Dreadnought – Bridging Realms

von am 15. September 2015 in Album

Dreadnought – Bridging Realms

Einen treffenderen Titel hätten Dreadnougt ihrem Zweitwerk kaum geben können: Auf ‚Bridging Realms‚ verfeinert das Quartett aus Colorado sein rudimentär inmitten von Folk, Progressive Rock, Doom und Post-(Black)-Metal zwischen allen Stühlen schwebendes Stilamalgam noch einmal.

Vor allem haben Dreadnought verstanden, dass ihnen die freundlicheren Momente einfach verdammt gut stehen. Im direkten Vergleich zum Vorgänger ‚Lifewoven‚ wurden die harschen, Black Metal affinen Parts also gekürzt und der Härtegrad  generell hinuntergeschraubt. Heavy gewalzt, bebolzt und markerschütternd gegrowlt darf vereinzelt trotzdem noch werden, sogar gleich im Opener ‚Ode to Ether‚. Der unterstreicht ohne Berührungsängste dann auch schnell, dass die Verweigerung jeglichen Schubladendenkens wichtiger denn je für Dreadnought ist und dementsprechend einen elementaren Grundbaustein von ‚Bridging Realms‚ darstellt: ‚Ode to Ether‚ beginnt also, als hätte das Kilimanjaro Darkjazz Ensemble seine Trompeten in eine lauschige Ecke mit Flöten und Mandolinen gestellt, was dann zu gleichen Teilen jazzig und folkig wirkt, sogar ein psychedelisch bluesiges 70s-Flair versprüht. Irgendwann ist das dann doch eher wieder Oldschool-Doom mit keifenden Hexen-Vocals von Kelly Schilling, bevor ein Piano den Song beruhigt und den Weg für den verletzlichen Klargesang von Lauren Vieira in den Lounge-Modus ebnet, über progressives Drumming reiten Dreadnought plötzlich dahin. Unvermittelt sind in diesem Rausch zehn Minuten verflogen, ohne das Gefühl zu vermitteln, dass sich die Band für diesen genreverbindenden Veitstanz auch nur ansatzweise verbiegen hätten müssen – und festnageln lässt sich das Quartett auch in den danach verschweißten Ausflügen nicht.

Der smoothe, leichtfüßige Varietee-Gang von ‚Odyssey‚ verrückt sich in immer bedrohlicher brodelnde gefilde, als würde Myrkur eine Kooperation mit Jessica Pratt einspielen, eine vergiftete Streicheleinheit also: Verträumter Fahrstuhl-Pop ist da in Windeseile zu Metal umgeformt und Crippled Black Phoenix gedanklich mit SubRosa und Jethro Tull in einen Proberaum verpflanzt. Was sich am Papier bemüht und anstrengend lesen mag, ist es überraschenderweise jedoch nicht – weil auf ‚Bridging Realms‚ alle Versatzstücken so organisch und natürlich ineinander fließen, dass es auch beinahe nebensächlich erscheint, dass Dreadnought selbst nicht zu jedem Zeitpunkt unverrückbar zu wissen scheinen, wo sie mit ihrem bisweilen etwas unentschlossen um seine gedanklichen Eckpfeiler mäandernden Grenzgang hinmöchten. Spätestens das zwischen Black Mountain, The Devils Blood und den Blues Pills retroverliebt platzierte ‚Minuet De Lune‚ (mit sechs Minuten Spielzeit der mit Abstand kürzeste Song der Platte) führt jedoch auch vor, dass die Produktion von ‚Bridging Realms‚ durch seine permanente Beweglichkeit bisweilen etwas dünn für die an sich beschworene Wucht ausfällt und der Gesang der beiden Frontfrauen, wenn er soulig angeraut zupacken möchte, (noch) nicht die emotionale Schlagkraft etwaiger Nahverwandter entwickeln kann.

Es ist also weniger der verweigerte Fokus, der ‚Bridging Realms‚ vor den wirklich großen Momenten bewahrt, als die Tatsache, dass Dreadnought zu oft zu wenig zwingend um ihre Kompositions-Jams mäandern, die Dinge nicht am Kragen packen, sondern die Möglichkeit, sich freigeistig um die Dinge treiben zu lassen stets über konkrete Songwriting-Zuspitzungen stellen. Was eben die weniger Metal-orientierten Szenen am rundesten erscheinen lässt. Vielleicht funktioniert er gerade deswegen so gut, der traumwandelnde Sphärengesang im malmend rockenden ‚Transpiration‚ oder der federleicht betörende Blastbeat im zärtlich gespielten abschließenden Titelsong.
Weil sich hier eine atmosphärische Leichtigkeit entwickelt, in die sich Hörer und Band gleichermaßen fallen lassen können. Aber auch über die besten Phasen hinausgehend macht ‚Bridging Realms‚ noch deutlicher klar als schon ‚Lifewoven‚: Man hat es hier schlicht mit einer außergewöhnlichen – sicherlich enorm polarisierenden –  Band zu tun, deren Konturen vielleicht noch nicht scharf genug sind und deren Sound noch reichlich Optimierungspotential bietet – die aber bereits jetzt erkennen lassen, mit kreativ überbordender Visitenkarte nicht nur einem Genre eine veritable Blutauffrischung verpassen zu können.

07Vinyl LP | CD | Download via Bandcamp

Print article

4 Trackbacks

Kommentieren

Bitte Pflichtfelder ausfüllen