Interview: Migre le Tigre

von am 23. März 2015 in Featured, Interview

Interview: Migre le Tigre

‚Play your song and I’ll play mine. It feels alright to waste some time. And we’ll see if after all, we will rise or if we fall.‚ – so der Refrain von  Migre le Tigres ‚I Cliche‘, aber irgendwie auch das Motto des stimmungsvollen Punkrock Kegelscheibens, das letzten Freitag und Samstag zum dritten Mal im Wiener Bach über die Bühne ging. Insgesamt 10 Bands gaben sich dort die Klinke respektive die Gitarre in die Hand – unter ihnen natürlich auch die Schweizer One-Man-Acoustic-Disco, mit der sich Heavy Pop vor dem Konzert über skurrile Tour-Erlebnisse, Anti-Selbsthilfegruppen unter Musikern und seine neue 7“ unterhalten hat.

Heavy Pop: Deine EP-Release-Tour ist ja bereits am Montag in der Schweiz losgegangen und gestern hast du in Graz gespielt. Wie war der Auftakt?
Migre le Tigre: Wenn man neue Sachen hat, dann kennen ja die meisten das noch nicht. Die Show in der Schweiz war jetzt nicht sehr auf den neuen Release bezogen. Das war einfach ein Konzert mit neuer Setliste und vielen Songs. Das ist für mich immer sehr spannend zu sehen: ‚Geht denn das?‘ oder mach ich wieder tausend Sachen kaputt, weil im Set die Routine fehlt. Das macht das eben spannend und fordernd für einen selbst. Es ist für mich schwer zu sagen … also in der Schweiz war das nicht anders als sonst. Gestern aber in Graz war’s wieder voll krass. Es war so voll und man brauchte vom Klo bis zum Bier etwa eine halbe Stunde – wirklich ärgstens. Da war es sehr schön zu sehen, dass die neuen Songs auch ankommen … nach den paar Tagen, die man Promo machen konnte, dass das irgendwie schon ein paar Leuten taugt. Vor allem das Lied ‚Waves of Change‘ mit Video ist echt hängen geblieben bei ein paar. Das freut! Man fragt sich halt: ‚Wie kommt das an? Und merkt das überhaupt jemand?‘ Und wenn’s dann eben auffällt und vielleicht sogar gefällt, dann ist das voll geil!

Das klingt ja sehr gut! Also bist du schon nervös, wenn du neue Songs zum ersten Mal live spielst? Oder bist du generell noch nervös, wenn du auf die Bühne gehst?
Ich war früher nie nervös, aber jetzt bin ich es auf einmal. Ich weiß auch nicht … mir wird irgendwie übel. Ich weiß nicht wieso. Ich merk auch, wenn es Orte sind, an denen ich zum ersten Mal spiele, da ist es immer noch so ein bisschen dieses Fickt-euch-ich-gegen-die-Welt-Gefühl. Wenn man an Orten wie einem SUB jetzt schon 6 oder 7 Mal gespielt hat, dann denkt man: ‚Kommen immer noch so viele Leute? Oder kommt vielleicht noch jemand mehr?‘ Da mach ich mir offenbar irgendwie selbst ein bisschen unnötigen Druck manchmal. Das führt dann schon ziemlich zum Schlottern.

Welchen Song von deinen beiden letzten Alben spielst du am liebsten live?
Ein Song? Das ist schwierig zu sagen. Vom ersten Album ist es sicher ‚Dance‘. Der taugt mir immer und ist ziemlich live-tauglich. Und natürlich ‚Needles‘, weil das irgendwie das populärste ist. Das kennen viele Leute. Aber auch wenn sie es nicht kennen und zum ersten Mal bei einer Show sind, gibt’s viele, die dann sagen, das hat mir gefallen und fragen, auf welcher CD ist das. Das ist für mich natürlich cool! Zum Spielen ist mir zum Beispiel ‚Dance‘ viel wichtiger als ‚Needles‘, weil das viel mehr abgeht. ‚About Time‘ von ‚Heed the Call‘ ist auch sowas. Ich hab das Gefühl, dass das genug Energie drinnen hat, das es Sinn macht, es zu spielen. Bei manchen anderen Songs tu ich mir da schwerer.
Bei diesen drei Songs bekommst du vermutlich auch am meisten Feedback oder? 
Teils, nicht bei allen. Ich meinte vor allem, dass es mir bei denen am wohlsten ist. Und ich mir sicher bin, wie der Song rennt. Man ist sich nie unsicher bei Tempo-Fragen bei diesen Songs. Bei anderen muss man da schon mehr nachdenken und so. Die drei gehen halt von selber.

Dancing Through The Flames by Migre Le Tigre

Alles klar. Was war das Skurrilste, was du auf Tour jemals erlebt hast?
Es ist schwer das einzugrenzen. Es ist irgendwie ein riesen Knäul von Irrsinn. Wenn man sich mit Freunden unterhält, mit denen man viel getourt hat, kommt oft: ‚Wie war das? Und wo war das noch mal? Und waren wir da nicht .. weißt du noch?‘ Für den einen war’s die beste Show und ein anderer kann sich nicht mehr dran erinnern.
Vor kurzem hab ich gelesen, dass du auf einem Berg gespielt hast, aber ein paar Schwierigkeiten hattest. Was war denn da genau los?
Das war so ein Orientierungs-Zeit-Klassiker. (lacht) Ich hab’s zustande gebracht auf einem Berg gebucht zu werden. Mir hat aber niemand gesagt, dass ich um 4 Uhr dort sein muss, weil die Bahnen dann zumachen. Dann war ich schon fast ganz oben … so auf 2168m. Das war irgendwo! Ich bin dann mit den Docks und dem Gitarrenkoffer auf der Skipiste gestanden. Die Liftfrau hat gesagt: ‚Was dort hoch müssen Sie? Da kommen Sie nicht mehr hin! Haben Sie gute Schuhe? Hohoho‘ So Sachen passieren oft. Wenn man zum Beispiel um 7 im Club sein will, den man noch nicht kennt und dort zum Essen verabredet ist. Und die Show fängt um 9 an. Dann rennt man halt 1 ½ Stunden durch die Stadt und sucht den Club, verpasst das Essen und es reicht noch knapp für den Soundcheck. Die Konzerte funktionieren dann trotzdem irgendwie.
Ich weiß noch was Komisches: In Italien hab ich mal in einer Weinhandlung gespielt. Das war so eine edle Pasta-Sugo-Wein-Handlung und die Leute waren alle so hübsch angezogen. Das war völlig schräg! Die Vorband war schrecklich … so aus der Pop-Abteilung mit schicker Frisur. Ich wusste echt nicht, was ich dort soll. Das war nicht von mir gebucht, deshalb wusste ich auch nicht, in was ich mich da wieder begebe. Das Konzert war dann eh ok … man hat sich dran gewöhnt. Dann hat es geheißen: ‚So, wir gehen jetzt zum Schlafplatz!‘ Der Schlafplatz war dann ein riesengroßer, cooler, punkiger Assl-Club. Wir haben dort auf der Bühne geschlafen. Ich hab dann versucht den Leuten zu erklären, ob’s nicht umgekehrt besser gewesen wär. In der Weinhandlung hätt ich vielleicht besser geschlafen und in den Club wären vielleicht mehr Leute gekommen. So Sachen passieren hin und wieder.
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Kommen wir zu deiner neuen EP. Das Erste, was auffällt und worüber wir reden müssen, ist ja das Cover.

Wirklich? Ist das aufgefallen? (lacht)
Naja, im Gegensatz zu deinen beiden CDs, deren Cover ja eher schlichter gehalten waren. Wieso hast du diesmal gerade Jack zum Cover-Boy gemacht?
Also das Originalfoto ist auf einer gemeinsamen Tour entstanden. Wir waren unterwegs und hatten sicher schon vier Touren und insgesamt so 50 oder 60 Konzerte zusammen gespielt. Wir haben viele Feste, Abende und Tage zusammen verbracht und man kennt sich halt gut. In der Musik ist es sowieso meistens so, dass das Leute sind, die sich gegenseitig über die jeweiligen Schwächen des anderen lustig machen – so eine Art Anti-Selbsthilfegruppe. Ich dachte jetzt einfach mal, ich steck den Rahmen ein bisschen höher und schau was passiert. Und jetzt kann ich mich ziemlich auf was gefasst machen. (lacht) 
Gestern war sowieso die Katastrophe, weil er hat das Intro neu aufgenommen und mich so richtig zerstört am Anfang. Ich musste dann mit einem ziemlich verwirrten Gesicht das Konzert beginnen. Aber er ist ein sehr guter Freund von mir. Ich denk mal, dass es vielleicht ein bisschen verwirrend ist für ein paar Leute, die ihn vielleicht als Musiker kennen. Aber ich find irgendwie, man kann nicht auf alles Rücksicht nehmen. Ich fand’s urlustig. Es ist das schönste Cover, das ich je hatte. Ich hatte zwar ein bisschen Angst, ob er angepisst ist oder nicht. Ich hab’s ihm ja verheimlicht, aber alle seine Freunde wussten es. Die hab ich gefragt, ob ich das machen kann und soll. Das hat schon ein paar Fragen aufgeworfen und ich hab ganz viele SMS gekriegt mit ‚Du bist so tot!‘ 
Es hat aber trotzdem irgendwie Sinn gemacht. Es ist ja kein Album. Also zu den vorigen Cover: ich mag am Feuer sitzen, Bier trinken und ins Feuer starren bis sich das Bild verzieht. Das war eben die Idee beim Cover vom ersten Album. Und ähnlich geht’s mit dem am Wasser sitzen. Das sollte eben irgendwie ein bisschen was tiefes haben und nicht groß schon ein Statement zum Inhalt abgeben. Auf der anderen Seite hab ich so Comic-mäßige Cover sehr gern, die irgendwie reizüberflutend sind. Ich dachte, weil es kein Album ist und ich irgendwie keinen Sinn darin seh, dass so durchzuziehen mit den Art-Cover-Fotos. Außerdem hab ich ihm an dem Abend, als das Foto entstanden ist, versprochen, dass ihn das irgendwann wieder einholen wird. Er hat gesagt: ‚Buuuh, you are all fucking chickens!!‘ Und siehe da, jetzt ist es soweit! (lacht)

Bereits der Titel ‚Where did Mom and Dad go so wrong?‘ veranlasste Jack ja dazu, sich Sorgen zu machen. 
Er ist ein guter Detektiv.
Ist der Titel also ebenfalls auf ihn bezogen? 
Ja, das hat er damals gesagt. Wir haben ein Konzert in Deutschland gespielt und da war das Bier irgendwie 6%-ig. Das merkt man natürlich massiv nach dem vierten oder fünften. Man denkt sich, man hat jetzt ein Problem, aber das ist doch physikalisch noch gar nicht möglich. Es ist noch nicht so spät. Er hat dann irgendwann zuerst mal seine Hose verloren. Ich hab sehr, sehr viel geweint vor Lachen an diesem Abend. Es war echt gut! Irgendwann sind wir dann zu dritt am Sofa gesessen und er ist so über uns drüber gelegen, hat geraucht und gesagt: ‚Where did Mom and Dad go so wrong?‘ Ich erinnere mich sehr gern daran.
Der Titel ist also auf ihn bezogen. Ich hab dann auch überlegt und war ein bisschen skeptisch, ob das zu hart ist, aber dann dachte ich, es ist ja wirklich nur wegen diesem Abend. Man will ja niemandem schaden.
Aber ich glaub, das verzeiht er dir schon. 
Ja, nach tausend Streichen vielleicht schon.

Deine beiden Alben sind ja als CD erschienen und jetzt gibt’s die erste Platte. Wieso hast du gerade die EP auf Vinyl veröffentlicht? Und was magst du persönlich lieber? 
Ich selbst bin mit CDs aufgewachsen und hatte auch in der Jugend nie einen Plattenspieler. Das ist erst seit einiger Zeit so, dass ich mir von meinen Lieblingsbands Platten kaufe – für später und langlebigere Zeiten. Der Grund warum die EP auf Vinyl ist, ist eigentlich nur das ich schon Heed the Callmit Klaus gemeinsam auf Schall und Rauch rausbringen wollte. Es war mir dann aber budgetmäßig nicht möglich nach der ersten CD. Auch sein Budget hat das dann nicht wirklich zugelassen, weil das dann schon andere Preise sind als eine EP zu pressen. Das hat mich auch selbst erstaunt. Ich hatte da bis jetzt keine Ahnung, wie das genau rennt. Irgendwann als ich grad am Schreiben war und schon ein paar Song zusammen hatte, hat er sich gemeldet, ob ich nicht Bock hätte eine EP zu machen. Dann hab ich ihm ein paar Roh-Demos geschickt. Dann war nur noch das Ding, dass er mir beibringen musst, dass da nur 9 Minuten rauf passen – also je 4 ½ Minuten. Dann musste ich die Songs genau so lang machen. Es sind, glaub ich, 8 Minuten 57. Eine ziemlich bemessene Geschichte. Daher ist es auch so kurz – vielfach hat es ja geheißen, es ist zu kurz und könnte länger sein. Aber kann’s eben nicht!
Ja natürlich, aber wenn man halt nach Schwachstellen suchen möchte, dann wär das, meiner Meinung nach, auch die einzige. 
Aber man kann sie ja laaaaaangsam abspielen, wenn man will. Um all die geheimen satanischen Botschaften herauszuhören. (lacht)

Auch auf ‚Where did Mom an d Dad Go so Wrong?‘ beweist du wieder, was für traumhafte Texte du schreiben kannst. Da würde mich interessieren, wo und wie schreibst du deine Songs? Also woher nimmst du Inspiration? 
Wenn ich das wüsste! (lacht) 
Nein, es ist so verschieden. Ich wurde das ja schon öfters gefragt – auch nach den Konzerten und so. Bei ein paar Songs hab ich nach 10 Minuten einen Text, der taugt, und auch eine Idee, wie das irgendwie abrennen soll. Es ist ur viel Musik in meinem Kopf. Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll. Es klingt die ganze Zeit und es fällt mich sehr leicht, musikalisch was zu machen. Textmäßig schaut’s dann manchmal so aus, dass ich irgendwie Musik hab, die mir ur gefällt und wo ich find: ‚Yes, das ist ein super Song! Den will ich machen!‘ – und dann fällt einem nix ein. Aber manchmal ist es während dem Musik schreiben schon ganz klar … dass man eben schon weiß: ‚Ok, da das und bahbah bahbah bahbaah‘ Wenn man einen guten Tag hat, geht das dann auch ziemlich regelmäßig und sehr fließend.
Das heißt, du brauchst da nicht ein spezielles, sagen wir mal, Ambiente, damit du schreiben kannst? 
Ich bin schon gern für mich und allein. Nur schreiben, also Text schreiben, das geht schon überall. Aber wenn ich etwas üben will oder so, dann muss ich das alleine machen. Das ist irgendwie komisch. Aber beim Üben für Shows – das geht irgendwie nicht. Ich sing nie so zu Hause, wie ich dann auf dem Konzert sing. Das ist dann mehr so ein „die Texte nicht allzu arg verkacken“.
Wie genau das mit dem Schreiben rennt, weiß ich echt nicht. Manchmal geht’s ganz schnell und manchmal muss man schon so ein bisschen zu sich selbst sagen: ‚Ach komm, da bleiben wir jetzt dran! Das könnte cool werden. Reiß dich zusammen!‘ Das ist ganz verschieden.

Besonders interessant find ich ja ‚Waves of Change‘. Worum geht’s in dem Song? 
Es geht um eine Veränderung im Freundeskreis. Auch ein bisschen auf’s Alter bezogen … wie es sich halt mit der Zeit verändert. Wie Gespräche anders werden mit gewissen Leuten, wie sich Prioritäten ändern. Wo man sich dann fragt: ‚Wie sehr hab ich mich verändert? Wie sehr hat sich A oder B verändert?‘ Ein bisschen auch ein Vermissen von früheren Ideen, die man in einem Kollektiv teilen konnte. Freunde, die eben was Ähnliches glauben und deshalb gut miteinander kommunizieren können. Ich werde dann 30 im Mai – so schaut’s aus! (lacht)! Und mit 30 merkt man dann, dass da viele Leute, die früher viel geredet haben, heute schon sehr zufrieden sind mit ihren Jobs und doch lieber am Abend fernsehen als zu einer Show zu gehen. Was ich auch verstehe – man kann nicht ewig gleich bleiben. Es gibt eben diese ruckartigen Veränderungen, die auch unabdingbar sind. Aber es schmerzt halt manchmal ein bisschen, wenn einem gewisse Leute fehlen.

Ein schöner Song. Dazu hast du ja auch ein Video gedreht. War das dein erstes Video? 
Ja, das war das erste. Das hat sich aber auch nur ergeben, weil mich jemand angeschrieben hat, so: ‚Hey, mir gefällt dein Zeug! Hast du Lust mal nach Bregenz zu kommen und ein Video zu machen?‘ 
Ach so. Also alles ganz spontan? 
Ja, voll. Es war alles ziemlich auf Support-Ebene. Ich könnte mir ja niemals irgendjemanden mit riesen Profi-Kamera leisten. Das ist halt echt nicht drinnen.
Wie hat dir der Dreh gefallen?
Das war voll geil! Der Tag war urlustig! Wenn ich’s mir jetzt anschau, denk ich mir aber: ‚Scheiße, beim nächsten Mal sollte man das so und so machen. Und das ist nicht so gut!‘ 
Aber man sieht, dass du Spaß hast. 
Ja, der ganze Tag war cool. Es ist halt schön, wenn da jemand mitmachen will. Wenn du eine Band hast, dann bist du irgendwie eine Familie. Bei einem Solo-Ding machst du halt ur viel alleine und kannst sehr wenig teilen. Wenn man dann eben was gemeinsam machen kann, ist das total lustig. Das taugt mir!

Du hast ja früher mit verschiedenen Bands gespielt. Wie ist das jetzt für dich allein auf der Bühne zu stehen? Ist das sehr anders? 
So auf der Bühne, spür ich das gar nicht mehr. Aber in der letzten Zeit hab ich ein paar Mal bei Bands auf Tour ausgeholfen und da hab ich gemerkt, wenn ich weiß, um was es geht und die Songs kann und so – wenn’s eben keine Zweifel gibt musikalisch – dann ist es einfach nur wurscht und super. Man hat vor gar nichts mehr Angst, weil offenbar härtet das so ab, wenn man ständig alleine alles abkriegt. Das ist aber schrittweise gegangen. Am Anfang war’s schon krass anders – von der aktiv tourenden Band zum Hippie-Gitarren-Kasperl. (lacht) Das ist ein bisschen ein anderes Nervös-Sein. Am Anfang war’s halt voll geil, weil du kannst machen, was du willst. Du kannst die Songs irgendwie spielen. Du kannst mittendrinn aufhören, ins Publikum rennen und jemandem das Bier stehlen und dann weiterspielen. Du musst nichts ausmachen. Oder du kannst Setmäßig machen, was du willst. Man hat halt viele Freiheiten, aber man ist eben auch viel alleine.

Du wohnst in der Schweiz, bist aber eben auch viel in Österreich unterwegs. Gibt es deiner Meinung nach einen Unterschied zwischen der Schweizer und der österreichischen Punkszene? 
Ja schon, massiv. Ich finde – vielleicht würde das jemand anders sagen – aber in der Schweiz geht es sehr gegen innen. Es gibt selten aktive Bands, die wirklich touren, Sachen veröffentlichen und das wirklich betreiben wollen. Und sich auch vernetzen wollen. Ich werd oft gefragt: ‚Wie geht denn das? Und wie macht man denn das?‚ Ich sag dann: ‚Du schreibst halt Mails und checkst irgendwie ob’s geht. Oder schaust dir ein Konzert an und fragst die Band, ob die eine Idee haben, ob man dort und dort spielen kann.‘ In Österreich scheint das viel, viel mehr europäischer zu sein – das trifft’s vielleicht. Man merkt den politischen Unterschied schon.
Meinst du, dass es in Österreich irgendwie kollektiver abläuft? 
Ja, voll. In der Schweiz gibt’s das viel weniger. Die erste Begegnung mit dem Tour-Leben hatte ich ja mit Rentokill. Ich hab das halt so vorher nicht gekannt, dass es so viele Bands gibt, die einander Busse ausleihen, die Proberäume teilen, die sich helfen beim Shows organisieren, die sich dafür einsetzen, dass es Lokale gibt und sich den mühsamen Schließungskämpfen stellen. In der Schweiz ist es viel mehr so: ‚Ach, man kann ja eh nix tun!‘ Eher eine resignative Geschichte. Ich will nicht sagen, es geht überhaupt nicht. Es gibt schon überall Sachen, die mir voll taugen. Es gibt eine ziemlich farbige Squat-Szene, aber musikmäßig ist es einfach sehr schwer. Man wird sehr schnell desillusioniert, wenn man mit Bands rumhängt, die sagen: ‚Ja, das geht ja nicht! Man kann ja nicht von der Musik leben!‘ Ich denk mir dann immer: ‚Ich leb noch!‘ Es sind zwar tausend Probleme, die da auf einen zukommen, aber wenn man das machen will und es wirklich das ist, was einem taugt … wo ist dann die Grenze? Die ist ja nur im Kopf. Es war so schön, dass auf Tour und an anderen Orten mitzukriegen – dass das eben auch anders sein kann. Das man nicht immer diese schrägen Gespräche am Merch-Tisch führen muss. Dass das auch ganz nett ablaufen kann.

Das heißt, du kannst von deiner Musik leben? 
Seit 3 ½ Jahren bin ich Gitarrenlehrer. Jetzt hab ich zwar nur noch ganz wenige Schüler. Ansonsten sind es die Shows und CD-Verkäufe. Es geht irgendwie. Es gibt zwar immer wieder Stress, aber würd ich was anderes machen, das mich zeitlich mehr beanspruchen würde, dann hätt ich wahrscheinlich denselben Haufen Probleme nur halt irgendwie auf einer anderen Schiene.
Irgendwann werd ich dann noch Koch. Und Filme mach ich dann auch noch. Da machen wir dann das nächste Interview. (lacht)

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