Dinosaur Jr. – Give a Glimpse of What Yer Not

von am 5. August 2016 in Album

Dinosaur Jr. – Give a Glimpse of What Yer Not

J Mascis ist nun stolzer VW-Besitzer und geht weezer’esk mit Bulldogge und Social Media-Star Beefy skaten. Ansonsten hat sich bei Dinosaur Jr. wenig geändert. Was natürlich alleine insofern gut ist, weil auch Give a Glimpse of What Yer Not sich damit wieder vom ersten Moment anfühlt, als hätte es die Discografie die Indie-Institution schon immer bereichert.

Auch wenn sich Mascis, Barlow und Murph damit stilistisch abermals als wertkonservative Institution des Indie erweisen, ihren melancholisch-melodisch knackigen Rocksongs weiterhin durch himmelstrahlend gniedelnde, nölende Gitarrensoli ausdehnen – also kurzum: auch für Give a Glimpse of What Yer Not keine neuen Tricks gelernt , sondern altbekannte Trademarks wieder einmal mit formvollendeter Hand variiert haben – markiert das elfte unter Dinosaur Jr.-Banner segelnde Album der Amerikaner durchaus einen Meilenstein der Bandgeschichte: Selbst in der ungestümen Anfangsphase haben Dinosaur Jr. keine vier Alben am Stück in der Originalbesetzung über die Ziellinie gebracht.
Und obwohl das ungleiche Trio seit der Reunion mit dem grandiose Doppel um Beyond und Farm sowie dem tollen I Bet on Sky stets ablieferte und mit Zwistigkeiten umzugehen gelernt hat – einen derartigen Lauf hätten wohl die wenigsten den beiden Streithähnen Barlow und Mascis zugetraut. Aber es stimmt schon: Typische Qualitätsware aus dem Hause Dinosaur Jr. ist mittlerweile – trotz und gerade auch wegen einer gewissen Vorhersehbarkeit, die im Grunde pure, liebgewonnene Zuverlässigkeit ist – zur Routine geworden, die Marke zum Brotjob.

In diesem Bewusstsein starten Dinosaur Jr. geradezu demonstrativ vital in Give a Glimpse of What Yer Not hinein, als gelte es dem Staub mit der rastlosigkeit ein Schnippchen zu schlagen. Goin Down ist ein nach vorne riffender Jungbrunnen mit eingängigen Refrain, Tiny eben ein poppunkig ausgelassen schunkelnder Hit voller Endorphine und Soli. Aus dem entspannten Jam Be Be a Part in seiner hervorgehobenen Zurückgelentheit pusht sich das Trio immer wieder mit herzgebrochener Lethargie, der flott dahinlaufende Melancholiker I Told Everyone ist eine Bank.
Ein unterhaltsamer Staffellauf durch versiertes Songwriting, das wieder energiegeladener und mit mehr Spielwitz zur Sache geht als der Vorgänger. Und das, obwohl dennoch auch ein wenig der Wurm drinnen ist. Man meint hören zu können, dass die Songs erst im Studio geschrieben wurden, als die Zeit bereits eng wurde. Im positiven (dieser stete Zug zum Tor und die wieder rauschendere Inspiration, generell die Motivation) wie negativen. Nicht, weil das Songwriting tatsächlich schwach wäre, sondern weil die Kompositionen phasenweise eben wie „nur“ grundsolide aus dem Handgelenk geschüttelte Trademarksongs klingen, die sich auf die immanente Klasse der Band verlassen, aber dabei doch das letzte Quäntchen Genie vermissen lassen, das aus einer tollen Dinosaur Jr.-Nummer eine herausragende macht.

Auch wenn die unbedingte Euphorie deswegen ausbleiben mag, wiegt der Enthusiasmus der Band in der Performance doch so vieles auf. So stehen die Chancen nicht schlecht, dass der engagierte Singalong Good to Know oder das optimistisch entspannte Lost All Day unmittelbar Zutritt in zahlreiche Fanliebling-Listen finden werden, das wunderbar intim in die Verletzlichkeit gesäuselte Knocked Around sowieso. Selbst der zartbeseitet streichelnde, doomig bratzende Stoner-Ausflug I Walk for Miles unterstreicht etwas ungelenk den nimmermüden Legendenstatus der Band – nur Mirror lässt Dinosaur Jr. dann doch erstmals so alt klingen, wie sie mittlerweile sind.
Die eigentliche Problemzone der Platte liegt letztendlich aber ohnedies anderswo – nämlich bei den beiden Barlow-Songs: Love Is… dümpelt mit folkiger Gemütlichkeit dahin, während Left/Right als Rausschmeißer gar zu träge die kleinmütige große Geste suchend ohnedies mit einem unnötig laschen Beigeschmack entlässt.
Dass nach Brace the Wave nur noch leidlich Barlow-Inspiration übrig geblieben ist, darf dennoch verneint werden. Viel eher scheint es an der geänderten Bandchemie zu liegen: Mascis hat für die beiden Nummern den Bass übernommen – und plötzlich fehlt es an der Dynamik, Spannung und auch Magie, die dieses Gespann ausmacht. Was dann irgendwo suggeriert, das Experimente bei Dinosaur Jr. eventuell ja einfach nicht so recht aufgehen wollen und das eingespielte Trio wohl doch zu jenen Kombos gehört, die immer dann am besten sind, wenn sich am wenigsten ändert.

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