Weezer – Weezer (The White Album)

von am 6. April 2016 in Album

Weezer – Weezer (The White Album)

Wenn es eine der größten Sorgen des weißen Albums von Weezer ist, dass es den bisher genormten 7 Jahres-Abstand zum jeweiligen unbetitelten Farbvorgänger nicht einhalten konnte, muss das bedeuten, dass das Formtief von Rivers Cuomo endgültig durchtaucht ist: 10 cheesy-schmissige Ohrwürmer in knackigen 35 Minuten stellen als gelungenes Amalgam zwischen 90er Stärken und 2000er-Absichten den gewohnten Hit-Standard wieder her.

Bei so viel Kondition nach dem überraschend klasse auftrumpfenden ‚Everything Will Be Alright In The End‚ darf es sogar wieder das erste Konzeptalbum seit ‚Pinkerton‚ sein: Eine Strand-Platte rund um das Abhängen „around the Westside of Los Angeles, with people in Venice and Santa Monica, the beach, the Hare Krishnas, the Sikh on roller blades with the guitar and girls on Tinder within a 4 mile radius„; ein vor Feel-Good-Energie strotzender Sommernachtstraum, der gleich im Opener ‚California Kids‚ die Augen für die Fantasie schließt, eine sommerliche Hymne sondergleichen auspackt und die zwingenden Powerpop-Chords gleich mit. „It’s gonna be alright/ If you’re on a sinking ship/The California kids/ Will throw you a lifeline„.

Spätestens am anderen Ende dieser Reise wird diese perfekte Idylle am Meer jedoch zerbröckeln, wenn das aus der zurückgenommenen Akustiknummer in die Brandung eines elektrisierenden Rock-Crescendos explodierende ‚Endless Bummer‚ der Einsicht Platz einräumt: „My heart is so landlocked/ Nothing but tourist shops/It’s just like a curse, you see/This bummed out feeling that she’s over me/…/Kumbaya makes me get violent/I just want this summer to end“ singt Cuomo selbstzweifelnd wie in seinen besten Jahren, stellt die schüchterne Naivität der ersten Weezer-Jahre bestmöglich nach: Aus der Euphorie ist dann plötzlich bittersüße Realität geworden und der 45 Jährige Peter Pan des College Rock näher dran an der doppelbödigen Nostalgie von Brian Wilson und den Beach Boys, als beinahe alles, was er seit dem blauen Album fabriziert hat.
Denn so amüsant, unterhaltsam und – vor allem in den drei regelrecht absurden „Girl“-Songs – komisch ‚Weezer (The White Album)‚ sein kann, liegt eine Qualität  der Platte darin auch durchaus Raum für dunkle Seiten zu schaffen. Etwa wenn Cuomo ‚Do You Wanna Get High? als „a really yucky and intentionally uncomfortable portrayal of the addict’s life. There’s nothing sexy, fun or funny about it“ beschreibt und seine Band so herrlich unbeschwert heavy gen ‚Malatroid‚ und ‚Pinkerton‚ riffen lässt, den Synthie vor der heulenden Gitarre leuchten lässt und dann doch beim  mehrstimmigen Harmoniegesang landet. Dennoch: Mehr als alles andere ist ‚Weezer (The White Album)‚ eine Platte, die unkompliziert derart viel Spaß macht, dass es einem nahe an der angestammten Bandbasis erbaut das glückselige Lächeln ins Gesicht zaubert. Und darüber hinaus vielleicht sogar das unbedingte Pop-Werk darstellt, das bereits ‚Raditude‚ oder ‚Make Belive‚ hätten sein sollen, sicher aber der nächstmögliche Anknüpfungspunkt an ‚Weezer (The Green Album)‚.

Genau dort liegt nämlich beispielsweise die Essenz des unerbittlich eingängigen ‚L.A. Girlz‚ verankert, auch ‚King of the World‚ hofiert diese unmittelbare Zugänglichkeit aus charmanter Pseudo-Nerd-Geste und breitbeinig durchlaufender Arenatauglichkeit. ‚(Girl We Got A) Good Thing‚ springt dagegen mit Schellenkranz über den blauen 50s-Strand, bevor der fröhliche Singalong von Jake Sinclair mit fett inszenierter, sauber am Beat ausgeleuchteter Produktion (die bei aller Sauberkeit jedoch perfekt sitzt, weil hier alles druckvoll an seinem Platz pumpen darf, dabei aber fettfrei dynamisch wirkt) zum stampfen gebracht und sich irgendwann schon mal im Classic Rock austoben darf, während ‚Summer Elaine and Drunk Dori‚ mit weniger simpel pfeifendem Gemüt dann wieder eher ‚Pinkerton‚ stattfinden hätte können.
Seit ‚Everything Will Be Allright in the End‚ haben sich Weezer eben wieder furios auf ihre Vorzüge fokussiert. Es ist aber auch ein Knackpunkt, dass auf ‚Weezer (The White Album)‚ im Gegensatz zum roten Album, zu ‚Raditude‚ und ‚Hurley‚ selbst die an sich weniger smart anmutenden Ideen und Spinnereien aufgehen. Das flapsig zwischen Ben Folds-Pianostomper und Kanye-Hochglanz-Hip Hop-Groove nach vorne gehende ‚Wind in Our Sails‚ zündet etwa geradezu entwaffnend simpel mit seiner unbeschwerten Leichtigkeit und Lebensfreude ohne allzu flach zu werden; das polarisierende ‚Jacked Up‚ balanciert dagegen mit fistelnder Kopfstimme und Revue-Klavier dem zirkushaften Manegenpop von Sinclairs alten Kumpanen (und Weezer’s aktuellen Tourbuddies) von Panic! at the Disco entgegen, konterkariert das fröhlich-devote Lovesong-Treiben aber geschickt mit Tränen in den Beziehungsaugen („Oh, why, why, why do my flowers always die?“), während das mit einem rappenden Cuomo vorstellig werdende ‚Thank God for Girls‚ spätestens dann funktioniert, wenn Weezer eben wieder einen dieser infektiösem Killer-Refrain sondergleichen auspacken.

Stichwort Hit: Jeder einzelne Song nistet sich sofort und hartnäckig in den Gehörgängen ein (den fünf bereits ausgekoppelten Singles könnten gut und gerne noch ebenso viele weitere folgen), hat aber genug kleine Ideen um sich nicht gar zu schnell abzunutzen – hier mal ein verschleppter Rhythmuswechsel, dort eine knackige Wendung vor dem sich in Wehmut auflösend gniddelnden Solo.
Jedoch funktioniert ‚Weezer (The White Album)‚ trotz seiner individuellen Glanzlichter noch besser am Stück konsumiert, als in seine catchy, latentes Suchtpotential entfaltende Ohrwurm-Einzelteile zerlegt. Weil sich so die bittersüß maßgeschneiderte, verquer-unerfüllte Vorschlaghammer-Schrullo-Romantik der Platte am kohärentesten entfaltet. Und gerade diese in sich geschlossene, auch ausfallfreie Stimmung ist es dann auch, die ‚Weezer (The White Album)‚ dezent über ‚Everything Will Be Alright in the End‚ hebt; die Albernheiten genießen und die melancholischen Anflüge nicht als Marketinggag wahrnehmen lässt. Fettere Riffs mag Cuomo bereits geschrieben haben, eine derartige Dichte an zündenden Melodien…
…nun, die Phrase vom „besten Studioalbum seit…“ kann man sich allerspätestens jetzt und bis auf weiteres wohl entgültig sparen. Denn Weezer scheinen anhand einer absolut vorzüglichen Sommerplatte wieder am Fließband abzuliefern, was sie am besten können: Nostalgisch unterhaltende Powerpop-Rock-Hits, die man nicht zerdenken muss, den man unbeschwert genießen kann. Da weiß nicht zuletzt auch Cuomo selbst, dass die Richtung endgültig wieder stimmt, wenn er aus der Vergangenheit lernt, um optimistisch in die Zukunft zu blicken: „We’re gonna save the last dog on Funk Island/ We’re had to do it wrong before we could do it right/…/ We got the wind in our sail/ And we can do so many great things together, together„.

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