Calpurnia – Scout

von am 29. Juni 2018 in EP

Calpurnia – Scout

Vier Teenager aus Vancouver spielen auf ihrer Debüt-EP twangelnden Indiepop zwischen den Referenzpunkten Mac DeMarco, Twin Peaks, Whitney und Real Estate. Das ist so dermaßen okay, dass Scour letztendlich vor allem eines ist: Eine nette Egalität.

Das Indielabel Royal Mountain war dennoch schlau genug, sich die Band an Bord zu holen. Immerhin könnte sich Calpurnia durchaus als Zukunftsaktie erweisen. Vor allem, weil dem Quartett mit (dem eigentlich selbst bereits einen potentiell imposanten Bandnamen stiftenden) Finn Wolfhard – eines der Kids aus Stranger Things sowie dem mediokren IT-Reboot – ein aufmerksamkeitssicherndes Zugpferd vorsteht. Wie man im Verlauf von Scout mitbekommen wird, ist zwar Ayla Tesler-Mabe der heimliche Star der Platte, wenn ihre nonchalanten Melodielinien und lebendigen Gitarrenideen das solide Spiel der Band über weite Stellen zumindest ansatzweise interessant machen und der finale Spotlight-Moment Waves zudem enorm versöhnlich entlässt.
Aber ohne das Buzz um Wolfhard wäre auch das vorerst zu wenig, können sich Calpurnia doch derweil kaum aus dem durchwachsenen Genre-Einerlei abheben: Scour mangelt es schlichtweg am individuell ausgeprägten Charakter im arg simpel und leicht durchschauberen Songwriting, an der Tiefenwirkung in den naiven Kompositionen, während Wolfhard selbst aktuell höchstens ein passabler Sänger, aber (wie auch der Rest der Kombo) sicher noch kein guter Texter ist, und die Produktion von Twin Peaks-Mann Cadien Lake James deswegen im Fahrwasser der eigenen Stammband die immer gleichen Tricks auspacken muss, um die mangelnde Substanz im Material der Band zu kaschieren.

Louie ist in dieser Ausgangslage eine entspannte Nummer, die vor allem von der sehnsüchtig am Country entlangheulenden Slide/Leadgitarre lebt. Die Lyrics und Songpassagen wiederholen sich dazu jedoch alsbald ermüdend und sind ganz allgemein nicht besonders ausgefeilt. Bald geht der Track in schönen Arrangements aus Pianogeplätscher und harmonisch begleitenden Backingvocals auf. Kurz bevor das Szenario nichtsdestotrotz in der gefällig inszenierten Egalität zu versinken droht, nimmt die Band hinten raus etwas mehr Schwung – selbst danach bekommt das Songwriting aber nicht die nötigen Impulse, um tatsächlich zu fesseln oder sich über das Kurzzeitgedächtnis hinauszuziehen.
Wasting Time zündet dagegen etwas knackiger, weil der groovende Rhythmus und der knödelnde Bass schmissiger agieren. Calpurnia surfen unverbindlich dahin und servieren (nach den obligatorisch auch hier irgendwann begleitenden Hintergrundgesangsarrangements) sogar ein nettes Solo spendiert.

Noch besser hätte das im nnostalgischen Midtempo mäandernde Greyhound ausfallen können. Wolfhard erzählt unter einem gedoppelten Reverb, wie Basser Jack Anderson durch die Landschaft zu einem Joe Jackson-Konzert fährt – die Band fängt dieses instinktive Momentum mit einer unbeschwertern Nachdenklichkeit ein. Später schwebt ein melancholisches Solo in den Song, die Backing-„Uhuhus“ sind verträumter. Nach knapp drei Minuten breitet sich dennoch latente Langeweile aus, denn es passiert einfach nichts relevantes, aber viel repetitive Monotonie vor aus der Zeit gefallenen Soundschleifen.
Griffiger macht es da schon das Aushängeschild City Boy, wo Calpurnia mit frecher Hand Big Me von den Foo Fighters kopieren. Doch spätestens die „Ba-ba-bas“ im Refrain wirken endgültig unmotiviert und zu formelhaft eingesetzt – erst wenn der Song ein bisschen am Gaspedal zu drücken und rockiger zu heulen beginnt, kommt langsam Stimmung auf. All die immer wieder erwähnten Referenzen zu den Rolling Stones und The Velvet Underground sucht man dagegen vergeblich.

Und dennoch besteht dabei niemals Anlass, zu hart mit Calpurnia ins Gericht steigen. Was kaum mit dem jugendlichen Alter der vier Bandmitglieder zu tun hat, als viel mehr mit dem immer wieder aufblitzenden Potential einer rundum sympathisch nebenher laufenden EP.
Am deutlichsten wird dies im finalen Drittel der Platte. Blame sorgt mit seinen Bläsern und der sommerlich-sinnierenden Melodie für mehr Nachhaltigkeit, dreht dann sogar mit knackiger Nonchalance am Tempo und poltert subtil nach vorne, bevor die slackerhafte Lockerheit in eine jazzig verträumte Bridge eintaucht. Strukturell ist das vielleicht nicht unbedingt spannender als die anderen Songs, aber rundum dynamischer agierend – man darf deswegen durchaus an die jungen Someone Still Loves You Boris Yeltsin denken, wenn auch mit einem deutlich zurückhaltender ausgeprägten Sinn für raffiniert schlurfende Melodien und Hooks.
Das abschließende Waves bedient sich dagegen kontemplativer und sphärischer ausgelegt bei der Eleganz der simplen Foxygen-Momente, gewinnt aber vor allem durch die Entscheidung, Gitarristin Tesler-Mabe in die erste Reihe ans Mikro zu schieben. Diese singt nicht unbedingt besser als Wolfhard, aber doch deutlich weniger angestrengt und zudem charismatischer. Gerade mit den Harmoniearrangements entsteht eine unaufgeregt einnehmende Atmosphäre, ziehen Calpuria mit hypnotischer Entschleunigung in ihren Bann. Dass der Closer mindestens doppelt so lang ist, wie er angesichts der überschaubaren Ideen sein müsste, tut dann natürlich niemandem einen Gefallen, darf aber unter die lange Reihe an niemandem wehtuenden Kinderkrankheiten einer (im nur bedingt schmeichelhaft gemeinten Wortsinn) zutiefst netten Band verbucht werden.

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