HTRK – Venus in Leo

von am 19. September 2019 in Album

HTRK – Venus in Leo

Fünf Jahre nach Psychic 9-5 Club lösen Jonnine Standish und Nigel Yang die Konturen von HTRK immer weiter in der valiumdeliranten Transparenz auf, covern Missy Elliott und haben mit Venus in Leo vielleicht sogar die Platte aufgeommen, die The Xx gut getan hätte.

Auf dem vierte Album der Australier kommen eine mitternächtliche Aura mit durch gleißendes Licht ausgebleichtem Ambiente zusammen – introspektiv und mit viel Understatement. HTRK sind eine halbe Dekade seit ihrer letzten Studioplatte (und auch bald zehn Jahre nach dem Tod von Gründungsmitglied Sean Stewart) jedenfalls noch melancholischer in eine sinnliche Sehnsucht gewandert, geben sich meditativ einer hypnotischen Lethargie hin, so weich und warm wie hoffnungslos einsam. Venus in Leo ist irgendwie Dream Pop mit den Mitteln des Minimal Wave, Ambient Dub aus der Sicht des Ethereal Wave und intimer Downbeat mit subversiven Schattierungen des elektronischen Post Punk.

Zwar verliert die Platte über das zu ausführlich mäandernde Minimal Electronic-Stück Dream Symbol (trotz dessen poetischer Texten) ein wenig am ohnedies nur unterschwellig praktizierten Zug, auch die in Zeitlupe am Abgrund skelletierte Dystopie Hit ‚Em Wit Da Hee ist nicht über die gesamte Dauer so fesselnd und interessant, wie es ein Missy Elliott-Cover in den Händen des australischen Duos eigentlich sein könnte. Dass HTRK die genrefremde Nummer derart ansatzlos assimilieren ist freilich ein Kunststück – aber eben keines, das in Euphorie versetzt, wenn das Ergebnis eher wie eine solide hauseigene Komposition anmutet.
Zumal man absolut in der richtigen Stimmung sein muß, um in Venus in Leo eintauchen zu wollen, spricht dies allerdings primär für die Qualität der Original-Stücke, die neben einer starken Eingangsphase ein überragendes Finale erschaffen.

Into the Drama baut auf (die diesmal irgendwo allgegenwärtigen) warme (Akustik)Gitarren in Korrelation mit minimalistischen Beats, die die traumwandelnde Atmosphäre der Platte dösend vorwegnimmt, während der Opener exemplarisch sedativ plätschert. Mentions verstärkt die düstere Ausstrahlung der Rhythmik, die Gitarren tauchen unter Wasser im mystischen Reverb.
Die Songs von Venus in Leo lassen sich eben komplett spannungslos durch ihre losen Strukturen und weichen Konturen treiben, ziehen niemals die Intensität an, bleiben ätherisch-somnambule Ohrwürmer, deren Realitätsgehalt offen bleibt – auch der Titelsong schwebt derart losgelöst von aller Körperlosigkeit an phasenverschobenen Hooks vorbei. Und You Know How to Make Me Happy lässt hinter einem Schleier die Erinnerungen daran verschwimmen, wie sich R&B-Tänze in einem anderen Leben anfühlen könnten.

Dying of Jealousy loopt seine verwaschenen Drumpatterns zu einer nach oben schraubenden Hook, deren subtile Eingängigkeit nicht mehr aus den Gehörgängen will. New Year’s Day platzt dagegen geradezu aufgeregt los, hat gefühltermaßen auch eine höhere Lautstärke und artikuliert die minutiöse Rekapitulation eines Jahresbeginns mit einer relativen Dringlichkeit. Das überragende New Year’s Eve schließt den Bogen dagegen mit detailliert arbeitender Drummachine und einer  Akustikgitarre sowie scheppernden hallenden Effekten –  so emotional, so melancholisch, so symptomatisch für den aktuellen Standpunkt der Band.
Die Strukturen von Venus in Leo sind konventioneller an Strophe-Refrain-Schema konstruiert, gleichzeitig intuitiver aus der Hüfte perlend. Man hört, dass HTRK mittlerweile einen inneren Frieden mit sich selbst gefunden haben. Und damit einen zwar durchaus erfrischenden, aber auch weniger Reibungspunkte zulassenden Zugang zur Vergangenheit versöhnlich aufbereiten,  letztendlich aber vor allem eine neue Perspektive auf ihren ständig mutierenden Sound zulassen.


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