Bosnian Rainbows – Bosnian Rainbows

von am 20. Juni 2013 in Album, Heavy Rotation

Bosnian Rainbows – Bosnian Rainbows

Bosnian Rainbows ist nicht nur das Projekt, für das Omar Rodriguez-Lòpez The Mars Volta beerdigt hat: es ist die Band, die das Solo-Schaffen des Ausnahmegitarristen erdet und dem manisch getriebenen Diktator dabei das Prinzip einer künstlerischen Gemeinschaft anhand elf wunderbar unkonventionell-eingängiger Rocksongs im psychedelischen Wave-Gewand erklärt.

Natürlich ist ‚Bosnian Rainbows‚ auch das Resultat einer zerbrochenen Beziehung, viel eher aber noch das Dokument einiger (nicht nur) musikalischer Liebegeschichten. Zwischen Omar Rodriguez-Lòpez und Deantoni Parks etwa, seinem kongenialen Rhythmus-Frickelkonterpart, ohne den man sich aktuell ebenso kaum mehr eine Veröffentlichung des mittlerweile 37 jährigen Ex-At the Drive-In Gitarristen vorstellen kann, wie das vor wenigen Jahren noch in Symbiose mit Cedric Bixler-Zavala der Fall war.  Oder die Partnerschaft von Rodriguez-Lopez und Le Butcherettes-Sängerin Teri Gender Bender alias Teresa Suárez, die sich mit selbstsicherer und anmutiger Punk-Stimme längst als (zumindest zweit)-optimalstes, melodisches Sprachrohr für Omars wilde Husarenritte erwiesen hat und auch abseits der Bühne das Herz des akribischen Arbeiters gewinnen konnte. Und dann ist da auch noch Parks alter Kumpel Nicci Kaspar, der Mann im Hintergrund, der mit seinen Synthiesounds ‚Bosnian Rainbows‚ doch nicht weniger prägt als das restliche Trio, im Gesamtsound als Mann im Schatten aufgehend vielleicht am deutlichsten symbolisiert, was dieses blind aufeinander eingespielte Gefüge vordergründig von The Mars Volta abhebt: Bosnian Rainbows sind keine Diktatur mit willenlosen Erfüllungsgehilfen, sondern eine pulsierende Symbiose, ein nahtlos funktionierendes Bandgefüge.

Eines, dessen Ursprung sich eindeutig in der Keimzelle ‚Octopus Cool Aid‚ ausmachen lässt, die dort aufgezeigten Ansätze aber in einem griffigeren, gemeinnützigerem Kontext weiterdenkt. Was Bosnian Rainbows dann auch gleich zum zweiten, vielleicht wichtigsten Grenzabschnitt mit The Mars Volta führt: das prog-erprobte Quartett kennt technisch keine Grenzen, stellt diese abseits von Omars Alleinherrschaft aber zu jedem Zeitpunkt in erster Linie in den Dienst der kompakt an der mittellangen Leine gehaltenen Songs: exzentrisch ist das, aber nicht elaboriert. Exzessiv, aber immer effektiv präsentieren sich Bosnian Rainbows abseits jeglicher kunst-fokussierter Affektiertheit, die Omars Solowerken gerne zu Kopf steigen. Soloeinlagen, verspulte Exkursionen und psychedelisch angehauchte Kaleidoskop-Jamansätze existieren hier natürlich, gedeihen aber nur soweit, wie es den Kompositionen an sich dient ohne die Schlüssigkeit anzugreifen. Es gibt auf ‚Bosnian Rainbows‚ unzählige Spielereien, Verzierungen und Kniffe in der organischen Produktion zu entdecken, die das vorhandene Ausgangsmaterial der vielversprechenden Clouds Hill-Sessions noch einmal strafft, auch aufpoliert – vor allem gesanglich. Unter der verquer gegen den Strich gebürsteten Eingängigkeit haben Bosnian Rainbows aber vor allem ein gutes Duzend an widerspenstigen Ohrwürmer geschrieben.

Da rockt ‚Torn Maps‚ stakkatohaft und dringlich, als pulsierender, glitzernder und treibender Wave-Hit, den die Yeah Yeah Yeahs so nicht  zustande bringen. Oder die elegisch schwebende Ballade ‚Turtle Neck‚, in der Teri Gender Bender in  aller Schönheit vor Sehnsucht vergehen darf, bevor aller Schwermut im peitschenden Schlußpart lasziv ausgehämmert wird. Der mit großem Chorus ausgestattete Dreampop-Hakenschlag ‚The Eye Fell in Love‚, der sich im temporeichen Finale an Can und der Krautrock-Vorliebe von Bosnian Rainbows zu schaffen macht. Und natürlich das bedingungslos auftretende ‚I Cry for You‚, in dem sich Metalgitarren und eine experimentelle Noisebridge treffen, die Band in der letzten Minute aber sattelfest in einen hyperventilierenden Rock’n’Roll-Modus umschaltet.
Auch um all diese potentiellen Singles serviert das Quartett Hooklines und Melodien, niemals zu streng um die Ecke gedacht, dennoch machen es Bosnian Rainbows niemandem zu leicht: das sakral beginnende ‚Eli‚ etwa verdichtet mit ausladender Geste und disharmonischen Gitarrenspuren im treibenden Synthierock die Spannung nahe an den unheilvollen Arbeiten von A Perfect Circle, lauernd und unnachgiebig. ‚Worthless‚ kippt danach sofort hinein in diesen markanten, schief kontrastierten Beat, kaputter Hip Hop ohne Rap nahezu, in der kopfüber stehenden Melancholie gönnt sich Rodriguez-Lopez gar einen verhaltenen Ausbruch in der Menge.

Das farblos bleibende ‚Dig Right in Me‚ ist hingegen auf einem variablen Discobeat gebaut, und überhaupt gefällt es Bosnian Rainbows auf ihrem ersten Album ausgesprochen gut in den 1980ern: dafür sorgen neben dem allgegenwärtigen Einsatz von Synthies und Keyboards unter anderem der gurgelnde Bass im zurückgelehnten ‚Morning Sickness‚: eine Startrampe für Omar in den Weltraum, seine Kumpanen zwingen ihn zum Fokus mit beiden Beinen am Boden. ‚Red‚ will sich nicht zwischen elegantem, hymnenhaft angetriebenem Indiepop und Drive-tauglichem Kavinsky-NeonFlair entscheiden, muss es auch nicht: so hätte ‚Mosquito‚ in einer besseren Welt geklungen. Für ‚Always on the Run‚ wird der Funk ausgepackt, das abschließende ‚Mother, Father, Set us Free‚ integriert dafür wirre Elektronik und Omars rotierenden Effektkasten, kontrastiert das Szenario mit einem opulenten, geradezu episch zelebrierten Melodiebogen. Irgendwann lassen Bosnian Rainbows jedoch die Zügel los, der Song galoppiert explodierend als ideal abschließender Rahmen zurück zum pastoral Intro von ‚Eli‚.

Der Grower ‚Bosnian Rainbows‚ ist damit letztendlich die (bisher) größtmögliche Annäherung an die catchy Popplatte, von der Omar die letzten Jahre über immer wieder geträumt hat.
Als hätten sich Warpaint zur proggi Jamsession mit den Yeah Yeah Yeahs und Chromatics getroffen, um ‚Noctourniquet‚ noch näher an der Zugänglichkeit fortzusetzen, wenn man so will. Stimmt natürlich aber alleine deswegen nicht, weil Bosnian Rainbows sich bereits mit dem selbstbetitelten Einstand eine eigenständige Handschrift zugelegt haben, die das Quartett trotz aller gebliebenen Bezugspunkte und Trademarks doch deutlich außerhalb der bisherigen Wirkungsstätten der Musiker gedeihen lässt.
Kaspar, Rodriguez-Lopez, Parks und Suárez gelingt dabei der Spagat, gleichzeitig nach einer routinierten, blind aufeinander eingespielten Einheit zu klingen und trotzdem eine junge, geradezu hungrige Aubruchsstimmung einzufangen, die Bosnian Rainbows einer in jeder Hinsicht spannenden Zukunft entgegen blicken lässt. Auch mit einem kleinen Déjà-vu im Hinterkopf – dem 2001er At the Drive-In Post-Split-Szenario rund um The Mars Volta und Sparta. Bosnian Rainbows stemmen als „die eine Nachfolge-Hälfte von The Mars Volta“ die Erwartungshaltungen, haben ordentlich vorgelegt –  Zavalaz müssen nachziehen.
Im Hier und jetzt hat Clouds Hill neben Turbostaat jedenfalls schon den nächsten dicken Fisch im Teich sicher.

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