Bölzer – Hero

von am 21. November 2016 in Album, Heavy Rotation

Bölzer – Hero

Dass Bölzer die durch Soma (2014) und vor allem Aura (2013) hochgetriebenen Erwartungshaltungen auf ihr Debütalbum stemmen, liegt zu einem Gutteil auch daran, dass sie mit diesen genüsslich brechen. Hero hat auch deswegen das Zeug zum konsenstauglichen Metal, believe the Hype!

Die Feinjustierungen, die das Duo aus Zürich an seinem Sound vorgenommen hat, durchziehen Hero eklatant. Weniger rauh produziert, fetter und auch ein wenig sauberer ausgeleuchtet klingt die Schnittmenge aus knüppeldickem Death- und nach vorne ziehendem Black Metal nun. Vielleicht sogar eine Spur konventioneller, sicher aber auf eine breitere Basis gestellt: Spuren, die von der brodelnden Doom-DNA bis zum Crust-Versatzstück reichen, durchziehen Hero, variieren die drückende Härte der (neben den vielversprechenden Celestial Grave derzeit eventuell) größten Iron Bonehead-Wertanlage noch einmal facettenreicher, als auf den beiden vorauseilenden Killer-EPs.
Das kann auf den ersten Blick durchaus so wirken, als hätten Bölzer sich mit noch mehr direkter Power unter der Haube einiger Alleinstellungsmerkmale und überragender Trademarks beraubt, doch gibt das Duo Hero so auch kompositorisch Raum um zu atmen und zu wachsen. Raum, den vor allem KzR nützt und sein Repertoire neben den bekannten Stilen eindrucksvoll erweitert. Der Gesang des Gitarristen kippt immer öfter in klare, fast schon pathetisch beschwörende Gefilde und forciert das melodische Moment in den Songs demonstrativ, wechselt mühelos vom bedrohlichen Growlen zum Lemmy‚esk gepressten heiserem Rock’n’Roll, verändert Stimmlage und Ausdruck nach Belieben und schärft damit die generell so wandelbare Gangart der Platte, die im Sturm nimmt.
Bölzer agieren auf Hero also nicht weniger mächtig (vor allem in Anbetracht, dass nur zwei Typen diesen Sound stemmen), vielschichtig, gefinkelt, kompromisslos und drückend als bisher, aber eben in Summe doch deutlich zugänglicher, physischer und weniger auf die Transzendenz bedacht.

Typisch Bölzer – nun aber auf dem Silvertablett, wenn man so will. Nach dem sinister pfeifenden Ambient-Intro Urdr machen es die Schweizer gleich eingangs deswegen auch nicht unter potentiellen Hits (…), holen alle an Bord, die noch nicht angefixt sind. Mit ordentlich Wucht poltert The Archer los, legt einen unglaublich hymnisch aufmachenden, so infektiösen Refrain über den tackernden Unterbau. Rasenden Gitarrenlinien legen sich unmittelbar in weite Spannungsbögen, funkeln shoegazend und röhren plötzlich bestialisch rockend. KzR röchelt, schwelgt, beißt, keift – das Spektrum ist so variabel wie homogen, die Drumarbeit kurbelt dahinter ohne Unterlass. Kraftvoll und energiegeladen, infernal und catchy haben Bölzer da einen schmissig galoppierenden Ohrwurm aus dem Black Metal gezogen, der sich mit großer Geste auflehnt.
Der Titelsong sprintet danach unmittelbar mit Blastbeats noch weiter hinein in den Hexenwald, bremst sich jedoch für einen sakralen-galligen Chorus samt hartnäckigem Brachialreim aus. Wie viele Wendungen diese Leviathan von einem Song dabei durchmacht, kann man dabei in ersten Moment durchaus übersehen – derart nahtlos assimilieren Bölzer neue Tugenden in ihr so vielseitig zündendes Amalgam, agieren trotzdem merkbar straighter und schärfen die Prägnanz ihres Songwritings durch die allgemein kürzere Songlängen.

Der Rest gleicht einem eierlegenden Wollmilchsau-Schaulaufen, das auch ohne bedingungslos epische Genieblitze noch einmal jede Lobeshymne rechtfertigt, die bereits auf Bölzer gesungen wurden, dabei jedoch zahlreiche Überraschungen parat hält. Phosphor sprintet wie von der Tarantel gestochen, flirtet mit Math-Anleihen und tieftönenden Meshuggah-Riffs (hier destilliert sich wieder einmal, wie sehr sich die Art Riffs zu schreiben und zu spielen bei Bölzer mittlerweile geändert hat!). Während man noch an Liturgy zu Aesthetica-Zeiten denken muß und sich nach und nach das hallende Gebrüll in den Song schiebt, explodiert die Band beinahe vor Dringlichkeit, ebbt langsam in einen Ambient-Part ab, findet das rituelle Stammesgesang-Intermezzo Decima.
Der zerfahrene Vorabsong I Am III – bereits vorauseilend ein untrüglicher Herold dafür, dass Bölzer sich im Vergleich zu den EPs verändert haben – funktioniert im Kontext deutlich besser, verschleppt sich martialisch im Midtempo, dröhnt wie eine in die Weite stierende Melange aus High on Fire und alten Mastodon und gibt die sich selbst zerfleischende Bastion in Mitte des brutalen Umfelds. Spätestens hier werden Puristen verzweifeln, wer Bölzer nur an Entranced by the Wolfshook misst mindestens ebenso.
Spiritual Athleticism bolzt nach dieser Exkursion dafür umso bestimmter, fast schon cartoonesk bösartig mit ambitioniertem Riff stakkatohaft dampfend, bevor das klerikal-schamanenhafte Chlorophyllia die mysterischere zweite Plattenhälfte mit rezitierendem Klargesang und tranceähnlichen Traumbildern langsam zu Grabe trägt, in den theatralischen Feedback/Drone-Pathos von Atropos hinübergleitet: „See you on the other side!

Bölzer werden eben auch auf den letzten Metern nicht müde die immensen Erwartungshaltungen geschickt zu untertauchen und diesen Triumphzug ohne jedweden Ausfall abzurunden. Hero bietet seine Vorzüge dabei phasenweise vielleicht etwas gar zu plakativ an – knüppelt aber alleine leidige Diskussionen über die Trueness von Bölzer schlicht und ergreifend von vornhereinin Grund und Boden. Dem homogenen Fluss dieser Platte tut all seine Varianz schließlich ebenso keinen Abbruch, wie die schiere Qualität des Songwritings letztendlich sowieso absolut für sich spricht. Bölzer sind grandiose Formwandler, und um eine Platte zu finden, die den Metal derart intensiv, vielseitig und kurzweilig und enorm unterhaltsam zelebriert, muss man zudem vielleicht sogar bis zum letztjährigen VHÖL-Meisterwerk Deeper than the Sky zurückgehen.
Alleine diese referentielle Randnotiz adelt das Schweizer Duo, das mit einem Schlag den Evolutionssprung vom vielversprechenden Kritikerliebling zum polarisierenden Chamäleon vollzogen hat: Vom unberechenbaren Alleskönner-Duo über die mitreißend packenden Abrissbirne mit schier unendlichem Wachstumspotential bis hin zum hippen Konsens-Darling stehen der Ausnahmeband Bölzer hiermit alle Tore offen. Zu Recht.

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