Kaatayra – Inpariquipê

von am 19. Dezember 2021 in Album

Kaatayra – Inpariquipê

Wenn Caio Lemos davon spricht, dass sich Inpariquipê wie ein Farewell für Kaatayra anfühlt, ist das schon nachvollziehbar: Das fünfte Album dieses Projektes in knapp drei Jahren führt schließlich alle Stärken seiner Vorgänger zusammen.

In Tiquindê tändeln luftige Acoustic-Gitarren und gelöst tänzelnde Drums über eine Synthwiese, folkig und auch krautig jammend; frühlingshaft, und lebendig locker, verträumt optimistisch, so leichtgängig und unbeschwert einladend. Die Percussion greift dazu immer nachdrücklicher und präsenter ein, die Schrauben der hypnotischen Spannungen werden subversiv enger gezogen – und plötzlich ist da Vogelgezwitscher, der Raum öffnet sich, Streicher deuten sich an und Tablas verströmen spirituelle Neugier wie aus einem Ghibli-Film. Lemos streift dort mit einem Mantra auf Portugiesisch im hoffnungsvollen Klargesang über die Lichtung, doch dirigiert weiterhin die Polyrhythmik den hypnotischen Sog, der sich bereits hier im (vielleicht nicht stilistisch für den folgenden Rest repräsentativen, aber das Flair und die Ästhetik stimmungstechnisch ideal einleitenden) Opener wie der verlängerte Ausblick nach Só Quem Viu o Relâmpago à Sua Direita Sabe gibt.

Und tatsächlich: Kaatarya erweitern das Spektrum, Plattform klingt anders als bisher, aber immer noch ganz nach sich selbst, wie niemand sonst da draußen – schon bald als tropikaler Atmospheric Black Metal ohne Finsternis ziehend.
Dorthin fällt der Titelsong unmittelbar in einen Blastbeat vor glimmernden Synthies, schlängelt hell und esoterisch seine Instrumentierung in allen Dynamiken um die grandiose Schlagzeugarbeit, geistert hibbelig im Kontrast aus shoegazender Kontemplation im Gesang samt eiliger Dramatik dahinter, bis Lemos keifend den Berserker einlädt, vorerst aber Orgeln flötieren, märchenhafte Extreme ausloten, die hinten raus den Flamenco-Drone zum Ambient wagen. Ãráiãsaiê ist ein exotischer Tanz als würde Twin Peaks den Karneval feiern, das grandiose Schlagzeug poltert hämmernd zum Dreampop, der im geisterhaften Blackgaze halluziniert und sich irgendwann gar retrofuturistische Texturen gönnt.

In Dundararaiê erinnert die Symbiose aus harscher-heiserer Hässlichkeit und schwerelos-poppiger Unbekümmertheit fast schon an Wu Lyf im Metal-Gewand, bevor sich die Nummer ruhig ausbremst, durchatmet, obwohl der hastige Verlauf der Platte nie Stress, sondern stets dringliche Eile durch den Regenwald treibt. Iasá ist dort exemplarisch ein neugieriger, lebendiger Mikrokosmos, einladend und aufregend, unkonventionell und originär, kurzweiliger als es seine 14 Minuten Laufzeit suggerieren.
Überhaupt ist es die Synergie des folkloristischen Black Metal, der sein Amalgam gleichzeitig energisch und unaufgeregt ausbreitet, wärmend und organisch ausgelegt so naturalistisch keineswegs überladen die Atmosphäre vor Aggresivitäten, konventionell-explizites Riffing oder klischeehafte Spannungsbögen stellt und so auch im Songwriting einen eigenwilligen Zugang zum längst unverkennbaren Lokalkolorit von Kaatayra bietet. Ob das nun einen Schwanengesang ist bleibt abzuwarten (und irgendwo auch zu bezweifeln), aber vorerst eigentlich ebenso egal wie die Frage, on  Inpariquipê dabei auch Sem Propósito und Manso Queimor Dacordado auf den letzten Metern des Jahres überholt.

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