Code Orange – I am King

von am 1. September 2014 in Album

Code Orange – I am King

Code Orange sind keine Kids mehr und ‚I am King‚ selbst in Relation zum bereits gnadenlosen Vorgänger ‚Love is Love // Return to Dust‚ eine bestialische Hackschnitzelmschine, die längst keinen Unterschied mehr daraus macht, ob sie nun durch bretternden Hardcore, fiesen Doom-Noise oder dickflüssigem Groove-Metal ihre Schneise der Verwüstung zieht.

Wie genau sich das Quartett aus Pittsburgh dem Songwritingprozess ihrer wildgewordenen Kompositionen nähert war bereits nach dem verhaltensauffälligen Debütalbum von 2012 eine verstörende Frage. 2 Jahre, einen Beinahe-Neuanfang inklusive Namensänderung sowie Equipmentdiebstahl und zumindest die elf Songs von ‚I am King‚ später ist man diesbezüglich keinen Deut schlauer. Genau genommen fällt die Verwirrung (meint auch: Überforderung) sogar noch eine ganze Ecke krasser aus, wenn apokalyptische Industrialfieberschübe, pestbeulenartige Noiserockeruptionen, metallischer Hardcore, schwer groovende Breakdows (die man so tatsächlich für Sekundenbruchteile immer wieder mit Nu Metal-Funkenflügen assozieren darf) mit punkigen Tritten aufs Hardcorepedal vor beunruhigend gehauchten Vocals, keifenden Growls (!) und hysterischem Geschrei die Karambolage aufs Exempel mit kompositorischen Hakenschlägen im gefühlten Sekundentakt wagen – und man dabei noch nicht einmal die zweieinhalb Minuten des eröffnenden Titelstücks überstanden hat.

I am King‚ ist verdammt harter Tobak, ein zelebrierter Hirnfick zwischen allen Fronten. Wenn Code Orange schon als Kids angepisst, unberechenbar und aggressiv zu Werke gegangen sein sollen – gehen einem für die erwachsenere Inkarnation des Vierers langsam die Attribute aus. Am besten hat das vielleicht ohnedies Schlagwerker Jami Morgan selbst bereits im Vorfeld zusammengefasst: „A lot of the heavier parts are heavier and sometimes more obvious. A lot of the odd parts are weirder and a little more anti-social. Things are a lot more blended together.“ Das manifestiert sich in einem schweißtreibenden Spießrutenlauf über 33 Minuten, der voller Tempowechsel und Wendungen gleichermaßen als gnadenlose Abrissbirne und Fleischwunden-verarztender Lötkolben zwischen den Genreversatzstücken funktioniert.
Durch ‚Slowburn‚ schaben sich Code Orange heiser schabend voran und klingen dabei wie die rostigste Band auf Deathwish, das hämmernde Brett ‚Unclean Spirit‚ rast gar in die Hoheitsgebiete von dreckig aus der Tonne gehauenem Metalcore. ‚Your Body Is Ready…‚ genügen knapp 90 Sekunden um 3 Songs in einen einzigen zu kloppen, bevor sich die Band zur Entspannung auf den Zahnarztstuhl legt. Das windschief in die slappende Rhythmusgruppe grätschende Gitarrensolo in ‚Thinners of the Herd‚ hat man sich bei den boshaftesten Momenten von Steve Albinis Bands abgeschaut, ‚Mercy‚ hämmert sich selbst über grausame Feedbackattacken und bollernde Blastbeats das Blut aus den Adern.

Mitleid kennen Code Orange dabei zu keinem Zeitpunkt – alleine wie psychotisch, überfallsartig und variabel sich die drei gleichberechtigten Brüllwürfel Eric Balderose, Reba Meyers und Jami Morgan die Bälle zuspielen lässt die Gastauftritte von AJ Borish (Path to Misery), Joe Sanderson (Eternal Sleep), Eric Schaeffer (Unit 731) und Scott Vogel (Terror) im wilden Krawallsturm mit bloßen Ohren kaum mehr ausmachen.
Doch zwischen all dem Kratzen und Beißen reicht die Band einem doch hin und wieder den kleinen Finger: dem unsagbar fiesen, das Trommelfell an der Schmerzgrenze schmelzen lassende Rückkoppelungsbeginn von ‚Bind You‚ folgt ein tonnenschwer bratendes Riffing, das wie eine Eiterbeule in einen Refrain aufblatzt, der in seiner trügerischen Melodieverliebtheit inmitten all der zelebrierten Hässlichkeit wie ein wunderschöner Rettungsanker wirkt. ‚Starve‚ täuscht an Converge’s ‚You Fail Me‚ upzudaten, verteilt sein Gift aber schlussendlich weit neben der Spur und einem Kylesa’schen Psychedeliknebelwerk. In ‚Alone in a Room‚ schielen Code Orange ins New York der 90er und finden die stachelige Sludge-AnnäherungMy World‚: in dieser Umgebung so etwas wie ein Hit.
Am weitesten draußen findet dennoch das dunkel-bedrohliche ‚Dreams In Inertia‚ statt: ein unterschwellig aggressiv brodelndes Alternativerock-Delirium Tremens mit geballter Faust. ‚I am King‚ findet nicht ausnahmslos auf der Überholspur statt, nimmt das Tempo immer wieder zurück, um der nächsten Pitbefeuerung nach mehr Durchschlagskraft zu versetzen.

Das Zweitwerk der nun noch einmal deutlich härter agierenden, weniger drahtig agierenden Band findet seine Dynamik in seiner walzenden Rasanz, auch wenn der über den Vocals stattfindende Sound den Songs mutwillig etwas gar zu zähes, schleppendes, vor allem aber zermürbendes aufdrängt. Durchlüftende Songs wie ‚Colors (Into Nothing)‚ auf dem Vorgänger finden sich in diesem Morast keine mehr. Phasenweise klingen Code Orange damit durchaus etwas gleichgeschaltener mit dem Gros der (Label)Kollegen, gleichzeitig aber immer noch eigenwillig genug um ihren Hardcore in neue Bahnen zu lenken. Wenn Kurt Ballou (wer sonst?) den irre austickenden und schonungslos-impulsiven crusty Hardcore-Verschnitt der Band vor allem im Mittelteil der Platte in fokussiertere Bahnen lenkt und die Gewalteskapaden kanalisierter detonieren lässt, wirkt das Inferno deswegen auch keineswegs weniger verstörend. Viel mehr verleiht die zeitweise Konzentration dem bisweilen arg chaotischen Tollhaus die nötige Kontur um ‚I am King‚ nicht als willkürlich zusammengeleimtes Austick-Sammelsurium erscheinen zu lassen. Nach und nach gewinnen die halsbrecherischen Haarnadelkurven im Songwriting und die schizoiden Austritte in die umliegenden Genres immer deutlicher eine bestialische Struktur, Methode und Nachvollziehbarkeit: Code Orange mögen blind vor Wut randalieren, sie tun dies aber nicht kopflos: diese formwandelnde Rage hat System, die bisweilen herrschende Unstetigkeit durchaus ein Ziel. Und sei es nur, dass einem der Schädel explodiert.

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