Code Orange – Forever

von am 3. Februar 2017 in Reviews

Code Orange – Forever

Wer rund um die medienwirksamen Meinungsverschiedenheit mit den Spacken von Asking Alexandria bloß einen brachialen Marketingstunt vermutet hat, der das erste Album der Extrem-Amalgamierer am Majorlabel publikumswirksam vorbereiten sollte, bekommt es nun dick serviert: Mit Forever prügeln Code Orange ihre rabiate Unangepasstheit kompromisslos auf das nächste Level und nehmen endgültig keine Gefangenen mehr.

Dass Code Orange sich den Zusatz Kids im Namen für den Vorgänger aus der Haut gerissen haben, war bereits die logische Konsequenz aus der beängstigenden Entwicklung, die das Quartett aus Pittsburgh zwischen ihrem tollwütigen Debüt Love Is Love/Return to Dust  und dem eskalierenden Zweitwerk I am King vollzogen haben. Dass Forever die Herrschaftsansprüche der Band im Plattentitel nun auch 2017 noch einmal deutlicher unterstreichen, ist nicht weniger schlüssig, treiben Code Orange den rostigen Genre-Nagel im dritten Anlauf doch noch energischer und brutaler durch ihren dreckigen Pfahl aus Metal- und Harcore-Versatzstücken.
Dass Eric Balderose, Reba Meyers, Jami Morgan und Joe Goldman ausgerechnet im Zuge ihres Wechsels von Deathwish zum Labelriesen Roadrunner hin von ihrem bisher härtesten Album sprechen, ist also kein Lippenbekenntnis, sondern Teil einer knüppeldicken Fuck You-Attitüde, die den Finger immer weiter in die klaffende Wunde drückt. Mehr noch: Forever ist tatsächlich die logische Weiterentwicklung von Love Is Love/Return to Dust und I am King geworden, die kaum für möglich gehaltene nochmalige Radikalisierung des Bandsounds.

Wenn man so will, ist Forever in gewisser Weise das vage Äquivalent zum letztejährigen Oathbreaker-Husarenritt Rheia geworden, reizen doch beide Alben die bisherigen Spektren der zwei Bands noch weiter aus. Wo Oathbreaker m Auseinanderrücken der Extreme eine rundere Zugangsweise zu ihren Kompositionen gefunden haben, zerfleischen Code Orange ihr Songwriting allerdings endgültig. Forever prügelt die bestialischen Explosionen ebenso in agressiver Gefilde und konterkariert diese (selten aber doch, vor allem im letzten Drittel der Platte) mit umso zugänglicher erscheinenden Momenten, doch füllen die Amerikaner die Bandbreite dazwischen im Gegensatz zu ihren belgischen Kollegen aber mit noch erschöpfenderen Nuancen aus – zersprengen Strukturen und Schemen rücksichtsloser als auf den ersten beiden Alben, während die Band ihren Bannkreis immer rücksichtsloser ausarten lässt.
Forever zeigt damit eine Kombo, die gleichermaßen wächst und sich doch auch permanent selbst bis auf das Blut geißelt, die hauseigene Abrissbirne regelrecht manisch unberechenbar durch die malträtierten Ruinen eines progressiv die Auslagen wechselnden Songwritings schwenkt. 35 Minuten lang gleicht das hemmungslose Massaker deswegen einem schier überfordernden Höllenschlund, in dessen Chaos man sich wenn überhaupt erst nach und nach zurechtfinden kann, weil die phasenweise über das Ziel hinausschießenden Code Orange ihre Songs zumindest auf den Erstkontakt hin schon beinahe zu rabiat umherwuchten – die eine oder andere Finte wird auch danach den Eindruck hinterlassen, dass zwischen blinder Wut und Willkür hier phasenweise nur ein schmaler Grat herrscht.

So fragmentarisch Forever entlang seiner Stilbrüche und Nahtstellen jedoch auch bisweilen randaliert, so originär, spannend und faszinierend unberechenbar geraten die elf Songs im Umkehrschluß. Sie schärfen zudem das Profil von Code Orange, das die routinierten Jungspunde als Sammelbecken der Einflüsse längst wie keine andere Band da draußen klingen lässt.
Gleich der Titelsong keift insofern wie ein hirnwütiges Biest, ist ein gen Deathcore provozierender Brocken mit drei Stimmen von der Hysterie zu den Growl, drangsaliert Breakdowns und explodiert dann wieder im Hardcore, vermengt genug Ideen für fünf Songs und steht damit einer noch wendigeren Platte im Gesamten vor.
Kill the Creator geht etwa nur deswegen als vorzeigbare Single durch, weil zwischen all den Sprints und schleppenden Doom-Szenen genug hängen bleibt, um auch noch Suspence-Momente zu verschlingen. Ein Ekelpacket, nichtsdestotrotz. Zugänglicher gibt sich da schon Bleeding in the Blur, ein gesanglich klar sehender Noiserock-Bastard, unter dessen relativ straighten Gangart es so verdorben rumort, bis schließlich niemand geringerer als Arthur Rizk ein Solo auspackt. Ugly wiederum ginge nur in der Apokalypse wohl als Dreampop mit hymnischen Alternative Rock-Chorus durch, ist im Hier und Jetzt aber natürlich so bekömmlich wie ein blutrünstiger Clown unter dem eigenen Bett.

Inmitten der starken Produktion von Kurt Ballou und Will Yip (alleine diese Spannweite steht dann sinnbildlich für die gewollte Ambivalenz dieser sich selbst verschlingenden Platte) verschwimmen diese Facetten und Ausbrüche mit jedem Durchgang allerdings zu einem mitreißenden Ganzen, ziehen in einen abartig düsteren Bann und zermürben das Gefühl, dass hier zu oft mit dem Stemmeisen komponiert wurde.
Während die Riffbreitseite No One Is Untouchable also so unerbittlich arbeitet und Real Groove Metal, brüllende Nu Metal-Gemeinheiten und digital verfremdete Downbeat-Alpträume nacheinander abhackt, greifen die immer wieder verstärkt forcierten elektronischen Elemente regelrecht organisch. Das brutzelnd-brütende Ungetüm The Mud kippt beispielsweise als Brainfuck Deluxe vollkommen unvermittelt mitten in einem Riff in ambiente Folterkeller, Spy kotzt im Slo-Motion-Modus bis auf das fiepende Vermächtnis von The Locust und Hurt Goes On schiebt die immer wieder aufblitzenden Industrial-Elemente vollends in den Vordergrund und verweist gar auf Szene-Dystopen wie Haxan Cloak und Nine Inch Nails.
Das ätherische Finale mit dreams2 entlässt da beinahe versöhnlich, doch Synapsen explodieren spätestens beim abrupt einsetzenden Cut am Ende zwangsläufig. Irgendwo schwingt da deswegen zwar auch stets die Gewissheit mit, dass Code Orange ihren Wahnsinn damit endgültig auf die Spitze getrieben haben müssten – aber das dachte man ja fälschlicherweise auch bereits nach I am King.

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