Mac Miller – Circles

von am 20. Januar 2020 in Album

Mac Miller – Circles

In gewisser Weise schließt Produzent Jon Brion mit dem posthum fertiggestellten, so subtil auftretenden Circles tatsächlich eher einen kreativen Kreis für Mac Miller, als ihm nur einen würdigen Tribut zu zollen: Auf dem offiziell sechsten und letzten Studioalbum findet sich der 2018 verstorbene Rapper schließlich gefühltermaßen selbst.

Wie schwer das Gewicht hinsichtlich der kreativen Ausrichtung von Brion verlagert wird, bleibt für Außenstehende freilich schwer zu beurteilen. Circles ist als konzeptueller, spiritueller und inhaltlicher Nachfolger zu Swimming jedenfalls ein Album geworden, das sich beim Pop endgültig durchaus wohler fühlt, als beim klassischen Hip Hop; das all die von Miller immer schon artikulierten Interessen am unorthodoxen Lounge-Jazz über die volle Distanz über angenehme Melodien gedeihen lässt, die Versuche ein besserer Mensch zu werden abrundet und dieses ewige Swimming in Circles sogar erfolfreich durchbricht, indem so unendlich relaxt ohne jedes Verlangen nach Spektakel ein zutiefst entspannter Epilog geworden ist.
Circles pflegt eine konkrete Ästhetik, aber eigentlich vage bleibende Konturen und harmonische Kontraste, entlang einer geradezu sommerlichen Unbeschwertheit, einer in sich ruhende Balance und einen mit sich selbst im Frieden schwingenden Flow – seine Anti-Spannungen auf die volle Distanz sicher auch ein bisschen zu gefällig hofierend. Nur wenige Nummern reizen in ihrem erst einmal etablierten, so homogen geschlossenen Klangraum schließlich noch derartige Akzente wie die zum Rock heulen dürfende, elegant solierende Gitarre in Surf.

Die Impulse werden stattdessen intrinsisch gesetzt, rütteln die ausgeglichene Dynamik in ihrer unangestrengten, phasenweise meditativen Form niemals auf. Miller singt deswegen auch mehr und öfter, als er dezidiert rappt, wirkt mit seinen zärtlich nachgehaucht-murmelnden „Yeah“s hinter den Bars stärker denn je wie die Schablone für Bilderbuch-Maurice. Manchmal scheint er unter der Last seiner ehrlichen Lyrics zwar zu kämpfen, meistens aber wirkt er befreit und gelöst im Kontext aufgehend, hilft allen Songs dabei, geschmeidig und eingängig zu bleiben, ohne in ihrer Nachdenklichkeit jemals wirklich greifbar und zwingend zu werden.
Songs wie das liebenswerte Good News tragen jedenfalls rein instrumental und im Charakter so deutlich die unaufgeregte Natur der optimistischen, poppigen Handschrift von Brion in sich, in dessen Umfeld Millers Zeilen wie „A lot of things I regret, but I just say I forget/ Why can’t it just be easy?/ Why does everybody need me to stay?/ …/ Get everything I need then I’m gone, but it ain’t stealing/ Can I get a break?/ …/ There ain’t a better time than today/ But maybe I’ll lay down for a little, yeah/ …/ I know maybe I’m too late, I could make it there some other time/ I’ll finally discover/ That there’s a whole lot more for me waitin‘“ jedoch umso reiner, prophetischer und auch bedrückender wirken.
In den besten Momenten ist Circles so ein Werk, das mit vorsichtigem Lächeln und Tränen in den Augen ein kleines bisschen Weise die Welt entschleunigt (etwa, wenn beispielsweise Everybody durch die subtile Anmut der Melancholie Gänsehaut aufkommen lässt, Hand Me Downs so smooth am soulig-organischen Softrock flaniert und seine weichen Hooks als nebensächlichste Sache der Welt anbietet, oder das federleicht-unbeschwerte That’s On Me sich mit seiner Gitarre in der wohligen Atmosphäre der latenten Hoffnungsfreude dreht) – daneben aber für Fans zumindest stets das schönstmögliche kleine Trostpflaster im Verlust darstellen könnte.

Dabei sorgen Stücke wie das optimistische Complicated mit schillernden Electropop-Texturen und munterem Beat schnell dafür, dass Circles kein Trauermarsch ist, sondern eine durchaus lebendige Revue – selbst wenn Miller gedämpft „Some people say they want to live forever/ That’s way too long, I’ll just get through today“ sinniert. Alleine die Lyrics besorgen hier einen Kloß im Hals.
Blue World nimmt als nonchalanter Ohrwurm etwa an Tempo auf, ohne jedweden Druck zu spüren (oder zu erzeugen), das herrlich ätherische I Can See träumt in seine gemütlichen Synthieschwaden gebettet. Woods flirtet elegischer mit latentem 80er Flair, bleibt wie vieles unverbindlich und gerade dadurch im übergeordneten Fluss und Kontext schlüssig. Hands wäre symptomatisch dafür anderswo wohl eine Party geworden – hier ist der subversive Ohrwurm in der exemplarisch kindlich-naiv-inszenierten Brion-Produktion eher der Soundtrack auf dem Weg dorthin: Miller sucht nie das Momentum, sondern bewegt sich jenseits der Vergänglichkeit.
Gerade der Rahmen der Platte verleiht Circles dafür eine regelrecht zeitlose, klassische Aura. Das Titelstück baut als bedächtiger Einstieg auf ein absolut minimalistisch und aufgeräumtes Gerüst, braucht im Grunde wenig mehr als einen Bass und ein ganz weit hinten wärmendes Vibraphon, agiert so ruhig und versöhnlich als andächtige Einleitung, wo Once a Day den Kreis am anderen Ende ebenso unaufdringlich schließt.
Circles muß sich in dieser asketischen wie genügsamen Veranlagung dann auch höchstens den Vorwurf gefallen lassen, dass Miller selbst als nicht nur aus dem Archiv heraus agierender Protagonist auf dieser unter anderen Umständen wohl als Übergangswerk klassifizierten Platte für zusätzliche kreative Reibungspunkte gesorgt und so einen ohne Gimmicks auskommendem Epitaph zusätzlich auf ein Podest gehoben hätte. Auch so braucht sich Circles vor Platten wie Thanks for the Dance, die in jüngerer Vergangenheit den Standard für derartige Veröffentlichungen vorgaben, keineswegs verstecken: Diese 49 Minuten bereichern das Lebenswerk von Mac Miller essentiell, indem sie dem Ruhelosen ein kleines bisschen Frieden und Einkehr bescheren.

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