Eminem – The Marshall Mathers LP2

von am 8. November 2013 in Album

Eminem – The Marshall Mathers LP2

Dass die vollmundigt betitetlte ‚The Marshall Mathers LP2‚ tatsächlich das beste Album des Rappers seit gut einem Jahrzehnt darstellt muss in diesem Kontext freilich nichts mehr bedeuten: Eminem legt sich die Latte für sein achtes Studioalbum mutwillig hoch und scheitert aus verschiedenen Gründen an der selbstauferlegten Bürde dem Meisterwerk von 2000 endlich einen würdigen Nachfolger zu schenken.

Ein solcher war schon das solide ‚The Eminem Show‚ von 2002 nicht, ganz zu Schweigen vom Material der inspirationslosen Tiefphase von 2004 bis 2010, von ‚Encore‚ bis ‚Recovery‚. Alles Schnee von gestern möchte man meinen, doch die mutwillige(n) Referenz(en) zum 13 Jahre alten Geniestreich beschwören da natürlich von vornherein so irrationale wie übertriebene Erwartungshaltungen herauf – mit denen sich Eminem nun auch konfrontiert sehen darf; an denen er (natürlich) zwangsläufig scheitern muss. Deswegen die guten Nachrichten auch gleich vorweg: ‚The Marshall Mathers LP2‚ zeigt einen deutlichen Qualitätsanstieg zu den Machwerken des letzten Jahrzehnts, zeigt Slim Shady phasenweise in geradezu schwindelerregender Topform wenn es darum geht sein schmaloses Mundwerk in ein Maschinengewehr zu verwandeln, knüpft immer wieder an den atemlosen Flow und den Einfallsreichtum alter Großtaten an. Dass er dabei zwischen brillianten Wortspielen, bewährtem Gedisse und augenzwinkernder Selbstbeweihräucherung kaum neue Facetten in der Themenpalette integriert und gerne auch in ein reines Schaulaufen seiner Skills verfällt gerät angesichts solcher Hochleistungsdarbietungen wie eben (im trotz Billig-Beat) auftrumpfenden ‚Rap God‚ beinahe in den Hintergrund.

Noch höher als der Vorabtrack legt die Latte dabei eigentlich nur das eröffnende ‚Bad Guy: wie sich Eminem um den anschmiegsamen Chorus von Sarah Jaffe immer weiter in Rage steigert, ‚Stan‚ mitnimmt und weiterspinnt, und alles in einem Finale aus dramatischen Streichern und marschierenden Drums kulminieren lässt, das ist über 7 Minuten praktisch stärker als alles, was man dem Mann aus Detroit noch zugetraut hätte.
Allerdings ist ‚The Marshall Mathers LP2‚ in weiterer Folge eben auch eine Platte vieler falscher Entscheidungen. Dass sich Mathers in den Refrains zu oft auf absolut austauschbare Schmuseparts verlässt (etwa in ‚Monster‚ mit der wie immer verzichtbaren Rihanna, dem ach so selbstironischen ‚Asshole‚ mit Skylar Grey‚ oder dem an sich nett am Softrock entlangschunkelnden ‚Headlights‚ mit Vocoderstimme Nate Ruess) etwa, auf schwachen Beatarbeiten aufbaut oder dass er sein achtes Studioalbum generell zu weit in einen oberflächlichen, überproduzierten Popkontext lenkt und der ‚The Marshall Mathers LP2‚ damit auf Dauer allzu viele Kanten abschleift. Der gesungene Refrain des ‚Stand by Me‚-Klons ‚Rhyme Or Reason‚ ist da in dieser Hinsicht noch Geschmackssache, aber auch die erste – und bezeichnenderweise noch beste – Zusammenarbeit mit Altmeister und ‚Yeezus‚-Kumpel Rick Rubin auf ‚The Marshall Mathers LP2‚: eine Konstellation, die so einfach nicht zündet.

Berzerk‚ will als Hommage an die mittelfrühen Beastie Boys verstanden werden, ist aber bloß eine seltsam altbacken daherkommende Partysause mit fehlgeleiteten E-Gitarren. ‚So Far…‚ greift als mutmaßlich proggy zwischen den Stühlen sitzender Rock-Rap ohne Stilgefühl nach Copy-Paste-Prinzip sogar in den Fundus von Kid Rock. Etwas besser aber weit hinter den Möglichkeiten bleibt dann auch (das wie vieles auf ‚The Marshall Mathers LP2‚ viel zu lang geratene) ‚Love Game‚ mit Shooting Star Kendrick Lamar, wenn Rubin den beiden Ausnahmerappern ein grundsätzlich interessantes Pop-Konstrukt im 50s-Shuffle aufdrängt, sich aber gleichzeitig für einen nervtötenden Space Jam-Nachfolger zu bewerben scheint. Ein zwiespältiges Vergnügen, vor allem ein aus dem restlichen Rahmen fallendes. Und wohl nicht alleiniges Verschulden der behaarten Produzentenikone Rubin, weil auch EmileSurvival‚ alleine durch ein einziges kraftlose Gitarrenriff samt einfallslosem Beat als gute Idee abnicken durfte.

Während der ehemals als Dr. Dre bekannte kopfhörerproduzierende Hulk ‚The Marshall Mathers LP2‚ also als Executive Producer aussitzt dehnt Eminem sein Album mit seiner Horde an Unterstützern daneben zwischen durchaus gelungener Leistungssteigerung und mediokrer Bagatellen aus. Wo ‚So Much Better‚ also wie eine angenehm unkomplizierte Wiederbelebung des alten Humors daherkommt und ‚Brainless‚ durchaus frisch ins Ohr stolpert verliert sich Eminem gleich darauf wieder im balladesken Schulterklopfer ‚Stronger Than I Was‚ etwas zu weit in der Versöhnlichkeit und kann vor allem im abschließenden ‚Evil Twin‚ abseits seiner technisch einwandfreien Performance und etwaiger giftiger Seitenhiebe keine Akzente setzen.
Letztendlich eine zweischneidige Pseudo-Fortsetzung: einerseits beinhaltet ‚The Marshall Mathers LP2‚ viele der stärksten Shady-Momente seit Jahren, andererseits stehen diese (vor allem produktionstechnisch) weiterhin in keiner Relation zu seiner atemberaubenden Hochphase um die Jahrtausendwende: und den Vergleich damit hat Mathers selbst provoziert. Ein würdiger Nachfolger zu der ‚The Marshall Mathers LP‚ ist dieser 80 minütige Songreigen damit – erwartungsgemäß – zu keinem Zeitpunkt, und die Namenswahl somit natürlich der – zu erwartende – Schuss ins eigene Knie. Dennoch darf man einen gut aufgelegten, über zumeist ermüdend uninspirierter Beat-Stangenwahre thronenden Eminem hiernach zumindest wieder auf der Rechnung haben. Was immerhin mehr ist, als man dem Detroiter noch vor drei Jahren zugestanden hätte.

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