Black Mountain – IV

von am 3. April 2016 in Album

Black Mountain – IV

Die knapp sechs Jahre seit ‚Wilderness Heart‚ sind selbst für eine derart anachronistische Retrofuturisten wie Black Mountain eine lange Zeit, erscheinen aber anhand des praktikabel betitelten ‚IV‚ nun wie ein zwangsläufig notwendiger Abstand zur bisherigen Discographie des kanadischen Kollektivs: Weiter draußen hat der psychedelische 70s-Rock des Quintetts bei aller seit jeher zelebrierten Freiheitsliebe bisher noch nicht stattgefunden.

Die kompakt-knackige Poppigkeit des schmissigen ‚Wilderness Heart‚ erscheint da nur noch wie eine vage Erinnerung, von der höchstens die Leichtgängigkeit geblieben ist. Doch auch die epische Größe der beiden überragenden Werke ‚Black Mountain‚ und ‚In The Future‚ betrachtet die Band aus Vancouver im Jahr 2016 lieber aus dem Orbit. Der Prog-Opener-Brocken ‚Mothers Of The Sun‚ zeichnet da den Perspektivenwechsel gleich eingangs vor: Zwar köchelt da unmittelbar ein feistes Riff auf, doch entpuppt sich dieses schnell als falsche Fährte. Black Mountain entziehen dem Song alles wuchtige, bis Amy Webber nur noch vor einem einzelnen, monotonen Keyboardakkord und einer Lavalampen-Orgel-Fläche steht, Stephen McBean beharrlich und sanftmütig in den Wechselgesang gezogen wird, bevor nach knapp 4 Minuten die wiedererweckten Gitarren einen stoischen Rock-Groove beschwören und das Solo zwar enthusiastisch streunen darf, aber mit viel Soul und Handclaps bald eingefangen wird.

Schon nach knapp neun Minuten ist da klar, dass Gitarren im Universum von Black Mountain zwar immer noch eine Rolle spielen, aber nicht mehr als monolithisch überrollender Kraftakt, nicht mehr als zentrales Leitbild und fette Sabbath-Riffs nicht mehr so dominant das hippieske Fleetwood Mac-Folk-Vintage-Soundbild prägen. Die Gewichtung der Instrumentierung hat nicht die Persönlichkeit der Band verändert, aber ihr Erscheinungsbild: Weniger Heavyness erlaubt es, dass neongrell schimmernde, wabbernde Retro-Synthies in allen Variationen in den Vordergrund treten und das Erscheinen von ‚IV‚ nun bisher kosmischten, dazu wohl auch breitgefächertsten, experimentellsten und wagemutigsten Album der Kanadier auflockern.
Vom die Zügel enger ziehenden ‚Florian Saucer Attack‚, das straighten 80s-Pop mit launigem Queen of the Stone Age-Robotrock und Jefferson Airplane mit Spaceship-Feeling am substanzarmen Highway unter dem Zepter einer großartig prominenten Amy Webber zusammenbringt, bis hin zum hypnotisierend-entspannt fließenden ‚Defector‚, das in etwa so klingt, als wäre ‚Reflektor‚ von den Flaming Lips in eine softe Hardrock-Rakete voller Watte verpflanzt worden, ist es demnach ein kurzer Flug – und nur ein ausschnitthaftes Spektrum der Spannweite, die ‚IV‚ unter der Regie von Produzentengenie Randall Dunn kohärent vermisst.

Das zerfahrene ‚You Can Dream‚ leiht sich die maschinell arbeitende Industrial-Gangart der Drummaschine von Suicide und füllt den warmen Korpus mit trippigen Effekten, elektronischem Fiepen und ziellosen dröhnenden Earth-Gitarren im Desert-Weltraum auf.  Der Song verharrt in sich, hat unter der kühlen Oberfläche viel Druck köcheln und öffnet sich inmitten seines Korsetts einer erstaunlichen klanglichen Breite, ohne jedoch wirklich Klarheit über seine Ambitionen zu verschaffen: Ein durchaus frustrierendes Mysterium, das wie vieles auf ‚IV‚ nur im großen Kontext funktioniert. Die abgehangene Coolness des uninspirierten Cowbell-Rockers ‚Constellations‚ hätte auf den Vorgängern zudem höchstens Beiwerk-Charakter geboten, hier treibt er die allgemeine Dynamik entlang einer stur abgehakt den Kopf nicken lassenden Rhythmussektion aber durchaus verdichtend nach vorne. Und leitet nach kurzer Schwächephase auch das überragende Schlussdrittel von ‚IV‚ ein, ein Prunkstück in Sachen halluzinogenem Space-Psychedelik-Rock, das gerade deswegen so gut ist, weil es handfesten Rock ala ‚Constellations‚ ausklammert

Das zurückgenommene ‚Line Them All Up‚ beginnt am Lagerfeuer als betörend schwelgender Americana-Folk mit Akustikgitarre und Chor aus der Steckdose, öffnet sich bald einem geschmackvoll bescheiden gehaltenen Breitwandszenario mit Bläsern und Streichern, zelebriert aber doch nur die intime Geste. Vor allem wird spätestens hier klar, dass ‚IV‚ die Sternstunde der Amy Webber ist, mehr noch als das Podest für Tastenmann Jeremy Schmidt.
Daran ändert auch nichts, dass Stephen McBean den federleichten Pop anhand der nonchalanten Handgelenk-Maßfertigung ‚Cemetery Breeding‚ zur morbide-romantischen Chefsache erklärt und einen charismatischen Ohrwurm abliefert: Black Mountain treiben in den finalen Ausläufern von ‚IV‚ mit geschlossenen Augen aus der Umlaufbahn.
(Over And Over) The Chain‚ ist eine esoterisch schimmernder Ambient-Landschaft, das langsam ein monströses Riff in der unwirklichen Welt aufbaut. Im Fokus steht dann aber doch die gefangen nehmende Perkussion und die einschwörende Mantra-Gemeinschaft Black Mountain im Mittelpunkt eines butterweichen Jam-Sogs. Der Ausbruch in der agressionsfreien Selbstgeißelung ‚Crucify Me‚ bleibt dann nur wiederholte Andeutung, bevor das überragende Quasi-Pink Floyd-Tribut ‚Space to Bakersfield‚ in beruhigender Körperlosigkeit alle Leinen kappt und in sphärischer Schönheit verglüht – eine beruhigende Versöhnlichkeit, die da in der finalen Unschärfestellung des Bandfokus steckt und ‚IV‚ im besten Sinne spektakulär unspektakulär ausklingen lässt.
Die gigantischen Knockout-Momente finden sich somit zwar weiterhin eher auf ‚Black Mountain‚ und ‚In the Future‚, trotzdem ist ‚IV‚ mehr als nur eine Annäherung an die alte Form. Weil es den Aktionsradius der Band ungeachtet einiger Unausgegorenheiten facettenreich erweitert, dabei neben wenig Schatten vor allem für zahlreiche Sternstunden sorgt und den Ausnahmestatus von Black Mountain damit geradezu mühelos unterstreicht.

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