Dylan Carlson – Conquistador

von am 1. Mai 2018 in Album

Dylan Carlson – Conquistador

Nachdem die Kollaboration Concrete Desert mit The Bug im vergangenen Jahr die Grenzen des Bandkontextes für Earth ohnedies aufgeweicht hat, stemmt Dylan Carlson das Gewicht seines Mutterschiffs auf Conquistador nun gleich ohnedies beinahe im Alleingang.

Abgesehen von einigen wenigen, subtil bis zur Unsichtbarkeit in das Geschehen eingeflochtenen Beiträgen von Emma Ruth Rundle (an einer allgegenwärtigen zusätlichen Gitarre), Covergirl und Ehefrau Holly (vertreten durch vereinzelte Percussion-Elemente) sowie Produzent Kurt Ballou, stemmt der 50 Jährige Drone-Pionier Carlson vier lange Jahre nach dem fabelhaften Primitive and Deadly die Last von Earth auf seinem (je nach Zählweise) zweiten reinen Soloalbum ohne jedwede Hilfe, verlässt dafür aber nicht unbedingt die Pfade seiner Stammband.
Conquistador setzt sogar vielmehr dort an, wo Primitive and Deadly im Jahr 2014 entließ, subtrahiert allerdings dessen progressiv zur Konventionalität hin orientierte Rhythmussektion sowie die stereotypen Gesangselemente. Damit denkt Carlson das generelle Wesen der Earth-Discografie nach 2000 weitestgehend ausnahmslos auf elektrische Gitarren reduziert durchaus fokussierter und entschlackter als zuletzt sogar gewissermaßen zurück zu den archaischen Wurzeln der Genrebegründer. In seiner minimalistischen Veranlagung (und nach vorne blickenden Auslegung) ist Conquistador damit vielleicht irgendwo sogar als Schluss des Kreises zu verstehen.

Auch inhaltlich dreht sich der gedanklich durch Texas und New Mexico, durch Kalifornien und Joshua Tree wandernde „immaginary western“ als ein um Schuld und Sühne kreisendes Werk um sich selbst. Ein massives, melodiöses oder filigranes Riff bildet stets die Grundidee eines jeden Songs, dessen Fährte Carlson dann mit einer stoischer Geduld verfolgt, zermürbt, austrocknen lässt und später wieder mit neuer Energie vor sich hertreibt. Das kann wie im eröffnenden Titelsong ausnahmsweise bis zu 13 Minuten dauern, die zu einer repetitiven Odyssee ausarten, und damit genau das erschöpfende Element forcieren, dass auch Earth benötigen, um ihre größten Songs wachsen zu lassen.
Sitzt Carlson alleine im Sattel, ist er jedoch auf Sicht merklich an kompakteren Streifzügen durch die Gefilde eines reverbschweren Skelett-Country, kargen Instrumental-Americana und fuzz-infizierten Bluesapokalypsen interessiert, variiert seinen MO nur um Nuancen um den wettergegärbten Kern eines asketischen Songwritings, weiter draußen im Outlaw-Gebiet als Wrekmeister Harmonies oder Duke Garwood.

Das beinahe harsche When the Horses Were Shorn of Their Hooves wächst etwa näher hin zum klassischen Doom, hofiert einen räudiger wirkenden Badass-Vibe und wandert immer weiter in die wüstenstaubige Noir-Romantik mit psychedelischem Anstrich. Das Interlude And Then the Crows Descended ist hingegen eine durchatmende Klanginstallation aus Ambient und Score, bevor Scorpions in Their Mouths mit einer – relativ gesehen, natürlich! – so knackigen Gitarrenarbeit aufwartet, dass die Nummer deswegen mit einer straighten Rhythmusabteilung im Rücken und etwas Speed im Tempo erstaunlich mühelos zum fies bratzenden Rock umgebaut werden könnte. Das würdevoll die Last des Lebens tragende Conquistador fordert jedoch Konzentration, Kontemplation, Ausdauer.
Das abschließende Reaching the Gulf öffnet sich aus dieser Ausgangslage kommend nahtlos einer größeren Weite, streunt über eine Prärie, die so sehnsüchtig, traurig und melancholisch nachdenkt, die Stimmung aber dennoch versöhnlich lockert und mit einem vagen Optimismus entlässt.

Genau dieses unvermittelte Ende mit seiner nicht restlos auslaugenden Formlosigkeit kann irritieren – weswegen die japanische Version von Conquistador mit dem Bonustrack Puente de los Suspiros auch das in sich geschlossenere Werk im Ganzen sein könnte, während die reguläre Version durchaus schlüssig, aber durch seinen fragmentarischen Charakter weniger erfüllend funktioniert.
Nichtsdestotrotz ist es auch die enorm kurzweilig dosierte Spieldauer von 33 Minuten, die dem ohne Bruchstellen in den Kanon von Earth einfügbaren Conquistador eine individueller angerissene Eigenheit gibt. Vielleicht ist es symptomatisch, dass für den Bandvorstand Carlson am Ende seines Streifzuges ohne Earth keine erfüllende Epiphanie stehen darf: Die Strukturen alleine wollen hier keine Erlösung anbieten, sondern mit atmosphärischer Dichte versetzen, um in Trance versetzt zu reflektieren, sich mit simplen Mitteln universellen und zeitlosen Mustern zu stellen. In gewisser Weise wirkt Carlson damit trotz einer verwehrten Formvollendung mehr denn je wie der Cormac McCarthy des Drone/Doom/Instrumentalrock.

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