Kali Uchis – Isolation

von am 19. Mai 2018 in Album

Kali Uchis – Isolation

Knappe sechs Jahre sind bereits vergangen, seit Karly-Marina Loaiza mit ihrem ersten Mixtape Drunken Babble Interesse weckte. Seit damals war Kali Uchis vor allem damit beschäftigt, Kontakte zu knüpfen und ihre Vielseitigkeit zu forcieren. Darauf baut – das kaum paradoxer betitelt sein könnende – Isolation nun ziemlich beeindruckend auf.

Zwar war da auch noch die Poor Vida-EP 2015, doch speist sich das eventuell beste Mainstream-Sommer Pop-Album 2018 primär aus den Dingen, die Kali Uchis seit ihren ersten Gehversuchen nicht unter eigenem Banner getrieben hat: Kollaborationen mit Snoop Dogg, Goldlink, Tyler, the Creator, Major Lazor, Miguel, den Gorillaz oder Carly Simon in der Vita stehen zu haben, schadet freilich nicht, wenn man mit Lana Del Rey auf Tour ist und sich hinterrücks zum heißesten Scheiß der Szene mausert.
Die dabei zur Schau gestellte stilistische Bandbreite nährt nun die vielleicht eindrucksvollste Stärke von Isolation: Das scheinbar mühelose Variieren der Ausrichtung und ansatzlose Einflechten zahlreicher Gaststars präsentiert beinahe jeden der 15 Songs in einem dezent anderen Licht, hebt das nicht an der Oberfläche bleibende Songwriting mit vielseitiger Mehrdeutigkeit auf das Podest.  Doch Uchis und ihre ausufernde Produzentenriege verschweißen daraus mehr noch ein erstaunlich komplettes Debütalbum, das als Sammelsurium und Kaleidoskop zu einem wunderbar homogenen Ganzen wird, mit all seinen Ohrwürmern, Hits und unkomplizierten Singalongs die Heavy Rotation für die sonnigen Seiten der kommenden Monate pachtet.

Eleganter R&B ist da nur die Ausgangslage von Isolation. Versatzstücke aus anmutigem (Neo/)Soul und unaufgeregtem (Contemporary/)Pop treiben vorbei. Es gibt Szenen im Bossanova-Licht, wie das smooth eröffnende Body Language, das zwischen Yacht und Lounge mit Thundercats jazzigen Gefühl die schmeichelweiche Brücke für Air in den Süden öffnet. „Come closer….closer!“ fordert die 23 Jährige Amerikanerin mit kolumbianischen Wurzeln und döst danach im grandiosen Miami zu relaxten Beats, die das Danger Mouse-Flair klackern und Dave Siteks Gitarre flackern lassen, oder mittels Dead to Me die Ästhetik der 80er mit dem Hüftschwung von Beyoncé und Co. in das Freibad transportieren. Man kommt dieser Einladung also nur zu gerne nach.
Just a Stranger flaniert danach smart stampfend und kippt immer wieder in eine psychedelisch schimmernde Schlagseite. Flight 22 ist pure Sehnsucht mit naiver Schönheit, sanftem Tempo und romantischen Streichern. Das neckische Your Teeth in My Neck lebt von seiner organischen Rhythmussektion und packt einen infektiösen Refrain zum Niederknien aus, bevor das feiernde Feel Like a Fool mit subtiler Dramatik durch die Abendsonne schunkelt und das leidlich spektakuläre Killer in erster Linie durch seine Marvin Gaye‘esken Arrangements bezaubert.

Für das flotte In My Dreams hat Kali Uchis gemeinsam mit Damon Albarn dagegen eine entwaffnende Synthpop-Single geschrieben, die mit minimalistischen Casiotone-Mitteln der Basis von Grimes mindestens ebenso in die Karten spielt, wie von Humanz enttäuschten Elektrofreunden, während sich die Bedroom-Skizze Gotta Get Up sowie die von Kevin Parker abgedämpfte Tame Impala-Annäherung Tomorrow vor allem im kontemplativen Dösen gefallen. Coming Home könnte danach gar als Versuch durchgehen, poppige Motive in den Brainfeeder-Kosmos zu assimilieren.
In weiterer Folge streift Isolation ohne Verrenkungen noch Elemente aus dem Reggae (das entschleunigte Anästhetikum Tyrant mit Jorja Smith) und 60s-Aromen, Latin und Dancehall-Aufforderungen (Nuestro Planeta), Funk-Motive (After the Storm ist ein dahinlaufender Ruhepuls-Funk in die Arme von Tyler, the Creator, Bootsy Collins und BadBadNotGood) sowie Doo Woop-Schemen ein und bleibt dabei stets kohärent, entspannt und durch seinen immanenten Groove tanzbar, ausgelassen und verführerisch. Noch besser: All die Vergleiche mit Amy Winehouse, Frank Ocean, Solange, Kelela, Anderson.Paak oder Janelle Monáe greifen höchstens auf qualitativer Ebene – das seine Impulse dynamisch aufsaugende, so eklektische Amalgam der Kali Uchis funktioniert schließlich trotz der tatsächlich stets erkennbaren Einflüsse doch für sich stehend und nutzt seine Referenzen und Features deswegen mit lockerem Geschick zuerst als Katalysator.

He said he’d want me in his video like Bound 1/ But why would I be Kim?/ I could be Kanye/ In the land of opportunity and palm trees“ singt Kali Uchis deswegen auch irgendwann selbstbewusst. Und wahrgaftig ist die eierlegende Wollmilchsau Isolation als Schlaraffenland der unbegrenzten Möglichkeiten vieles.
Ein enorm unterhaltsamer und ebenso kurzweiliger Schmelztiegel etwa, der der Indiewelt mit verspielter Nonchalance einen geschmackvollen Mainstream-Konsens anbietet, welcher zwar (mit eventuell absehbarer Halbwertszeit) eher das Momentum feiert, als aus dem Stand zum unkaputtbaren Klassiker zu schielen, dabei dennoch permanent über den Zeitgeist hinausgeht. Immerhin pflegt Kali Uchis ihr Genre-Schaulaufen als anachronistische Kunst, die als Vintage-Futurismus keinen Unterschied zwischen modernen und klassischen Interpretationen macht, sich als Impulsgeber in der Vorreiterrolle positioniert  – und das eklektische Isolation seinen Titel spätesten dadurch mit augezwinkernder Aufgeschlossenheit Lügen straft.
Wie stilsicher die Platte in ihrem toll produzierten, weil so warm und einladend einlullenden, Fluß auch ohne ultimative Killertracks keinen Ausfall aufweist, egalisiert dann auch den Fakt, dass die klaren Highlights von Isolation die wenigen guten Ergänzungsstücke (gerade hinten raus) ein wenig überschatten und eben im durchgehenden Guss am besten funktionieren. Selbst in seinen schwächeren Phasen hat Isolation schließlich die Qualitäten, mit seiner catchy Klasse sofort hängen zu bleiben, sich jedoch auch als hartnäckiges Suchtmittel zu etablieren, das sich nicht an seinen Ambitionen verhebt. Auch wenn es also abermals sechs Jahre bisn zum Zweitwerk brauchen sollte: Von Kali Uchis wird man noch hören.

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