Green Day – ¡Uno!

von am 20. September 2012 in Album

Green Day – ¡Uno!

Der Auftakt der über die nächsten Monate vervollständigt werdenden Album-Trilogie ist für sich genommen die Rückkehr von Green Day zur Genügsamkeit im Songwriting, die Abkehr von der erdrückenden Konzeptlastigkeit im Mikrokosmos ‚¡Uno!‘ verleiht den Kaliforniern dazu eine lange nicht mehr gehörte Leichtigkeit. Aber eben auch eine gravierend zwanglose Beliebig- und Belanglosigkeit.

¡Uno!‚ macht Laune. Womit beinahe alles über das neunte Studioalbum jener Band gesagt ist, die unter der Konzeptlastigkeit ihrer „Rockoper„-Ambitionen schon auf ‚21st Century Breakdown‚ zu ächzen begann. ‚¡Uno!‚ reduziert die im letzten Jahrzehnt zur megalomanisch angeschwollene, politisch effekthascherisch aufgeblähte Rockband für Alles und Jeden auf den ursprünglichen Grundgedanken, catchy Pop(doppelt unterstrichen!)-Punkrock mit Ohrwurmgarantie in fetter Produktion zu spielen, und ist damit wohl so etwas wie eine „Back to the Roots„-Platte geworden. Wenn man so will der entschlackte Nachfolger zu ‚Nimrod‚, der niemanden etwas beweisen will, oder eine Korrektur des nach wie vor sträflich missachteten ‚Warning‚, die jedem beweisen will, dass Green Day Hits auch im Schlaf wie nichts aus dem Ärmel hauen. Dafür brauchen die drei diesmal keine Streicher, Trompeten oder sonstiges Brimborium, noch nicht einmal eine Akustikgitarre ist notwendig, weil Jason White an der zweiten Gitarre lieber quietschvergnügte E-Soli in nahezu jedes zweite Songdrittel einstreut und eigentlich sogar für Balladen keine Zeit ist. Selbst der annähernd balladeskeste Song, ‚Sweet 16‚, rockt mit sommerlich beschwingter Melancholie fein im Midtempo.

Ja, es ist das wahrscheinlich sympathischste Album der Band seit Ewigkeiten, und das, obwohl Billie Joe Armstrong immer noch zuviel Kajal trägt, Mike Dirnt seinen Jungmänner-Emo-Scheitel spazieren trägt und Tré Cool generell auf jedem Foto derartig angestrengt lustige Grimassen zieht, dass man ihm die Fresse polieren möchte. Es muss also an den zwölf Songs liegen, die auf das Essentielle zurückgestutzt sind, also auf einen angenehm aufmerksam machende Strophe und einen unterhaltsam dargebotenen Refrain zum unangestrengten Mitsummen. Dafür haben sich Green Day im Pop und Rock der 60er umgehört, The Who und Konsorten auf ein unkompliziert ungefährliches Schema herunterdividiert und mit dem Rockabilly-Anleihen ihrer Foxboro Hot Tubs dort gekreuzt, wo Songs ein Dauergrinsen im gesicht haben, aber nicht genau wissen weshalb.

Das zackig nach vorne gehende ‚¡Uno!‚ macht es nicht schwer, Gefallen an optimistisch geradlinigen Songs zu finden, die allesamt keinerlei Entwicklung durchlaufen wollen – und damit noch leichter, die Platte auch wieder zu vergessen. Schon ‚Nuclear Family‚ gibt die Richtung als aufgewärmte, abseits der Spielfreude wenig inspirierten Wiederverwertung  von ‚American Idiot‚ (dem Song) vor, der Rest folgt am Fuß. Dass die ungemein flott vergehenden 40 Minuten tatsächlich wirken, als hätten Green Day aus purerm Jux und Tollerei ein paar Fingerübungen abseits des zuletzt eingekehrten Ernstes vom Stapel gelassen, kann man ‚¡Uno!‚ durchaus anrechnen. Man würde deswegen ja gerne schreiben: „Die überragend großen Melodien und Hooks sind einer ungezwungen aufatmenden Gefälligkeit gewichen, die Green Day ohne aufzuregen zum gutgelaunt berieselnden Hintergrundpoprock verwandeln. Die vielerorts angebrachten Vergleiche mit ‚Dookie‚ sind natürlich allein qualitativ Unsinn. Aber: nichts hier tut weh, nichts ist wirklich gut oder restlos mitreißend, nichts ist wirklich schlecht, alles aber unspektakulär kurzweilig und bissfertig konsumierbar.“ Aber stimmen würde das nicht, weil Green Day in der Mitte noch schnell ‚Kill the DJ‚ untergebracht haben.

Eine nervtötend aus dem Rahmen fallende, sich unangenehm an die Großraumdisco anbiedernde Nummer mit Post-Punk Gitarren zwischen den Hives und Franz Ferdinand samt poppigen Raggae-Beat und einem unsagbar anstrengend idiotischen Text über die Notwendigkeit den DJ zu ermorden. The Smith wissen wie sowas geht, Green Day nicht, weswegen man auf ‚¡Uno!‚ dann auch nicht lange nach einem Tiefpunkt suchen muß. Weil die erste Single, das belanglos rockende ‚Oh Love‚ im Albumkontext zwar nicht wächst, aber eben wie alles hier: absolut nicht stört, Irgendwo egal ist, aber doch gefällt. Sonst müsste man ja auch reklamieren, dass die Nummer auch und vor allem als Rausschmeißer vollends ungeeignet ist- würde nicht eben der gleichförmige Albumfluss (da ändert auch die Screamo-Attacke in ‚Let Yourself Go‚ nichts) die Sache von selbst erledigen, weil luftig rockende Green Day hier theoretisch kurzweilig gedachte, sich wegen der wenigen Ideen aber stellenweise auf langatmige Wiederholungen (siehe vor allem: ‚Stay the Night‚) gestützte Songs ohnedies Höhepunktlos zusammenbauen. Das ist so befreiend (weil nicht so anstrengend prätentiös wie ‚21st Century Breakdown‚), simpel und ohne Anstrengung unterhaltsam, wie es letztendlich dezent gehaltlos, wenig befriedigend und allzu einfach gestrickt ist. Quasi eine Hitsammlung auf B-Seiten-Niveau. Gerade einmal sieben Wochen sind bis zu ‚¡Dos!‚ anberaumt. Dass ‚¡Uno!‚ auch nur die Hälfte dieser Zeit übersteht ohne totgenudelt zu sein, darf ernsthaft bezweifelt werden.

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