Tasteninstrumente und flirrenden Laptop aber vor allem um die Räume die sich auf dem rockigeren ‚The Fool‚ noch zwischen den Kanten auftaten, mit einer dezenten, driftenden Schwerelosigkeit zu füllen, ohne dabei zu überkleistern, dass Warpaint-Songs immer noch primär verwunschene Gitarrensongs sind, fußend auf einer verwaschenen, aber unheimlich tighten Rhythmusgrundierung.

Und dass die Band auf Hip Hop steht (und Hip Hop Künstler auf Warpaint-Melodien), dafür hätte es gar nicht unbedingt nicht die nackt und abgedämpft im Vakuum hallende, gurgelnde Beatlastigkeit von ‚Hi‚ gebaucht – das weiß man spätestens seit ‚Beetles‚. Aber all diese erprobten Zutaten und neu gewichteten Facetten hinter dem Amalgam ‚Warpaint‚ verschwimmen nun ähnlich dem Albumcover noch nahtloser ineinander, überlappen sich, ergänzen ihre Attribute und runden die 52 Minuten zu einer regelrecht unrealen, ätherisch pulsierenden Reise zwischen anschmiegsamer Melancholie und halluzinierender Lichtscheuheit unter dem akustischen Meeresspiegel ab.

Warpaint‚ ist weitaus deutlicher ein „Album-Album“ geworden als ‚The Fool‚ – was der Platte zum Vor- wie auch Nachteil gereicht. Klassische Ausreißer in Form solcher Übersongs wie ‚The Undertow‚, ‚Warpaint‚, oder ‚Baby‚ (um genau zu sein dürfte hier auch die gesamte Trackliste des bis heute unerreichten EP-Einstands ‚Exquisite Corpse‚ aufgelistet werden) gibt es diesmal kaum. Es ist eher die unaufdringliche Einheit und die stille Summe der Momente die besticht, in die sich band und Hörer verlieren dürfen, auch wenn sich etwa ein ‚Love is to Die‚ unvermittelt in den Gehörgängen einnistet und Warpaint es sich zudem leisten können zwei ihrer stärksten Tracks (mit dem sich langsam aufbauenden Elektropluckern ‚Drive‚ und der ausladenden Klavierwehlage ‚Son‚) erst ganz am Ende aufzufahren.
Studioalbum Nummer Zwei ist damit ein durchwegs homogenes Individuum geworden, ein dynamisches und organisches Gesamtwerk, dessen beizeiten als Gleichförmigkeit aufzufassende Kohärenz (vor allem wenn am Stück konsumiert) ermüdend wirken kann, wie aber auch gleichzeitig essentieller Stützpfeiler der schlaftrunkenen Düster-Atmosphäre einer enorm detailreichen, stimmungsvollen und perfektionistisch durchgeplanten Platte im hypnotischen Halbdunkel geworden ist: oftmals scheint das alles beinahe zu ziellos und unverbindlich – aber gerade dadurch ein ziellos träumendes Mantra von betörender Schönheit das einem förmlich durch die Finger zu gleiten scheint.

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1 Trackback

  • Warpaint - Heads Up - HeavyPop.at - […] der großen, subtilen Stärken von The Fool und dem selbstbetitelten Zweitwerk Warpaint war ja gar nicht so insgeheim ja…

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