Dinosaur Jr. – I Bet On Sky

von am 11. September 2012 in Album

Dinosaur Jr. – I Bet On Sky

Im dritten Anlauf seit der Reunion 2005 samt zwei ihrer stärksten Alben überhaupt im unmittelbaren Rückspiegel müssen Dinosaur Jr. längst niemandem mehr etwas beweisen. ‚I Bet On Sky‚ kann es sich deswegen leisten, sich erst einmal gemütlich zurückzulehnen – und danach annähernd abwechslungsreiches durch ihren Trademark-Sound in Richtung neuerliches Discography-Highlight zu treiben.

Wer also dachte, Chefmatte J Mascis und die seinen – nun auch schon eine längere Zeitspanne wiedervereint als ursprünglich zusammen – wären ihre Songs ohnedies immer schon entspannt angegangen, dem erteilt ihr mittlerweile auch schon zehntes Studioalbum (oder zumindest das ebensovielte unter dem Dinosaur Jr.-Banner laufende) gleich mal eine Extralektion: klangen die ehemaligen Streithähne in ihrer Hass-Liebe ansonsten, als würden sie ohnedies relaxt im Studio abhängen, während ihre Songs entstehen, haben sie mittlerweile einen Grad an Perfektion in dem erreicht, was sie nuneinmal immer und auch diesmal wieder tun, in dem es nicht verwundern würde, wenn sie ihre urtypischen Songs ganz ins Sofa geflenzt eingespielt hätten. Ein gGetriebene Riffrocker wie ‚Pierce the Morning Rain‚ ist in seiner Dringlichkeit jedenfalls die Ausnahme von der Regel. Sonst eben die Beine hochlegen und heftig Kopf nicken bis der Schweiß fließt.

So gönnen sich Mascis, Barlou und Murph zu Beginn vier jedwede Erwartungshaltungen bedienenden Songs, ehe es tatsächlich wirkt, als würden sie zumindest ansatzweise aus ihrer Haut kommen. ‚Rode‚ rüttelt als munter polternder Slacker-Power-Polka-Poprocker das Geschehen kurzzeitig aber umso hellhöriger auf. Was Barlow da geritten hat weiß er wohl selber nicht, Mascis schon gar nicht, er kniedelt trotzdem so energisch wie virtuos dazu wie immer. Natürlich ist das in seiner obskuren Rolle nicht weniger konstant als das restliche Material, aber doch die nötige Spur weniger typisch. Auch die zweite Nicht-Mascis Nummer, ‚Recognition‚, ein sich selbst immer wieder stoppender Rocker, fällt in Ambition aus dem Rahmen aber erhascht das  routiniert von Mascis verteilte Qualitätssiegel problemlos.

Den restlichen Weg pflastern Dinosaur Jr. dazu ausnahmslos mit jener Art Hits, wie nur Dinosaur Jr. sie schreiben können: melancholisch am geschmeidigen Reibeisen genölte Rocksongs, an allen Ecken ausgefranst und charmant ungekämmt, mit endlosen, leidenschaftlichen Gitarrengekniedel von Meister Mascis in Hochform und einer Rhythmusgruppe, die so nachdrücklich tut, was eben getan werden muss. Der Fokus ist dennoch etwas schärfer als noch auf ‚Farm‚ eingestellt, knackigere Songs werden zärtlich an der Leine ausgeführt. ‚Watch the Corners‚ klingt deswegen wie ein schmuck gepflegtes, übriggebliebenes Highlight des vorangegangenen Songwritingtriumphzugs, hat räudige Riffs neben der allgegenwärtigen Sehnsucht parat, ist also die Art von Song, für die Bands wie Yuck  ihr Leben geben würden. ‚Almost Fare‚ nimmt sich hingegen gar das Recht heraus, ein geradezu niedlicher Gute-Laune-Song im Popmodus der Band zu sein. Dessen leise Mellotrontöne ganz unten im Mix überraschen natürlich mehr als das pünktlich einsetzende Solo, dabei haben die drei Junggebliebenen bereits dem überragenden Eingangsfeuerwerk ‚Don’t Pretend You Didn’t Know‚ nicht nur ein ebensolches -allerdings eigentlich sogar noch prominenter in Szene gesetzt –  gegönnt, sondern zudem gleich noch liebliches Piano hinterherstolpern lassen. Gimmicks, die sich nur allzu gesellig in die vertraute Dreisamkeit einfügen und dem traurig träumenden ‚Stick a Toe In It‚ mit The Stooges-Piano-Stoizismus sogar noch zusätzlichen Drive verleihen.

Momente, in denen Dinosaur Jr. etwas wie Variation in ihren sich niemals abnützenden Alternativerock bringen. Wie auch die hämmernden Cowbells im Fuzz-Ungetüm ‚I Know It Oh So Well‚ nur zu gerne bezeugen. Freilich Bagatellen, hier aber ansatzweise der Mut zum Experiment. Wodurch ‚I Bet On Sky‚ neben seiner friedlicheren Produktion paradoxerweise irgendwann doch den Touch des vielleicht abwechslungsreichsten, aber auch melodieverliebtesten Albums seit der Reunion bekommt.
Und Dinosaur Jr. sich damit eben doch wieder aufs neue  mit traumwandlerischer Sicherheit als ihre einzig sinnvollen Erbverwalter beweisen, die nach wie vor als Fels in der Brandung des Rock herhalten. Dass sie dabei nicht nur mit immer stylisheren Coverartworks auf den Kopf greifen lassen, sondern insgeheim eigentlich – ‚Bug‚ hin, ‚You’re Living All Over Me‚ her – unerklärlicherweise irgendwie auch immer (noch) ein bisschen besser werden in dem was sie tun, kann man sich ruhig eingestehen. Deswegen spiegeln die vorhandenen 45 Minuten auch nicht unbedingt die Aussage des ewigen Grantlers Mascis wieder, andere Projekte (Witch, Heavy Blanket) würden ihm eigentlich weitaus mehr Spaß machen als Dinosaur Jr., nur wolle dies eventuell eben niemand hören. Denn für eine Platte wie ‚I Bet On Sky‚ braucht es sicher auch einen konditionierten Pragmatismus – aber ohne Leidenschaft und bedingungslose Hingabe entsteht sie auch nicht von selbst.

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