Dry the River – Shallow Bed

von am 2. März 2012 in Album

Dry the River – Shallow Bed

Das wahrscheinlich heißest herbeigesehnte Folkrock Debütalbum des Jahres kocht zwar auch nur mit Wasser. Dry the River würzen ‚Shallow Bed‚ aber derart geschickt, dass hier keine Vorschusslorbeeren verschwendet wurden.

Eigentlich  kommen Dry the River ja zu spät. Platzen in die aus der Nische gewachsene Königsliga, deren qualitative Enden durch Fleet Foxes bzw. Mumford & Sons schon so ergiebig abgedeckt sind und beackern ein Genre, in dem sich unter anderem Band of Horses zuhause fühlen und das Bon Iver so perfekt beherrscht. Selbst abseits der großen Hypes hat die “New Wave of Modern Folk (Rock)“ unzählige (verzichtbare) Bands ausgespuckt. Dass da dennoch Platz für Neulinge bleibt, beweisen nun fünf Mehr-oder-Minder-Engländer – genauer schicken sich Dry the River sogar an, nicht eine Band unter vielen zu werden – die wollen mehr, am besten gleich alles: Ekstatische Menschenmassen sollen eine Musik huldigen, die elendslange Bärte und Holzfällerhemden ausdrücklich forciert, das Kaminfeuer ebenso fordert  wie kehlige Stimmbänder fördert. Nach tollen EPs, gefeierten Livekonzerten und einer Vita, die den feuchten Traum eines jeden Pr-Menschen darstellen dürfte (Katholizismus! Punk! Obdachlosigkeit! Klassik-Ausbildung! Zuwanderung! BBC Hotlist 2012!) kann ‚Shallow Bed‚ nun die in die Höhe gehievten Erwartungshaltungen tatsächlich problemlos stemmen. Und das mit einer Leichtigkeit.

Die kleinen, beschaulichen Folksongs, die Bandchef Peter Liddle für seine energische Kopfstimme erdacht hat – irgendwo stecken sie noch drinnen, in den hohen, sakralen Songs, die ‚Shallow Bed‚ nun ausmachen. Das beginnt zumeist beschaulich und schaukelt sich doch schnell hoch, wo die Rhythmussektion eigentlich zu aggressiv für das Genre gurgelt, Gitarren sich immer weiter pushen und Songs wie das alles überragende Wahnsinnsfinale ‚Lion’s Den‚ früher oder später einfach von aller Dramatik der Welt überrannt werden und doch glückselig grinsen. Die stets präsente Geige jubiliert melodramatisch, Liddle schmachtet dazu böse Gedanken: “You descended, I amended and I needed like a hole in the head“. Und plötzlich schmeißen sie den Verstärker doch noch einmal an, es wird geschrien, irgendwann entern Bläser das Crescendo: Dry the River gelingt mit dem Schlusspunkt die ultimative Inszenierung ihrer Ambitionen, da kettet sich ein finaler, fulminanter Moment an den nächsten; das bringt auch das Wesen der Band perfekt auf dem Punkt: Dry the River machen es nicht unter der Hymne, sind vielleicht die Bombastband, für die My Morning Jacket die Wut fehlt. Das ist intimer Sturm und Drang, in aller Opulenz bricht das wie ein Gewitter über die Weite Amerikas her, obwohl Dry the River ja nur so klingen, als kämen sie von dort. Selbst wenn Liddle die Sache alleine mit Akustischer dirigiert brodelt es steht’s gehörig unter der Oberfläche.

Peter Katis (u.a. The National) versteht es als Ringrichter vorzüglich, die Ecken und Kanten der Band beizubehalten, das Biest in ihren Songs nicht zu erlegen und dennoch der Zugänglichkeit die Krone aufzusetzen. Der Mumford & Sons-Vergleich hinkt nur deswegen, weil Dry the River schlichtweg um ein vielfaches besser sind als die Uffta-Band mit Banjo. Unangebrachte Seitenhiebe außen vor gelassen, ist es jedoch vor allem die Erkenntnis, dass Dry the River so eloquent  und spielend nachlegen konnten, die begeistert: Die vorab bekannten Nummern wie ‚New Ceremony‚, ‚Bible Belt‚, ‚No Rest‚ oder das herzzerreisende ‚Weights & Measures‚ sind immer noch astreine Hits – dringlich, drückend, wimmernd und wunderbar pathosgeschwängert wie nur was – die sich wider Erwarten einfach nicht abnutzen wollen. Aber die bisher nur im Livegewand erschienene Songs wie der Sambacountry von ‚The Chamber & The Valves‚ oder das einfühlsame Rührstück ‚History Book‚ machen ihre Sache auf Platte dann irgendwie sogar noch schöner, prägen die softe Seite der Gruppe aus. Da werden Dry the River zur unwattierten  Wohlfühlband- freilich nur, um im nächsten Moment wieder auszutreten. ‚Shallow Bed‚ verteilt großzügig Zuckerbrot und Peitsche, ist gleichermaßen wunderschön wie eine unterschwellig aufgewühlte Machtdemonstration, die bedrohliche Erhabenheit des Albumcovers spiegelt sich in den knapp fünfzig Minuten eindrucksvoll wider. Das ist Musik, die in aller Vehemenz nach Abspännen in Filmen verlangt und im Stadion gut aufgehoben ist. Aber eben nicht vergisst, auch die zurückgenommene Stütze am einsamen Sofa machen zu können. Und in dieser Funktion fast noch besser ist.

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1 KommentarKommentieren

  • Christopher - 2. März 2012 Antworten

    So nach meinem Gefühl, passt die Punktevergabe nicht ganz zu der sehr euphorischen Rezension, die mir große Lust auf das Album gemacht hat! Aber was weiß ich schon…

    PS: Erstes Kommentar! *epic*

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