Death Grips – No Love Deep Web

von am 10. Oktober 2012 in Reviews

Death Grips – No Love Deep Web

Wäre nicht die züchtige Öffentlichkeit ob des erigierten, beschrifteten Penis am Cover schockiert und der Tumult mit der eigenen Plattenfirma wegen der Veröffentlichung des zweiten Albums innerhalb weniger Monate am kochen, wäre ‚No Love Deep Web‚ wohl eben nur genau dies: das zweite Death Grips-Album innerhalb weniger Monate.

Gut also, da ist ein Schwanz mit Filzstift-Schriftzug am Cover parkt, was dann irgendwo doch nach der Krone für das Albumcover des Jahres schreit. Und gut auch, ‚No Love Deep Web‚ wurde als Beipackzettel schon mit ‚The Money Store‚ vor wenigen Monaten bereits als ‚No Love‚ betitelt angekündigt, also kein Schnellschuß und so, doch als es nun ernst werden sollte mit der Veröffentlichung, wollte ihre Plattenfirma Epic doch lieber bis nächstes  Jahr warten. Was Death Grips dann derartig erzürnte, dass sie die Platte justament als Gratisdownload über ihre Homepage verschenkten. Vielleicht nur ein guter Marketinggag, vielleicht sind die drei aus Sacramento aber auch wirklich in der öffentlichen Wahrnehmung einen Schritt weiter zu der Kompromislosigkeit geschritten, die sie in ihrem brachialen Aggressionsrap seit erst seit einem Albun sowie einem aufsehenerregenden Mixtape praktizieren. Gut ist das also insofern für das Trio, denn all das Brimborium drumherum lenkt jedenfalls vom dem mühseligen Stilmix ab, der spätestens hier kurzatmige Ermüdungserscheinungen zu zeigen beginnt.

No Love Deep Web‚ drangsaliert wieder typisch misanthropische Noise-Beats und psychotisch schiebende Elektro-Soundsschichten über wabbernden Sub-Bässen; verarbeitet mundgerecht und für all die Hipsterschichten da draußen all jene Errungenschaften, welche die unerreichbaren Vorreiter und Zaunkönige Dälek seit Jahren schon zwischen Drone, Ambient und Alptraum aufeinanderprallen lassen, Industrial und experimenteller Hip Hop malträtieren den Geduldsfaden abseits einnehmend atmosphärerischer Dichte – nicht nur reduzierte Grime-Hackeleien machen ‚No Love Deep Web‚ zu einer anstrengenden Platte, einer, die in Irrenanstalten zur großen Hip-Hop Party laufen wird, die von Szene-magazinen ob ihrer vorausgetragenen Andersartigkeit und brodelnder Gewalt abgefeiert wird. Hatte das auf ‚Exmilitary‚ und viel mehr noch ‚The Money Store‚ seine Reize, verstumpft das Konzept auf ‚No Love Deep Web‚ an vielen Stellen zum affektierten Experimental-Hip-Hop-Gebolze.

Was genau Ausnahmeschlagzeuger Zach Hill im unorganisch pulsierenden Soundmeer aus krummen Rhythmen und schiebenden Synthesizern macht, bleibt weiterhin unklar aber letztendlich auch egal. Die Beats fiepen staubtrocken wie ätherische Flipperautomatten, Melodien werden als Karambolageakt geschrammt. Stefan „MC Ride“ Burnett und Andy „Flatlander“ Morin malen den Teufel durch aggressiv-dunkle Knopfdrücke und kreischende Mikrophone wenig geschmeidig stolpernd an die Wand, reißen die Abgründe der menschlichen Sozialisierung in tiefdunkel Klaustrophie, gröhlen ihre Visionen diesmal noch öfter dumpf schreiend in die Massen. „I’m the coat hanger in your man’s vagina“ presst MC Ride etwa in schizoider Hysterie hervor;  alles hier will eben in letzter Konsequenz extrem sein – zielführend ist das nicht immer, Punk irgendwie aber trotzdem  und Spaß machen soll es ohnedies nie.

So entwickelt auch das zweite Death Grips-Album seine Anziehungskraft erst nach und nach aus einer kaputten Faszination heraus wachsend, noch weitaus widerspenstiger aber als es ‚The Money Store‚ nicht ohnedies tat. In der an Dizzee Rascal und Odd Future geschulten Soundlandschaft verteidigen sich Death Grips wieder härter gegen Zuneigungen, vergessen dabei aber offenbar, dass es gerade die ansatzweise Zugänglichkeit war, die ‚The Money Store‚ zur spannenderen, vielschichtigeren, schlüssigeren, schlicht besseren Platte gemacht hat. Dass Ride zudem deutlich geschmeidiger in Form war, tut sein übriges, um den allgemeinen Hype um ‚No Love Deep Web‚ nicht nachvollziehen zu können.

Unter der Zugkraft von Songs wie ‚Stockton‚, der vielleicht kargsten Partyanimatiom des Jahres oder ‚Whammy‚, diesem apokalytischen Stimmungsmacher entwickelt ‚No Love Deep Web‚ früher oder aber eher später jedoch wieder eine hypnotische Sogwirkung, fasziniert wie ein besonders unappetitlicher Autounfall und fesselt über weite Strecken, reizt das Stilspektrum der Band mit nervöser Hyperaktivität aber bereits über Gebühr aus. Vielleicht ist der Zorn auf die Plattenfirma in diesem Fall also doch unangebracht, ein zusätzlicher Reifeprozess wäre nicht die ungeschickteste Idee gewesen.

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