I Like Trains – The Shallows

von am 5. Mai 2012 in Album, Reviews

I Like Trains – The Shallows

Wo kein Sonnenstrahl hinreichen kann, dort lüften I Like Trains auf ihrem dritten Album ordentlich durch: Klingen die Engländer in all ihrer niederschlagenden Melancholie mittlerweile gar lebensbejahend?

Mit ‚Progress Reform‚ und ‚Elegies to Lessons Learned‚ hatte man das Gefühl, dass da einer junge Bände in feinen Anzügen kein Lächeln über die Lippen kam, die keinerlei Ahnung von zeitgenössischen Strömungen hatte, nicht in der Musik, nicht in der Inszenierung und dann auch noch die Liebe zu Zügen im Bandnamen trug. Mehr unhippes Aus-dem-Rahmen-fallen als es die Fünf aus Leeds an den Tag legten, das ging in den Nachwehen des musikalisch brennenden England der mittleren 2000er Jahre jedenfalls kaum.
Mit den Zugeständnissen an einfachere Schreibformen von iLiKETRAiNS zu I Like Trains hat sich viel elementarer jedoch auch die Wahrnehmung der Band geändert, was ihre Ziele anzugehen scheint. Dass hat sich weniger auf den EPs seit 2010 gezeigt, als auf dem damaligen Zweitwerk der Band ‚He Who Saw The Deep‚. Wo sie schon damals hinwollten, dort landen sie jetzt mit ‚The Shallows‚ wieder ein bisschen mehr: aus der industriellen Revolution ansatzweise in der Neuzeit – freilich immer noch in schicken Anzügen und ohne Lächeln im Gesicht.

Bis die ersten Gitarren auf ‚The Shallows‚ sich in bester Post-Rock Manier aufschrubbeln wie man das von I Like Trains gewohnt ist, sich statt mit konkreten Riffs mit flirrenden Delay-Wolken beschäftigen,  das dauert zumindest bis zum Titelsong an dritter Stelle. ‚Mnemosyne‚ ist zuvor ein Song, eigentlich sogar ein kleiner Hit, der seine Saiteninstrumente in bester Ping Pong-Manier flippern lässt, die Foals zitiert und ansatzweise eine neue Tanzbarkeit im I Like Trains-Kosmos aufzeigt. Der Opener ‚Beacon‚ gibt schon die feine Parole von ‚The Shallows‚ aus: wo früher zaghafte Streicher weinten, dröhnen nun morbide Synthies, schwer und analog. Man findet sie auch auf ‚The Hive‚, ‚The Turning of the Bones‚ und vor allem dem sinisteren ‚We Used to Talk‘ prominenter platziert als auf jedem anderen I Like Trains Alben. Das dürfte nicht nur die melancholischen Trauerklöse unter den Fans der letzten Editors-Machwerke erfreuen. Wo die Musik auf ‚The Shallows‚ jedoch geradezu aufbrausend weht – und das tut sie hier im Rahmen ihres Kontextes tatsächlich oft, annähernd beschwingt und mit trotzdem hängenden Kopf in getragenen Songs – steht immer noch der kontrastreiche Gesang David Martins, der tiefsten Bariton seine hüftsteifen Aristokratiewehklagen nahe des pathetischen Abschiedbriefs unverwechselbar mit erhobenem Haupt sprechsingt: „And I Will Take This Bitter Pill/As I Swallow My Bride„.

Der schon vorher so oft gezogene Vergleich zu Interpol, er ist auf ‚The Shallows‚ wirklich treffend geworden: die Entwicklung der Engländer zeigt Paralellen zu Jeniferever aus Schweden. I Like Trains ziehen in kürzester Zeit aus der abgrundtiefen Stille und Düsternis ihrer musikalischen Wurzeln ein Album, dass sich tatsächlich näher an der Wasseroberfläche bewegt, als all seine Vorgänger. Die Rhythmen schleichen nicht mehr, sondern finden Gefallen am Post Punk, I Like Trains mischen ordentlich Optimismus in ihre Musik, was dann freilich anders klingt, als bei anderen Bands: „We Will Burn in Hell for This.“ Auch wenn Rufzeichen hinter Zeilen wie diesen sein müssten, man will sie nicht setzen – zu resigniert bringt Martin sie dar.
Letztlich ist ‚The Shallows‚ die konsequent weiter gedachte Entwicklung, die in ‚He Who Saw The Deep‚ wurzelte: I Like Trains nähern sich weiter der Moderne an und bleiben dabei geschmackvoll anachronistisch. Irgendwo ist das ein trübseliges Requiem an der Sollbruchstelle Post Rock und Indie Rock – und in dieser das 80er affine Wave-Album der Band. „We will dance ourselves to sleep“ heißt es in ‚The Turning of the Bones‚ punktgenau. ‚The Shallows‚ straft sich selbst mit seinem Titel Lügen und erschafft kompakte Ritte über ausladende Wellentäler, die sich wie in ‚Reykjavik‚ immer noch die Zeit für ausladende Arrangements und breite Melodiebögen nimmt. Der Vulkan, er brodelt nicht mehr konstant seiner nächsten Eruption entgegen, er treibt kontinuierlich am fließendem Druck seiner Lavaströme aus. Die Schwerfälligkeit der Anfangstage ist endgültig gewichen.
Und von wegen ‚The Shallows‘ klänge näher am Jetzt als all seine Vorgängern: Dieser Platte könnte man ein willkürliches Veröffentlichungsdatum in zumindest den letzten dreißig Jahren zuschreiben, den Fehler würden die Wenigsten bemerken.

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