AFI – AFI (The Blood Album)

von am 25. Januar 2017 in Album

AFI – AFI (The Blood Album)

Dass AFI ihr zehntes Studioalbum (wie bereits die gleichnamige und ungebilligte 2014er-Best of-Compilation) nach sich selbst benannt und dazu offiziell mit (The Blood Album) untertitelt haben, macht durchaus Sinn: Davoy Havok und Co. haben sich hier eine alternative Retrospektive durch alle Bandphasen gezüchtet, die zumindest oberflächlich die Quadratur des Kreises suggeriert.

Und damit ein gravierendes Problem der Markenband zu beheben versucht: Die verschiedenen Stadien der AFI-Geschichte spalten ja längst ein Gros der Fanbasis – kaum jemand kann schließlich zu gleichen Teilen etwas mit der Hardcore-punkigen Frühphase, der kajalgefärbt zwischen Emo und Punkrock wütenden Ära rund um die Jahrtausendwende (bis hin zum progressiven Meisterwerk [amazon_link id=“B00008GQVU“ target=“_blank“ ]Sing the Sorrow[/amazon_link]) sowie vor allem der so polarisierenden näheren Zeitrechnung anfangen, in der eine stylish zurechtgeschneiderte Goth-Stadion-Alternative Rock-Affinität das Auftreten  des Quartetts bestimmt.
Nachdem das dunkle Burials es nach zwei schwächelnden Platten 2013 durchaus verstand mit dieser Phase auszusöhnen, setzten AFI den Hebel nun bei einer ganzheitlichen Lösung an: The Blood Album ist sich seiner ambivalenten Abstammung bewusst und versucht dennoch es jeder Fraktion rechtzumachen, vermengt Zutaten aller Entwicklungsetappen und bietet sich als kompromissbereite Werkschau mit potentem Originalmaterial an. Eine ambivalente Veranlagung: Als eierlegende Wollmilchsau der AFI-Discografie überrascht The Blood Album mit seiner durchaus homogenen Spannweite, funktioniert aber letztendlich eher oberflächlich als selbstreferentieller Streifzug mit schwankender Qualität.

Der schwerfällig kriechende Synthierock-Opener Dark Snow knüpft dabei gleichermaßen bei Burials an, wie er für den abermals in Hochform agierenden Havok die Perspektive vom letztjährigen dritten Blaqk Audio-Album [amazon_link id=“B01BYC97XS“ target=“_blank“ ]Material[/amazon_link] aus den 80ern zur Hauptband des Frontmannes holt – und sich wie die weniger gelungenen Phasen des Albums eher auf den dicht gestrickten Sound, die erzeugte Stimmung und Atmosphäre verlässt, als dass die Band die PS ihres Songwriting auf den Boden bringt.
Above the Bridge plätschert etwa trotz suggeriertem Druck und weitem New Wave-Sound enorm unspannend rockend vor sich her, Get Hurt kann seine an sich gute Grundidee nur seltsam lahmend und unlebendig umsetzen – findet aber zumindest ein fetziges Stadion-Solo in der generischen Beliebigkeit.
Dass es dabei kein grundsätzliches Problem sein muss, wenn AFI weiterhin zu nahe an den Ausläufern von [amazon_link id=“B000FL88EE“ target=“_blank“ ]Decemberunderground[/amazon_link] und [amazon_link id=“B002LFAHDW“ target=“_blank“ ]Crash Love[/amazon_link] arbeiten, zeigen dagegen zwar schon Aurelia (eine schöne, sehnsüchtige Rock-Elegie mit anschmiegsam-theatralischer Geste) und die beiden Vorzeigehits Still a Stranger (mit akustischer Gitarre unterfüttert zieht die Band locker zur Schmissigkeit) sowie Hidden Knives mit seiner feinen Leadgitarre – vor allem nachdem das Quartett sich aber mit dem erstaunlich zackigen Roots-Punkrocker So Beneath You immer weiter aus der jüngeren Vergangenheit zu verabschieden beginnt, läuft The Blood Album zu seinen stärksten Augenblicken auf.

Da gibt es in der zweiten Plattenhälfte dann durchaus Szenen die klingen, als hätten AFI Überbleibsel von Sing the Sorrow in die Arena gehievt (Snow Cats), Fundstücke von The Art of Drowning energiegeladen neu eingespielt (Dumb Kids) oder eben die typisch großen, dramatischen Trademark-Gesten mit so knackigen Riffkaskaden garniert, wie seit Jahren nicht (Pink Eyes) – bevor der Band hinten raus doch noch ein wenig die Puste ausgeht. Die in Richtung The Cure mäandernde Postpunk-Fingerübung Feed from the Floor hinterlässt etwa ebenso wenig nachhaltigen Eindruck wie das mit angezogener Handbremse belanglos in die Langeweile dümpelnde Trio aus White Offerings, She Speaks the Language und dem banalen Pathosschmalz-Abschied The Wind That Carries Me Away – allesamt eher zuverlässige Autopilot-Exkursionen ohne funkensprühende Inspiration.
Dennoch entlassen Havok, Carson, Burgan und Puget selbst auf diesem relativen Tiefpunkt ohne ärgerlichen Beigeschmack. Denn auch wenn AFI  ihre Kompositionen vor allem hier zu sicher und mutlos nach Hause spielen, sie stets ein wenig zu glatt produziert gefahrlos an die wenig anspruchsvolle Massentauglichkeit anpassen, zieht diese selbstbetitelte Routinearbeit entlang seiner Highlights auch die schwächeren Nummern der Platte im stimmigen Kontext und runden Fluss schlimmstenfalls nebenbei laufend anstandslos mit. The Blood Album ist damit sicherlich kein spannendes, mutiges oder forderndes Werk geworden – aber ein rundum solide seine Stärken abrufendes Entgegenkommen, das sich guten Gewissens auf die Treue rekrutierter Fanschichten verlassen kann.

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2 Trackbacks

  • Dreamcar - Dreamcar - HeavyPop.at - […] dessen Spurenelemente sich dafür aber zuletzt wieder verstärkt in den Keyboard-Texturen von AFI (The Blood Album) finden ließen. Da…
  • AFI - The Missing Man - HeavyPop.at - […] kann die 16 Minuten der versammelten 5 Songs dabei wohl durchaus als erfrischende Reaktion auf das Blood Album aus…

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