Liars – WIXIW

von am 5. Juni 2012 in Album

Liars – WIXIW

Man kann es drehen und wenden wie man will, die beiden ‚WIXIW‚ Vorgängeralben ‚Liars‚ (2007) und ‚Sisterworld‚ (2010) waren auf verquere Weise doch Ausflüge in die Zugänglichkeit für Angus Andrew und seine Experimentalkombo. Darauf folgt: Eine Tanzplatte für das Unterbewusstsein.

WIXIW‘ unterstreicht die Erkenntnis, dass die im letzten halben Jahrzehnt kultivierte, im Verhältnis zum sonstigen Output der Band tatsächlich als bekömmlich zu bezeichnende Zugänglichkeit gerade durch ihre ansatzweise Poppigkeit eine ziemlich weit aus dem Fenster gelehntes Wagnis waren. Da will in verquerer Konsequenz schon mal von U2 gesprochen werden, warum auch immer. Eben jene verquere Konsequenz hat die drei New Yorker nun dazu getrieben, sich wieder weiter hinaus in die innere Schicht der niemals zur Ruhe kommenden Soundtüftlerfabrik zu wagen, dorthin also, wo schon ‚They Were Wrong, So We Drowned‚ und ‚Drum’s Not Dead‚ herkamen, wo unter nachvollziehbaren Songs eindringlich mäandernde Rhythmusverschiebungen verstanden werden, wo Andrew mit gespenstisch lethargischer Stimme über Beatgerüste schwadroniert, als müsste er seiner eigenen Musik mit kryptischen Zeilen den Teufel austreiben.

Dennoch packt ‚WIXIW‚ die Dinge wieder einmal vollends anders an, als all seine Vorgänger. Das fünfte Liars Album ist eine Platte geworden, die „Wish You“ ausgesprochen werden soll, jeden gleichzeitig in die Arme und zur Hölle wünscht, so sehr persönliches Elektroprodukt sein will, dass sie phasenweise ausgerechnet im Versuch aufgeht, sich vollends zu entmenschlichen. Der Albumtitel spiegelt die empfundene, einstündige Palindrom-Expedition ansatzweise wieder, und vermittelt nebenher den Eindruck, dass das im Moloch Los Angeles aufgenommene Werk in einer idealen Welt weder Anfangs noch Endpunkt haben müsste, wo die die Einteilung in verschiedene Tracks schlicht nachzuvollziehen helfen sollte, warum da manche Abschnitte nach reinen Loop-Abfolgen und atmosphärischen Soundlandschaften klingen (‚The Exact Colour Of Doubt‘), während anderswo (‚No. 1 Against The Rush‚) plötzlich Melodien auftauchen, erhabene Streicher Schönheit verbreiten (‚Who Is The Hunter‚) oder die Tanzbarkeit machmal (‚Brats‘) gar derart konkret wird, dass die Liars zwingend den Dancefloor bedienen könnten, nicht unbedingt jenen den der nächsten Indiedisco.

WIXIW‚ entfaltet eine Sogwirkung, ist jene Art psychedelischer Trip der nach schier endlosem Drogenkonsum zwischen den Schaltkreisen klingt, für die niemand Pillen schmeißen muss.  Liars stützen die schwebenden Kompositionen mit grenzenlosen Keyboard- und Synthieschwällen, das Schlagzeug pumpt unter diesen mystisch flirrenden Welten unermüdlich. Von allen Zwängen losgelöst grätschen Gitarren nicht dissonant neben der Spur, sondern flechten sich dichtgedrängt in das flächige Gesamtarrangement, die einsame Akustische in ‚Ill Valley Prodigies‚ bleibt eine Ausnahmeerscheinung auf einem Album, dass im Trancezustand reichlich Reverb aus der Ferne abbekommt. „I refuse to be a person“ heißt es im Titelsong und weiter: „Now I say it’s not enough /I wish you were here with me /I can no longer take it out/ Wish you would not come back to me„. Liars zerreissen sich mit einer ambivalenten Platte zwischen Kühle und Wärme, zwischen demonstrativer Zu- und Abneigung, erfinden sich als menschelnde Electroseance wieder ein Stück weit neu. Und bleiben eine der aufregendsten Kundschaftertruppen an den Zonengrenzen der Rockmusik.

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