Brutus – Live in Ghent

von am 23. Oktober 2020 in Livealbum

Brutus – Live in Ghent

Das belgische Trio Brutus holt einen knapp eineinhalb Jahre alten Mitschnitt als Show-Methadonprogramm aus den Archiven, stellt damit jedoch auch die Gretchenfrage: Lindern oder intensivieren Veröffentlichungen wie Live in Ghent den Schmerz ob derzeit weitestgehend ausbleibender Konzerterlebnisse?

Auch wenn die Limitierungen aufgrund der Doppelbelastung von Stefanie Mannaerts als Schlagzeugerin und Sängerin in Personalunion hier doch auch immer noch auffallen, als auf den regulären Alben der Band, greifen sie weniger frustrierend: Brutus sind, das weiß man, eine wirklich starke Liveband, deren Energie auf der Bühne so zwingend mitreißt, und deren Präsenz unbedingt intensiver den Studioaufnahmen vorzuziehen ist.
Those of you who have seen Brutus play live, know we live by the energy we create among the three of us. When playing live, we try to make you feel what we feel and recreate all of the emotions we went through during the writing process. Every show we try to take our songs further, explore them deeper, play them better. When the real world went into lockdown, early March 2020, a year of live music disappeared before our eyes. Going on tour, playing festivals, watching bands, it’s all gone. It was as hard for us as it has been for everybody involved in live music. As a remedy, we took the time to look back on what we had already done and collected. The footage we had of our previous shows. Painful and healing at the same time. That’s when we stumbled upon the recordings of our show at Handelsbeurs in Gent, May 2019. A hometown show we fully recorded and filmed after a period of touring, in front of all our family and friends. (That’s Peter’s stepson on the cover, writing our setlist for the night.) Looking back, almost a year later, we feel absolutely proud about that show particularly. Almost every song could be a better version than the studio album.

Dabei hat die durchaus nicht unrichtig attestierte Optimierungsarbeit schon Schönheitsfehler. Vor allem jenen, dass die an sich majestätisch im Grenzwasser von Dredg und monumentalem Postrock fischenden Gitarre im Mix frustrierend unter Wert verkauft wird – selbst in Momenten, wo Peter Mulders eigentlich stellar strahlen können sollte, wurde er mindestens eine Ebene zu weit hinter die Drums und Gesang gemischt, selbst die Russian Circles‘esken Bassspuren dürfen prägnanter akzentuiert auftreten.
Was zur Folge hat, dass an sich überwältigende Soundwälle wie im nichtsdestotrotz herausragenden Child oder mehr noch sogar in Techno nicht die erhebende cinematographische Bandbreite entwickeln, die möglich gewesen wäre. Zudem drohen Mannaerts Vocals dadurch phasenweise schon aufdringlich ins penetrante Grölen abzudriften – gerade das zurückgenommene Space kann dadurch ohne nahtlosen Zugriff auf das Publikum auch weniger atmosphärisch wirken, als beinahe wie eine zu bemühte Animation. Und zu guter Letzt ist das hier ausnahmsweise als Closer gebrachte Baby Seal ein weniger auftrumpfendes Finale als das üblicherweise den Setlist-Abschluss bereitende Highlight Sugar Dragon.
Was nun freilich alles verdammt negativ klingt, doch muß sich eine Konserve aufgrund der Livestärke der Band eben nur mit einer hohen Fallhöhe auseinandersetzen. Abseits davon macht Live in Ghent nämlich auch kaum etwas falsch, wenn sich die Band ohne Überraschungen, aber motiviert und dynamisch entlang des einen oder anderen Instant-Hits durch den (aus dem guten Durchbruchswerk Nest und dem besseren Debüt Burst gespeisten) Abend spielt, wohldosierte Publikumsaktivitäten im Sound zulässt, sich abseits zahlreicher Danksagungen aber mit Interaktionen weitestgehend zurückhält. Ohne Euphorie zu entfachen ist Live in Ghent also ein verdammt kompetentes Dokument mit wehmütigem Beigeschmack.

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