Godspeed You! Black Emperor, Mette Rasmussen [23.11.2019: Dom im Berg, Graz]

von am 25. November 2019 in Featured, Reviews

Godspeed You! Black Emperor, Mette Rasmussen  [23.11.2019: Dom im Berg, Graz]

Mag die Magie der mutmaßlich wichtigsten Postrockband aller Zeiten nach ihrem Comeback über ‘Allelujah! Don’t Bend! Ascend! (2012) und Asunder, Sweet and Other Distress (2015) zuletzt mit Luciferian Towers (2017) etwas verblasst sein, macht man mit dem Konzertbesuchen einer Godspeed You! Black Emperor-Tour freilich weiterhin nichts falsch.

Immerhin ist alleine der unter die Haut gehende Sound dieser Band absolut einzigartig (und an diesem Abend auch im Dom im Berg im speziellen fabelhaft definiert, mächtig und detailliert in Szene gesetzt), umspült als apokalyptisch dichte Ganzkörpererfahrung wahrhaftig ikonisch. Dräuend und unheilschwanger wachsen da physisch spürbare, hypnotisch die Lautstärke, Intensität und Nahbarkeit variierende Monolithen, wie das auf diesem unmittelbar fesselnden Niveau sonst nur weniger Kaliber – wie etwa Sunn O))) oder Swans – erzeugen können.
Mit welch einer majestätischen Opulenz Godspeed You! Black Emperor ihre fulminanten Postrock-Epen aus dem Drone heraus zu tonalen Kathedralen schichten, ist jedenfalls auch knapp zwei Dekaden nach ihren Pionier-Meisterwerken im Grunde beispiellos und nicht nur auf nostalgischer Ebene ein pures, erhebendes Erlebnis ohne Überraschungen.

Godspeed Live 2

Außer vielleicht jener, dass sich das Material von Luciferian Towers auf der Bühne (wie grundsätzlich alle Nummern der Band) live doch viel zwingender funktioniert und im Kanon mit neuen Stück(en?) und einem abschließenden Klassiker die Setlist auch ohne Nostalgie-Sicherheit mit absoluter Klasse stemmt.
Nach dem obligatorischen Opener Hope Drone, der sich hier ohne feste Dogmen erst heimlich still und leise in den Raum des ausverkauften, aber sehr angenehm gefüllten Dom im Berg ausbreitet, nach und nach weitere Bandmitglieder auf die Bühne holt und zu einem ersten fulminanten Klimax des Abends anschwillt, lebt das marschierende Anthem for No State etwa explizit von der Kraft der jeweils doppelt besetzten Rhythmussektion, sowie den schier übermannenden Flächen dreier Gitarren, während die Dringlichkeit einer perfekt eingespielten Band nicht nur hier fast schon punkig angepeitscht auftritt.

Godspeed Live 3

Zusätzlich Eindruck schinden Godspeed You! Black Emperor, als sie sich für die überlang zusammengeführte Melange aus Fam/Famine und Undoing a Luciferian Towers Mette Rasmussen mit an Bord zur Verstärkung holen.
Die in Trondheim lebende Dänin hat den Abend bereits im Spannungsfeld aus jazzigen Improvisationen sowie atonalen Avantgarde-Experimente eröffnet und damit das (auch praktisch veranlagte) Faible des kanadischen Kollektives für Bläser-Support bestätigt. Ihr Set entlässt dabei vielleicht nicht derart staunen machend wie das in der Vergangenheit etwa Colin Stetson in der selben Rolle gelang, fesselt aber durchaus faszinierend. Dass sich die Graz-Expertin Rasmussen nur mit ihrem Altsaxophon bewaffnet erst betont sperrig gibt, sich dann über eine mit Delays in die Psychedelik abtriftenden Nummer am Ende auch an Bass und Schlagzeug Verstärkung von der Hauptband (in Person von Thierry Amar und Timothy Herzog) für einen zum rumorenden Noiserock-Jam holt, tut sein Übriges, um das Publikum für sich zu gewinnen. Warum ihre phasenweise ausgestoßenen Schreie im körperbetont fiebrigen Spiel trotz der verzweifelten Katharsis vereinzelt als amüsantes Element aufgenommen werden, bleibt dagegen ein Rätsel.

Mette Rasmussen Live 1

Mette Rasmussen Live 2

Jedenfalls revanchiert sich Rasmussen eben später für den ausladenden Mittelteil des Hauptsets wirft ihr Instrument in das orchestrale Sperrfeuer von Godspeed You! Black Emporer, das sich aus der Kakophonie in den Groove der puren Schönheit aufbaut und die unerschöpfliche Tiefenwirkung des Signature Sounds so hingebungsvoll wie erschöpfend vermisst.
Drumherum tummelt sich neues Material, das in der Wahrnehmung jedoch verschwimmt. Subjektiv stimmt die auf Setlist.fm wiedergegebene Songfolge des Abends deswegen auch nicht ganz – kurz vor Schluss schleicht sich mit ziemlicher Sicherheit Cliff in das Programm. Auch wenn die etwas zu beiläufige Nummer nicht das Volumen erzeugt, das man aus Bootlegs kennt.
Wichtiger ist aber vielleicht ohnedies, dass Godspeed You! Black Emperor mit dem anderen gespielten Song, dem fabelhaften Glacier, ganz großes Kino für das vierte Studioalbum nach dem Comeback skizzieren, indem sie einen wahnwitzigen Drive fast schon in die manischen Outlaw-Grenzbereiche von Earth pilgern lassen.
Auch wenn sich am anderen Ende mit dem East Hastings-Teilstück The Sad Mafioso – von den allesamt bestuhlt sitzenden Gitarristen Mike Moya, Efrim Menuck und David Bryant mit Schraubenziehern aus den vor Feedback, Dissonanz und Chaos knarzenden Saiten voller Störgeräusche geboren – ein Fanpleaser der unsterblichsten Sorte auftürmt, zu dem das Oktett die (durch die durchgängigen Videoinstallation) in Flammen stehende Bühne im ewig nachhallend-ersaufenden Drone verlassen, ist man nach knapp 2 Stunden purer, befriedigender Makellosigkeit geneigt ohne Überlegung geneigt zu attestieren: Godspeed You! Black Emperor sind vielleicht nicht mehr die innovativste Postrockband dieses Planeten, der Maßstab für das Genre sind sie als seine wohl weiterhin wichtigste eventuell jedoch nach wie vor.

Setlist:

Hope Drone
Glacier
Anthem for No State
Fam/Famine
Undoing a Luciferian Towers
Cliff
East Hastings: The Sad Mafioso

Godspeed Live 09

Godspeed Live 10

Gospeed Live 11

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