James Vincent McMorrow – Post Tropical

von am 22. Januar 2014 in Album

James Vincent McMorrow – Post Tropical

Ein eklektisches Vergnügen: James Vincent McMorrow erfindet sich nach dem einschlagenden Erfolg seines Debütalbums von Grund auf im Post-Dubstep-Umfeld neu und bearbeitet gekonnt aber wenig eigenständig die Nahtstelle aus Everythings Everything’s tanzberuhigter Elektronik, James Blake’schem Digital-Soul und dem sehnsüchtigen Popmomenten von Volcano Choir.

Der Folk des Vorgängers von findet nur noch im Hintergrund statt, in den letzten Gitarrengerüsten von ‚Repeating‚ etwa, in den immer wieder auftauchenden Bläsern, den schüchternen Handclaps: der Singer-Songwriter James Vincent McMorrow hat an der Grenze zu Mexico den Resetknopf gedrückt und sich als akribischer Bastler am Laptop quasi ein zweites Debütalbum gegönnt, auf dem er sparsam tröpfelnde Synthieflächen und griffige Songfragmente zu warmen Melancholiereigen, sorgsam texturiertem Neo-R&B und neongrell getragenem Pop verbindet. Ein radikaler Schnitt, vage betrachtet ein ansatzweise ähnlicher wie Sam Beam ihn zwischen ‚The Shepherd’s Dog‚ und ‚Kiss Each Other Clean‚ vollzogen hat oder John Grant zwischen ‚Queen of Denmark‚ und ‚Pale Green Ghosts‚; eventuell aber nur auf den ersten Blick auch ein mutiger Umbruch.

Die gar nicht zwangsweise aktiv gewählte Entscheidung, die es während des Genuss des passgenau betitelten ‚Post Tropical‚, dem Nachfolger des vielgelobten Einstandswerkes ‚Early in the Morning‚ zu treffen gilt: leidet die durchwegs gehaltvolle Schönheit der 10 versammelten Songs darunter, dass sie nahezu ausnahmslos aus Versatzstücken des Eingangs erwähnten Trios nahe am Plagiatsvorwurf zusammengebaut wurde – und wäre es tatsächlich gerechtfertigt ‚Post Tropical‚ besser zu finden nur wenn sich ein anderer Name auf dem Plattencover finden würde? Fakt ist: McMorrow wagt den überraschenden künstlerischen Schnitt zu ‚Early in the Morning‚, um sich über 41 Minuten in gemachte Betten zu legen in denen er es sich etwas zu bequem gutgehen lässt, mit einer geborgten Vertrautheit jongliert und durchwegs bewusst Erinnerungen an die elektronisch veranlagten Indielieblinge der letzten Jahre weckt. Manchmal geschieht das zwangsbedingt, weil der fistelnde McMorrow ins Falsett katapultiert grundsätzlich eine umstandslos an Jonathan Higgs und Justin Vernon erinnernde Stimme hat – meistens aber werden die Gemeinsamkeiten auch an der Grenze zur ziemlich schlauen Kalkulation forciert.

Da begleitet sich McMorrow etwa als sein eigener Chor im pulsierend schwelgenden ‚Red Dust‚ oder dem hymnisch triumphierenden ‚Gold‚ so nahe am gefühlten Justin Vernon-Projekt, dass die Überschneidungen beinahe weh tun. Im andächtigen ‚The Lakes‚ bastelt der Ire leise Beats, haucht sich zu Pedal Steel und schüchternem Marschschlagzeug seinen Weltschmerz von der Seele. „I remember my first love“ heißt es auch im herzerweichend schmusenden Lover ‚Cavalier‚, während die Bits blinken und die Steckdose organische Instrumente in elektronischen Bahnen kriechen lässt. Durchaus: das reicht in den stärksten Momenten an die Klasse von Jamie Woon und Co. heran (wie grandios schaukelt sich bitte der Titelsong hoch, um plötzlich zu implodieren?), hat verstanden wo sich ‚Overgrown‚ und ‚Bon Iver, Bon Iver‚ treffen. Das ist berührend gemeint, intim gedacht, verführerisch ausgestattet und anschmiegsam inszeniert, rundum: auch abseits der wenigen herausragenden Momente durchwegs sehr nett – aber eben zu selten wirklich berauschend, überwältigend.
Der Perspektivenwechsel will sich deswegen auch nicht aufzwingen lassen: ‚Post Tropical‚ hält wunderbar sanft schmelzenden Songbalsam parat, pulsiert zurückhaltend und betörend. Déjàvu’s der angenehmen Art: McMorrow weiß was er tut, und liefert den Beweis dass er sich auf verschiedenen Spielwiesen zurechtfinden kann, muss aber inzwischen aufpassen nicht zum reinen (Hinterher/)Mitläufer zu werden. Potemkinsches Dorf ist ‚Post Tropical‚ deswegen noch lange keinens, nur will der Funke auf emotionaler Ebene einfach nicht restlos überspringen.

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