James Blake – Friends That Break Your Heart

von am 24. Oktober 2021 in Album

James Blake – Friends That Break Your Heart

Zugänglich wie nie, doch James Blake kann nicht aus seiner melancholischen Haut: Auf Friends That Break Your Heart befindet sich der Engländer auf existenzieller Sinnsuche jenseits des privaten Beziehungsglücks.

Daher Jameela Jamil der Katalysator dafür war, dass dass das 2019er-Highlight Assume Form das bisher optimistische, nach außen gerichtetste und schlichtweg glücklichste Album von James Blake war, erscheint es mutmaßlich als irgendwo selbsterklärend, dass Friends That Break Your Heart nun derart zugänglich und konsenstauglich rund, ja auch regelrecht zufrieden, geborgen und gesetzt veranlagt anmutet: Nach fünf Jahren Beziehung mit Blake zeichnet Jamil als Co-Produzentin auf den meisten Songs der Platte verantwortlich.
Tatsächlich sind die Dinge auf dem fünften Studiowerk des ehemaligen Wunderkindes Litherland allerdings wohl differenzierter zu betrachten: Schließlich stammen diesmal genau genommen nur zwei Songs ohne außenstehenden Beitrag aus der Feder von James Blake selbst, während die Produzentenliste vor involvierten Köpfen überquillt – schon erstaunlich, was für ein homogenes und auch weitestgehend in sich gekehrtes Werk Friends That Break Your Heart unter diesen Umständen geworden ist.

Am explizitesten brechen dennoch die in der Tracklist aufgeführten Gesangs-Gastbeiträge aus dieser geschlossenen Kohärenz, Blake nutzt sie (nachdem sie auf den ersten Blick noch wie störende Fremdkörper ohne integralen Sinn wirken können) geschickt für aufzeigende Impulse im starken, vornehmlich aber balladesk-traditionell geprägten Songwriting: Der verschmuste R&B von Coming Back wirkt durch SZA und Mount Kimbie-Hälfte Domenic Maker trotz sedativer Aura schon expressionistischer als das davor stehende Eröffnungsdoppel aus dem wunderbar ruhig mit meditativen Beat pulsierenden, im Refrain folkig gehauchten Famous Last Words und dem still klackernden, ebenfalls behutsam verträumt mit Joji in seinen Chorus eintauchenden Life Is Not the Same, die so exemplarisch für das getragene, zurückhaltende Wesen einer mit so unaufdringlich wie catchy verwendenden Pop-Strukturen gebauten Platte.
In Frozen überlässt Blake sogar JID und SwaVay das Spotlight und agiert als ausschmückender Strippenzieher in einem grandios inszenierten Avantgarde-Ohrwurm mit diffus aus dem kreativen Minimalismus entrücktem Groove, der (über die sphärische, einen schnipselnden Quasi-Remix seiner selbst als fusionierenden Refrain nutzenden Ballade I’m So Blessed You’re Mine sowie der schmissigen kleinen Tanzbarkeit Foot Forward) bis zur somnambulen Grandezza Show Me den beinahe extrovertierten Höhepunkt im Herzen von Friends That Break Your Heart markiert.

Drumherum artikuliert Blake seine bekümmernde Nachdenklichkeit jedoch primär als entschleunigtes Kaleidoskop der Melancholie: schwermütig, vertraut, angenehm kompetent, sehr eingängig – und derart ausgelegt vermeintlich auch erstaunlich reibungslos konsumierbar, leicht zu erfassen. Die Reize scheinen sich in Zaum zu halten, die emotionale Spannweite ohne aufwühlende Intensität ebenfalls, man missinterpretiert die unspektakuläre Gangart gar als spannungsarme und gleichförmige Gefälligkeit, während das Album über eine latente Nebensächlichkeit tatsächlich aber eine atmosphärische Tiefe in der keineswegs flüchtigen Langzeitwirkung entfaltet und eine stimmige Vielseitigkeit zeigt – und bescheiden bleibenden Schönheit zelebriert.
Nach dem bestechenden Einstieg und wunderbaren Kleinode wie pastoral-souligen Anmut Funeral gerät vor allem die Schlussphase überragend, wenn Say What You Will (samt kontrastierendem Video) wie die futuristische Version einer 50er-Nostalgie andächtig schwoft, Lost Angel Nights als Nachhall zu I’ll Come Too in den Arm nimmt oder das Ambient Pop-Gespann aus dem mit Meister Rick Nowels erdachten Titelstück (sorgsam gezupft ist das ein traurig orgelndes Klagelied) sowie dem klerikalen Abschied If I’m Insecure subversiv ergreifen.
So wächst sich die balsamierende Kasteiung Friends That Break Your Heart als ganzheitlicher Grower gar zur mindestens drittstärksten Platte in der Diskografie des Briten aus, indem sie inhaltlichen Unsicherheiten („If I’m so happy/ How am I losing all this sleep?/ If I’m the only child/ How do I feel like the black sheep?“ oder „But if this life matters/ How am I still wasting it?“) musikalisch mit einer klaren Linie begegnet und all den offen bleibenden Fragen eine fast abgeklärte Reife entgegenstellt. Wäre der Mann nicht erst 33, man würde hierbei vielleicht schon vom Eintritt in das erhabene Spätwerk munkeln.

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