Deathspell Omega – The Furnaces of Palingenesia

von am 10. Juni 2019 in Album, Heavy Rotation

Deathspell Omega – The Furnaces of Palingenesia

Deathspell Omega starten in ihr drittes Bandjahrzehnt überraschend einladend, behaupten sich mit dem höllischen Konglomerat The Furnaces of Palingenesia jedoch trotzdem als schwer verdauliches, zutiefst polarisierendes Enfant Terrible an der Spitze des avantgardistischen Black Metal.

Vielleicht ist es ein Zeichen der Zeit, dass selbst bei einer weiterhin auf keinerlei Transparenz setzende Band wie Deathspell Omega, bei der die Musik ohne weitere Erklärungen für sich selbst sprechen soll, kann und muss, weil die Kunst vom Künstler durch konsequente Ent-Personifizierung getrennt wird, man aktuell nicht mehr um eine politische Ebene herum kommt.
Auch, wenn es weiterhin Mutmaßungen bleiben, wer personell nebst den beiden Köpfen Hasjarl und Khoas und ihrem eventuell menschlichen Drummer konkret hinter Deathspell Omega steckt, scheint mittlerweile nicht nur erwiesen, dass produktionstechnisch nach wie vor Frank Hueso von Carpenter Brut seine Finger im Spiel haben dürfte, sondern die Franzosen eben den finnischen Nazi Mikko Aspa seit 2003 als Sänger engagieren – also seit sich Gründungsmitglied Shaxul von der Band getrennt hatte, weil Deathspell Omega aufgrund ihres bedingungslos durchgezogen Satanismus keinerlei Interesse an seiner Ideologie zeigten.

Eine Personalie, die (auch wenn der Aspa nur Erfüllungsgehilfe, Ausftragsarbeiter und gefühltermaßen sogar nicht alleinige Werkzeug am Mikrofon sein mag) in Relation zum eigenen Fantum noch weitaus schwieriger – eigentlich indiskutabel – wiegt, wie beispielsweise die Debatten um die politischen Anfälle von Morrissey oder Phil Anselmo. Wie immer gilt jedoch in derartigen Fällen, dass jeder für sich entscheiden muss, wo man Grenzen zieht.
Während 2019 stärker in den Fokus rückt, was bisher keine Rolle zu spielen schien (oder der Allgemeinheit schlichtweg nicht bewusst war) gehen Deathspell Omega den selben Weg wie die unlängst in bisweilen hysterische Konzertturbulenzen geratenen Kollegen von Mgła und folgen dem traditionellen Weg der gefühlten Grauzone Black Metal in die unkaschierte Kontroverse ohne Toleranzgrenze – und positionieren sich (auch in Ablehnung von jedweden Interviews oder Konzerten) nicht.
Selbst wenn man die Intention dahinter konsequent und radikal kompromisslos finden kann, bleibt jedoch zumindest ein Beigeschmack und die Frage im Raum, inwieweit Kunst über den eigenen moralischen Standpunkten stehen kann.

We will grant you freedom from freedom/ …/ We will burn and not explain, and this will feel ecstatic“ heißt es einmal im Verlauf von The Furnaces of Palingenesia, was dann auch als übergreifendes Credo des je nach Zählweise vierten oder siebten Studioalbums der Franzosen begriffen werden kann: Der Nachfolger zum 2016er Kurzspiel The Synarchy of Molten Bones beschäftigt sich wohl wieder mit metaphysischem Satanismus („all other interpretations of Satan are intellectually invalid“) oder antihumanistischer Kirchenkritik, handelt eventuell vom philosophischen Konzept der Wiedergeburt als mutmaßlich existentialistische Aufarbeitung von Orwells 1984. Proklamiert wird jedenfalls: „The Furnaces of Palingenesia is Janus in the midst of the 9th circle of Hell; a prophetic abomination recorded on gear ante anno 1984 vomiting 2084 in the shadows of the horns.
Zwischen unzähligen „We Shall“-dies und „We Shall“-das lässt sich so jedenfalls in den (wahlweise als Mumbo Jumbo oder übersteigerte Obrigkeits-Satire aufzufassenden) Lyrics keine rechte Positionierung in die bisher wohl berauschendes Sternstunde des diesjährigen Black Metal-Jahrganges hineininterpretieren: The Furnaces of Palingenesia zeigt Deathspell Omega 2019 (beinahe) auf Augenhöhe mit ihren besten Arbeiten, irgendwo in einem stilistischen Amalgam aller Bandphasen rund um Trademarks wie technisch versierte Dissonanz und atonal verstörendes Chaos, aber auch einer – unglaublich, aber wahr! – bisher unbekannten Zugänglichkeit, weniger Geschwindigkeit und länger verfolgten Parts, die irgendwo als Reaktion auf das Wesen von The Synarchy of Molten Bones und Drought verstanden werden können.

The Furnaces of Palingenesia ist vor diesem Hintergrund immer noch hochkomplex, aber nicht mehr undurchdringlich, sondern gemessen am Output der vergangenen Jahre ein nachvollziehbares Gateway in die beklemmende Schwärze. Die live eingespielte Platte (was auch immer das konkret bedeuten mag) drosselt das Tempo immer wieder eklatant und verpackt all den Wahnsinn in kompaktere Längen, ist unfassbar stark produziert und entfaltet als eine Kaskade aus Riffs jenseits der Tremolos und Blastbeats eine mahlstromartige Dynamik mit neuer Perspektive auf den unverwechselbaren, absolut eigenständigen Bandsound.
Ad Arma! Ad Arma! ist als eruptive Rocker mit Core- und Prog-Elementen als Vorbote längst nicht mehr aus den Gehörgängen zu bekommen, steht mit seiner vertrackten Kompaktheit, den kristallin aufplatzenden Gitarren und dem frickelnd böllernden, unbarmherzig groovenden (!) (Anti-Kickdrum)Schlagzeug und Schwefel von der Kanzel kotzenden Vokals durchaus stellvertretend für das Album, funktioniert aber im Kontext noch besser, wie die Nummer immer erhebender in die Kathedrale drängt.
The Furnaces of Palingenesi fühlt sich in dieser Ausgangslage wie ein direkter Nachfolger zu Paracletus an, reizt die dynamischen Kontrast zwischen rasend schnellen Tempi und schwerfälliger walzenden Parts organisch aus, beengend klaustrophobisch und unerbittlich in die Finsternis hämmernd, ohne in seinem technischen Anspruch verkopft zu werden. Die Optionen, die sich dabei auftun, sind immer beeindruckend, phasenweise sogar überraschend. Im melodisch schwelgenden 1523 geben sich Deathspell Omega etwa beinahe melancholisch, nachdenklich in sich gehend – und das abgekämpft schleppende You Cannot Even Find the Ruins… hofiert im Abspann eine apokalypische Schönheit über einer beinahe bluesigen Zeitlupe, geradezu versöhnlich. So hat man die Band noch nicht gehört – und diese Facette steht ihr großartig!
Mehr noch: Mit der röchelnden, theatralisch gestikulierenden Intonation und verständlichen Artikulation näher am Caverncore fällt es nicht nur hier schwer, Aspa überhaupt als Sänger zu identifizieren. Dass Deathspell Omega in ihrem eigenen Kosmos wahrgenommen werdend immer noch neue Akzente auf derartig hohem Niveau setzen können, ist beindruckend, polarisierend.

Ungeachtet dessen ist der Rest von The Furnaces of Palingenesia in kreativer Hinsicht ein Triumphzug zwischen vertrauten Extremen in neuen Schattierungen und Kontrasten. Neither Meaning nor Justice eröffnet das Pamphlet für eine neue Weltodnung als jazzig zuckernder Unruheherd unter der mit apokalyptischen Bläsern ausstaffierten Masse, entschleunigt und böse, bevor The Fires of Frustration rasend drauf lospoltert, seine Gitarrenfigur nervös aus dem Suspense in den Wahnsinn schickt, aber die Dinge erst in der zweiten Hälfte mit einem hirnwütigen Rausch zu einer hässlichen Achterbahn in permanenter Mutation eskalieren lässt: „From your mouths will flow endless rivers of black bile/ You will regurgitate the quintessence of failure/ And in the depths of the night/ Feel the warmth of equality recovering your shivering body.“
Auch Splinters from Your Mother’s Spine attackiert wieder straighter, als würde ein räudiger Hassbatzen Grindcore über sich selbst herfallen und nur die atonalen Gitarren nicht zerfleischen, während Imitatio Dei als militärischer Husarenritt mit beschwörender Geste bis in die griechische Mythologie ballert, das leider deplazierte, zerissene Absolutist Regeneration ätzend brütet und peitscht oder das überragende Renegade Ashes sich selbst zu überholen versucht, kurz sakral durchatmet und zu einem heroisch die Hymnik findenden Finale weiterhastet. Auch wenn man den kürzeren Songs der Band grundsätzlich ohnedies mehr abgewinnen kann als ihren überlangen, fällt jedoch spätestens hier auch auf, dass The Furnaces of Palingenesia seine Substanz eben doch auch phasenweise zu einfach offenbart, nicht ganz so viel Raum in der Atmophäre zu entdecken lässt, nicht immer alles Potential ausreizt.
Gerade im dritten Viertel der kohärenten Platte wirken zwar einzelne Songs wie auseinandergenommene Teilbereiche größerer Epen (wenn etwa Sacrificial Theopathy hinten raus einem geradezu poppigen Motiv Platz macht, das vom schabenden Bass von Standing on the Work of Slaves zu einem klerikalen Chant geschleppt wird), doch insofern waren die vorangegangenen Klassiker der Band vielleicht noch erfüllender oder ekstatischer. Den Franzosen 21 Jahre nach ihrer Gründung vorwerfen zu müssen, dass aber höchstens kleinere Schönheitsfehler sowie die Relation zu den noch besseren Vorgängern ein neues Meisterwerk verhindern, sei ihnen aber – ganz im Gegensatz zu anderen Aspekten der Platte – verziehen.

 

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