Car Seat Headrest – Twin Fantasy (Face to Face)

von am 20. Februar 2018 in Album

Car Seat Headrest – Twin Fantasy (Face to Face)

Ein bisschen Skepsis war vorab durchaus angebracht: Würde es wirklich notwendig sein, dass Will Toledo das beste Album seiner Lofi-Quasi-Solophase nach dem Erfolg mit Teens of Denial (2016) mit Car Seat Headrest unbedingt neu einspielen wollte?

Ausführliche 71 Minuten sowie den Zusatz (Face to Face) im Titel später ist man klüger: Notwendig vielleicht nicht – aber eine rundum fantastische Entscheidung, hat Toledo das ursprüngliche (knapp elf Minuten kürzere und via Bandcamp immer noch frei verfügbare) Werk doch entlang der Errungenschaften seines Indie-Durchbruch mit Teens of Denial nach aktuellen Maßstäben gepimpt.
Das ohnedies schon grandiose Songwriting von 2011 ist freilich geblieben – sogar um einige inhaltliche Änderungen (wenn etwa im verspielt treibenden Rocker Cute Thing aus Dan Bejar und John Entwistle diesmal Frank Ocean und James Brown werden) sowie zusätzliche kompositionelle Passagen gewachsen (man bestaune nur die elegante Piano-Geste sowie das brillante Crescendo in Famous Prophets (Stars)). Das scheppernden Hall-Rauschen im bisweilen chaotischen Sound von damals ist nunmehr aber passe. Durch das neue Budget gewinnt der DIY-Ethos von einst natürlich zusätzliche Details im professionellen Produktionsgewand, eine kräftigere Band-Energie (das wuchtiges Schlagzeug und ein satter Bass grundieren nun muskulös) sowie vor allem Toledos gesanglich stärkere Performance (gerade in den nach oben kletternden Harmonien) noch einmal an zusätzlicher Strahlkraft: Prächtiger, kräftiger, schärfer, pointierter und akzentuierter schickt sich die 2018er Version an, das freilich ungeschliffener wirkende Original mit einer saubereren Zugänglichkeit zu übertrumpfen.

Zwar hat Toledo sich bezüglich seines Favoriten klar positioniert: „It wasn’t until last year that I figured out how to finish it. (…) I was not in the same place then. It felt at times like doing a cover record. The old one is by a different artist that I don’t necessarily like as much as the one I’ve turned into. (…) I kind of felt that these were demos I was recording when I was doing the original thing. I felt like I could re-record it better. So far, it’s worked out…This one has totally replaced the old one in my mind. (…) This is no shallow second take, sanitized in studio and scrubbed of feeling. This is the album I always wanted to make. It sounds the way I always wanted it to sound.
Doch durch all die Unterschiede in Physis und Wahrnehmung („I no longer see my own story as a tragedy“) muss man selbst sich genau genommen nicht zwangsweise entscheiden, ob man nun das Original von Twin Fantasy vorzieht (mittlerweile übrigens mit dem Appendix (Mirror to Mirror) versehen und [amazon_link id=“B0788YKX3C“ target=“_blank“ ]der aktuellen CD Variante als Bonus beigepackt[/amazon_link]), oder doch das 2018er Makeover. Jedes Werk funktioniert aus der selben Quelle für sich selbst stehend, hat seine eigenen Vorzüge.
Letztendlich holt Twin Fantasy (Face to Face) mit der Sturm und Drang-Power der gewachsenen Ressourcen sowie dem schärferen Visier für catchy Ohrwürmer (waren das pumpende Bodys sowie das ordentlich an Wave-Schub gewonnen habende Nervous Young Inhumans  tatsächlich immer schon solch potente Hits?) ansatzloser und breitenwirksamer das Momentum auf seiner Seite: Bandkopf Tolede ist mit seinen Mitmusikern Ethan Ives, Andrew Katz und Seth Dalby ein rundum mitreißendes Update gelungen, das sich mühelos zwischen Weezer und den Eels, zwischen Cloud Nothings und Okkervil River austobt und die seine wohlüberlegt arrangierten Zahnräder ineinander greifen lässt.

My Boy (Twin Fantasy) taucht den bittersüßen Romantikreigen langsam an, blüht dann aber mit gedoppelten Toledo-Chören beinahe euphorisch auf, wo das Original verhalten huschte. Das überragende Beach Life-in-Death ist mehr denn je ein unberechenbarer Leviathan der Dynamik, eine hibbelige Suite in wendiger Atemlosigkeit und nachdenklicher Einkehr, die genug Ideen für 3 Songs parat hätte und gerade im erfrischend motivierte Auftreten des neuen Gewandes förmlich Funken sprüht: Car Seat Headrest nehmen sich mal zurück und brechen im nächsten Moment umso heftiger nach vorne aus, inszenieren ein ständiges Kräftezerren zwischen hart und zart – alleine die finalen zwei Minuten sind ein einziges Furiosum, dass die Dringlichkeit des Punkrock und die Räudigkeit Garage mühelos in den Indie manövriert.
Später werden melancholische Akustikbagatellen wie Stop Smoking (We Love You) nunmehr prägnanter auf den Punkt gebracht, während der nette Schrammel-Slacker Sober to Death mit seinem Pendel zwischen Verstärker und Lagerfeuer klarer positioniert am Geduldsfaden zerrt. High to Death gibt sich dagegen deutlich gelassener, wirkt geradezu nonchalant, bringt damit auch die gestiegene Selbstsicherheit von Toledo auf den Punkt.
Diese kann er sich (mit haufenweise Kritikerlob als Rückenwind und sogar eigenen Fankrisen vor Augen) mittlerweile wie selbstverständlich leisten. Twin Fantasy (Face to Face) gelingt schließlich nicht nur der Kniff, altbewährtes auf womöglich bestmögliche Art und Weise neu aufzuwärmen und damit gleichermaßen die Erwartungshaltungen nach Teens of Denial zu stemmen, sondern diese (ohne neues Originalmaterial) irgendwo auch erst einmal smart zu untertauchen. Deswegen macht es auch gar nichts, dass das elfte Album von Car Seat Headrest aufgrund der einen oder anderen minimalen Länge (wie etwas zu prätentiös hinzugefügten Outros und Appendix-Monologen) nicht vollends mit seinem direkten Vorgänger mithalten kann.

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