Manic Street Preachers – Ultra Vivid Lament

von am 17. September 2021 in Album

Manic Street Preachers – Ultra Vivid Lament

Das wäre gerne die ABBA-Perspektive auf Lifeblood, Send Away the Tigers oder Postcards of a Young Man: Die Manic Street Preachers suhlen sich auf The Ultra Vivid Lament jedoch mit zuverlässigem Piano-Rock in einem anhaltenden, wenngleich diesmal etwas schmeichelhafter als zuletzt ausgefallenem Formtief.

Nach dem komplett risikofreien und praktisch unmittelbar vergessenen Resistance is Futile mag man dem vierzehnten Studioalbum der Walisern zugute halten, dass es komplett am neu erlernten Tasteninstrumenten entstanden und die Gitarren deswegen hintenanstellend, einen neuen Zugang zum komfortablen Pop sucht. Doch bleibt der Autopilot im Songwriting und der Weichzeichner in der Inszenierung dabei nach dem wirklich toll gelungenen, die hymnischere Dringlichkeit zumindest noch andeutenden Opener Still Snowing in Sapporo, leider eingeschaltet: The Ultra Vivid Lament verliert sich schnell in einer unverfänglichen, ebenso angenehmen wie harmlosen Gefälligkeit, deren wohlige Komfortzone keinen Gedanken mehr an kratzbürstige oder rebellische Kanten verschwendet.
Was an sich schon okay wäre, aber in der ständiger Harmonieseligkeit zeigt beispielsweise gleich (hinter seinem wahlweise als Selbstpersiflage oder Ideallinie durchgehenden Titel) eine veritable Hook im Refrain, ohne jeden Biss entsteht durch die Fernsehgarten-Produktion von Dave Eringa allerdings kein zwingendes Momentum, wodurch das Material seichter und milder als notwendig wirkt, all die schönen Melodien sich stets für den hohlen Pathos und latenten Kitsch entscheiden, anstatt wirklich zu packen.

Gesetzte Akzente zeigen in diesem Kontext zwar auf, bleiben aber unverbindlich. In The Secret He Had Missed sorgt Julia Cumming (Sunflower Bean) für einen schönen Konterpart im Gesang., während die Gitarren nur selten gegen das dominante Klavier und Keyboard anflimmern – dass das dunkle Timbre von Mark Lanegan noch besser zur Band passt, hätte man kaum für möglich gehalten, doch lässt sich dies in Blank Diary Entry nachhören. Leider bleibt der Song an sich uninspiriertes Geplänkel, das sich viel zu lange ziehend plätschert.

Von verdienten, nett ins Ohr gehenden Songs wie Don’t Let the Night Divide Us, Happy Bored Alone oder mehr noch dem zu Motorcycle Emptiness gniedelnden Quest for Ancient Colour bleiben vor allem die kurzen Gitarrensolo-Intermezzi, während ein Into the Waves of Love auch ein Mehr an Akustik-Sprengseln, retrofuturistischen Synthies und der absurde Backinggesang nicht vor der bagatellisierenden Nichtigkeit retten können. Die verträumte Elegie Diapause oder das melancholische Complicated Illusions (ist da gar ein bisschen Energie im Refrain?!) machen ihre Sache da schon besser, weil atmosphärischer, bevor Afterending als sedative Disco in Zeitlupe über weite Strecken absolut versöhnlich entlässt – bis ein unsägliches „Lalala“-Ende um die Ecke biegt.
Durchaus sinnbildlich für The Ultra Vivid Lament – ein überzeugendes Album, dass das Niveau nach Resistance is Futile wieder leicht anhebt, sich im Zweifelsfall aber stets für eine sicher kompetente, aber eben auch langweilende Middle-of-the-Road-Sicherheit entscheidet. Das Ergebnis ist zuverlässig, erzeugt aber nicht die leidenschaft aufwühlende, überschwängliche Größe, die man von den (auch heute noch zu den Guten gehörenden) Manics bis 2010 in verschiedensten Facetten gewohnt war.

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