Joe Cardamone – Quarentina Themes

von am 6. Mai 2021 in Sonstiges, Soundtrack

Joe Cardamone – Quarentina Themes

Pandemie, Lockdown, Beziehungsende: Ex-The Icarus Line-Boss Joe Cardamone verarbeitet globale und persönliche Turbulenzen in Form seines eigenen Soundtracks – Quarentina. Vorab gibt es bereits die Quarentina Themes.

Die vergangenen Monaten hat Cardamone mit seiner Buddyhead– und American Primitive-Gang – unter anderem Queen Kwong, Jacob Mendel und Travis Keller – an einer audiovisuellen Aufarbeitung der aktuellen Lage der Welt aus der Perspektive des Mikrokosmos Los Angeles  gebastelt. Das Ergebnis veröffentlichte er erst als wöchentlich erscheinende Episoden-Serie – und letztendlich auch bald als seine zweite Studio-Soloplatte.
Die bereits erschienenen Quarentina Themes sind (da sind die beiden bisherigen Singles Lisbon und Yeshua Indikator der Unterschiede zwischen den Veröffentlichungen – oder man riskiert einen Blick auf die vorhandenen Film-Episoden) derweil die Instrumental-Version der Platte.

Allerdings finden sich im Detail noch weitere Unterschiede: Quarentina selbst wird limitiert auf Vinyl veröffentlicht werden (was so übrigens auch nach wie vor für das fantastische Holy War von 2018 zu wünschen wäre!), dafür aber fünf Tracks weniger in petto haben. Mehr oder minder das letzte Drittel der Themes fehlt – oder wird neben einigen weniger gravierenden Titel-Änderungen erst offenbaren, was hinter Red Flag, Dec Piano und Baby Blue steckt (auch wenn der etwa Spielzeit-Abgleich via iTunes durchaus präzise Vermutungen  zulässt). New Moon und Lisbon haben in der Trackliste zudem noch den Platz getauscht und ein Besuch von Alex Zhang Hungtai in Cluster B ist angekündigt. Derweil schimmert der Track jedenfalls auch so wie eine nostalgische 80er-Erinnerung am Keyboard, erst nachdenklich, dann immer schillernder, mit tiefen Bass, als würde Thom Yorke ein Klavier zu Stranger Things schicken, immer dichter webend.

Das vermeintlich auf Quarentina letztendlich fehlende Material ist übrigens durchaus repräsentativ für die Quarentina Themes als solche und fällt zudem qualitativ nicht durch den Rahmen. Auch deswegen, weil Cardamone hier generell einen fragmentarischen, entlang kurzer, spontaner Skizzen und Soundflächen daherkommenden Score geschaffen hat, der sich sparsam und eklektisch in den neonfärbigen Synth-Ambient legt, aus seiner ästhetischen Homogenität ohne restlos prägnante Szenen oder klar erkennbare Handschrift aber immer wieder mit impulsiven Ideen aufhören lässt,  und einmal mehr die große Stärke des Amerikaners auf ein Podest hebt: Eklektizismus wird hier zum Schaulaufen, wenn fremde Federn in eine ganz eigene Bildsprache getragen werden und Assoziationen von M83 über Ben Frost bis zu Ulver reichen, alleine USA das Vermächtnis von Jean-Michel Jarre, Vangelis und John Carpenter abdeckt oder The Tower (Copycat) einen halluzinogenen Bastard aus The Caretaker und William Basinski ablichtet, Grandezza auf tonalen Terror trifft, sich Cardamone bis zum fiependen New World eine Abgründigkeit behält, die einen Mut zur Ungenütlichkeit zeigt, der etwa einem Sufjan Stevens komplett abgeht.

Dead Sky gibt sich also orchestral angehaucht, Flowers flimmert ätherisch und Nine of Swords bricht den Fluß dramatisch in Orgel-Schüben und nervösen Quasi-Streichern. COUNT IN 7s ist eine delirante Fahrtstuhl-Odyssee, Nite Theme pulsiert in esoterischer Percussion und Crushed Skull reibt sich am maschinellen Noise von Blade Runner 2049 auf, während das melancholische Yeshua kontemplativ mit reduzierten Dreampop-Beats liebäugelt und Day 6 nonchalant mit Vintage-Charm klimpert. Der dissonant-atonaler Fiebertraum Reelations gönnt sich sakrale Texturen und Spit entrückt seine soulige Schönheit zu Doogie Howser, bevor das kristallin-zauberhafte Ur So Cool 2 bereits jetzt in seiner friedlich und versöhnlich glimmernden Wärme einen idealen Schlußpunkt geboten hätte. Der somnambule Epilog Yesterdaze schmälert trotz einer gewissen Redundanz freilich keineswegs die Vorfreude auf Quarentina, während sich die Quarentina Themes auf Dauer neben Loose Themes und Beatings als sporadisch aufgesuchter Hintergrund-Soundtrack ins Schaffen von Cardamone einordnen werden.

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