Absent in Body – Plague God

von am 16. April 2022 in Album

Absent in Body – Plague God

Die aus Neurosis-Gitarrist Scott Kelly, dem Church of Ra bzw. Amenra-Doppel Mathieu Vandekerckhove (guitar, electronics) und Colin H. Van Eeckhout (vocals, bass) sowie mittlerweile auch Igor Cavalera (drums, percussion) zusammengesetzte Allstar-Kombo Absent in Body legt mit Plague God nach langer Wartezeit endlich ihr Debütalbum vor.

Dass der ehemalige Sepultura-Schlagwerker Cavalera seit 2021 Teil der Band ist, scheint Absent in Body fünf Jahre nach dem ersten Lebenszeichen nicht nur die nötigen Impulse gegeben zu haben, um endlich handfestes Material abzuliefern – es ergibt angesichts der elektronisch interessierten Ausflüge, die der Brasilianer in der jüngsten Vergangenheit immer wieder demonstrierte, auch stilistisch absolut Sinn für die ästhetische Ausrichtung der Gruppe.
Plague God beginnt schon in Rise from Ruins als Dark Ambient Noise, der pulsierend in den Post Metal wächst und seine gruselig flüsternden Texturen um den wuchtig aufplatzenden atmosphärischen Sludge windet. Getragen und heavy ist das eine böse, nihilistische und bedrohlich-beklemmende Stimmung, die verstörend zu massiv-monolithischen Riff-Salven faucht. Irgendwann kehren Absent in Body ein, brüllen als manischer Screamo zu ausgemergeltem Zeitlupen-Drone Metal, schwingen sich hinten raus im dystopischen Breitband auf und ballern im Slo-Mo stoischer Schübe.

Noch besser und charakteristischer ist In Spirit in Spite, das wie eine Industrial-Fabrik klingt, in der Die Eier von Satan kein Kochrezept preisgeben, sondern ein von Säure zerfressenes Geschwür pflegen. Entmenschlichtes Gebrüll  fährt dämonisch in die maschinelle Systematik, wenn sich die hypnotische Repetition der Gitarren in einen Schwall aus monolithischen Riffs erbricht, und Plague God seinen allgemeinen Menschenhass über ein kontinuierlich in die Finsternis führendes Laufband schiebt.
Der Spannungsbogen und die Songkonstruktion ist auf ungemütliche Weise grandios, wenn das Szenario seine slappenden Godflesh-Tendenzen zu einer kargen Rezitation lenkt. Die systematische Rhythmussektion arbeitet unbeirrt postapokalyptisch weiter, die Gitarren bringen melancholische Klarheit, so traurig und nachdenklich, während Van Eeckhout den Spoken Word dort weiterdenkt, wo die aktuelle(n) AmenraInkarnation(en) aufhörten.
Soweit ist Plague God dann auch wirklich der Triumphzug, den man sich angesichts der beteiligten Namen erhoffen durfte – nur können Absent in Body das Niveau in weiterer Folge (und gerade mit dem Blick auf das große Ganze) nicht ganz halten.

Vor allem das Herzstück Sarin gerät zum ernüchternden Standard, der sich im Grunde darauf reduzieren lässt, eine Schnittmenge der stilistischen Eckpunkte mit solider Kompetenz zu bedienen. Ein (zu kurzer, die beklemmende Aura der Platte nicht anzapfender) Schwachpunkt, der am wenigsten ambitioniert eine gleichförmige Monotonie dekliniert, die wenig zu entdecken lässt, simpel und eindimensional, aber nicht wirklich schlecht agiert.
Bei The Acres/The Ache liegt die Achillesferse dagegen im Detail. Die grandiose Nummer skizziert erst Stammesrhythmen, leitet dann zu einer doomigen Meditation, deren sägende Wogen sich für eine nachdenkliche Kontemplation lichten, in der melodischer Klargesang ätherisch träumt, wie von Beats angeknabbert, die Sweet Trip auf die bestialische Walze setzen. Nur ist das Stück trotz achteinhalb Minuten einfach viel zu abrupt aus, blendet plötzlich ab und reißt aus dem Fluß.
Überhaupt ist es unendlich schade, dass es fünf homogenen Stücke im Grunde eine Kaskade aus Einzelsongs bleiben und nicht unbedingt mehr als die Summe ihrer Teile ergeben – obwohl die Ausstrahlung und Tiefenwirkung der Platte eine enorme Gravität entwickelt. Zumal das grimmige Destillat The Half Rising Man brütend in die harsche Konsequenz intensiviert, alle Trademarks des so songdienlich für die Gemeinschaft spielenden Quartetts zu einem Konzentrat verdichtet, kompositorisch jedoch auf keinen Klimax bedacht ist, sondern als reine Stimmungsmühle zu zwanglos entlässt und nicht zum Kern findend symptomatisch unbefriedigend entlässt: Nach 36 Minuten fühlt sich Plague God wie eine nicht erfüllende Sammlung von teils grandiosen, teils nur vielversprechenden Segmenten und Teasern einer Ausnahmegruppe an.

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