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Das grundsätzlich interessante Gesamtkonzept hinter 'Scratch My Back' und 'And I'll Scratch Yours' ist ein wenig in die Hose gegangen. Erst entpuppten sich Gabriels Interpretationen fremder Songs als wenig überzeugend - und ganze zwei Jahre später hängt der oftmals verschobene Gegenpol dazu ähnlich bedeutungslos in der Luft.
So viele tolle Alben, so wenig Platz: wie auch die EP-Sektion hätten die Honorable Mentions 2023 aus allen Nähten platzen können - bleiben aber dann doch auch weiterhin rigoros auf 15 Nennungen von Lieblingsalben abseits der regulären Top 50 beschränkt.
Nigel Godrich hilft Arcade Fire dabei, nach dem erschreckend blassen Everything Now die ästhetische Balance wiederzufinden und damit zurück in die Spur zu kommen. Das ist sehr erfreulich - aber leider (noch) kein Grund zur bedingungslosen Euphorie.
AFI haben Blaqk Audio, Death Cab for Cutie The Postal Service, die Deftones Crosses und Greg Puciato (neben mittlerweile auch seiner Solokarriere) The Black Queen: Synthpop-Nebenprojekte. Coheed and Cambria-Boss Claudio Sanchez dachte, als er mit The City Introvert sein alter Ego The Prize Fighter Inferno wiederbelebte, aber in erster Linie wohl an The Weeknd oder Chvrches.
Ryley Walker zelebriert auf Course in Fable ein neues Selbstbewusstsein - vor allem als Sänger, aber auch als Leithammel einer progressiv eingestellten 70s-Folk-Gang jenseits der offenkundigen Einflüsse.
Die Mystery Jets schicken ihrem aktuellen Studioalbum A Billion Heartbeats aus der Heimquarantäne Home Protests hintennach: Neun unspektakulär gut gelungene Coversongs mit entspanntem Revoluzzertum im Blut.
Ein Vierteljahrhundert nach ihrer Gründung erfinden sich die Veteranen von Low unter tatkräftiger Unterstützung von Produzent BJ Burton als Ghost in the Machine ein gutes Stück weit neu und werfen den Slowcore/Dreampop von Double Negative dem vereinnahmenden elektronischen Fleischwolf vor. Do Androids Dream of Electric Sheep?
Conrad Keely nutzt die Zeit ohne ...And You Will Know und by the Trail of Dead, um Eindrücke seines rastlosen Nomadenlebens als erstes Soloalbum zu vertonen. 'Original Machines' verschweißt dem folgend ein versprengt zusammengewürfeltes Songsammelsurium - ganz im Sinne Robert Pollards -, indem es die stilistischen Grenzgebiete rund um den Kosmos von Keely's Stammband erkundet.
Brandon Flowers gelingt auf seinem zweite Soloalbum, woran er auf den letzten beiden Killers-Platten und vor allem auch dem immens halbgar dümpelnden 'Flamingo' noch gescheitert war: Ohne jedwede Scham knietief in allen Geschmacklosigkeiten der 1980er zu baden, ohne dabei abzusaufen.
"They changed my purpose" singt ein melancholischer Mangan gleich im eröffnenden 'Offred', vor geloopten Soundchleifen und knisternder Elektronik, einem verträumt torkelnden Analog-R&B-Rhythmus und perlenden Gitarren, die sonst nur Vondelpark mit einer derart wunderbar schimmernden Unterwasser-Ästhetik von Radiohead adaptiert haben: 'Club Meds' nicht als Soloalbum des einstigen (?) Vorzeige-Neo-Folkis aus Kanada firmieren zu lassen, sondern seine Band mit aufs Cover zu holen, ist tatsächlich kein Lippenbekenntnis, sondern nur die Spitze eines stilistischen Paradigmenwechsels.