Mavis Staples – One True Vine

von am 28. Juni 2013 in Album

Mavis Staples – One True Vine

Johnny Cash hatte Rick Rubin. Bob Dylan setzt auf sein Alter Ego Jack Frost. Und Tom Jones auf Ethan Jones. Denn hat man den kongenialen Produzenten fürs eigene Alterswerk erst einmal gefunden, hält man an diesem für gewöhnlich fest.

Das scheint sich auch die mittlerweile 73 jährige Mavis Staples gedacht zu haben, die nach der gelungenen 2010er Frischzellenkur ‚You Are Not Alone‚ erneut gemeinsame Sache mit Wilco-Chef Jeff Tweedy macht. Auf den ersten Blick ist dabei alles wie gehabt: Tweedy produziert die Stücke und spielt auch alle Instrumente dafür selbst ein, nur hinter dem Schlagzeug nimmt abermals sein Sohn Spencer Platz. Sie bauen auf die erprobte Mischung aus neuen, eigens für den Anlass geschriebenen Tweedy-Kompositionen und Interpretationen von thematisch passenden, zumeist religiös geprägten Songs aus fremden Händen. Nicht nur diesbezüglich drängen sich Vergleiche zu den aktuellen Platten des Tiger Tom auf: oftmals erinnert die volle, flehende, altersweise Stimme von Staples sogar in der Intonation an ein weibliches Pendant des Walisers. Und genau wie die zwei seelenverwandten Werke Jones‘, und mehr noch sein eigener Vorgänger, ist auch ‚One True Vine‚ wieder ein astreines und traditionsbewusstes Gospel-Album geworden, dass sich in seiner gefühlvollen Inszenierung weit genug zurück nimmt, um alleine aufgrund der Stimme und der transportierten Atmosphäre zeitlos strahlen zu können.

Trotzdem machen Staples und Tweedy nicht den „Fehler“ sich ausnahmslos zu wiederholen. ‚One True Vine‚ ist weniger beschwingt als sein Vorgänger, in sich verweilender und geradezu bescheiden in seinem Erscheinen – wovon nicht zuletzt auch die Reduktion auf nur zehn Songs in 35 Minuten zeugt. ‚One True Vine‚ ist nicht nur kompakter als ‚Your Are Not Alone‚, es ist auch runder und in sich stimmiger. Die kirchlichen Background-Chöre, in denen Staples so gerne in wohliger Wärme aufgeht sind zwar weiterhin allgegenwärtig, werden diesmal allerdings noch nahtloser ins Gesamtgefüge eingefügt, sorgen weniger für Akzente als für eine heimelige Geschlossenheit.  Der zwischen Rest-Funk und Folk getriebene George Clinton Song ‚Can You Get To That‚ gönnt sich daneben einen Rockabilly-tauglichen Cartoon-Bariton-Frosch als befeuernde Unterstützung ohne aus der Reihe zu tanzen. Denn sich einen Song zueigen machen, dass beherrscht Staples mit Tweedys Hilfe immer noch grandios.

What Are They Doing In Heaven Today‚ ist neben den Versionen von Mogwai und Colin Stetson nicht nur bereits das dritte Cover des Washington Phillips Songs innerhalb kurzer Zeit, sondern in Staples Gewand auch ein besonders beseelt shuffelnde Predigt. ‚Holy Ghost‚ von Low’s ‚The Invisible Way‚, der anderen großen Tweedy Produktion dieses Jahres, wird auf berührende Gesänge vor einer weichen Akustikgitarre reduziert. Mit Nick Lowe (das beschwingte ‚Far Celestial Shore‚) macht man ohnedies nie etwas falsch, der Pops Staples/ Martha Stubbs-Song ‚I Like the Things About Me‚ ist als schabendes Rhythmusbrummen ohnedies eine familiär verpflichtende Steilvorlage, die Slide-Gitarren in ‚Sow Good Seeds‚ sorgen für kratziges Western-Flair im huldvollen Treiben.
Noch eine ganze Klasse besser sind allerdings die von Tweedy selbst maßgeschneiderten Kompositionen: ‚Every Step‚ (ein aufgeladener und beherrscht slappender Rocker, mit groovendem Bass), ‚Far Celestial Shores‚ (ein aus der Zeit gefallenes Americana-Glanzstück ohne Eile) und vor allem der überragende, abschließende Titelsong: Staples trägt alle Last der Welt in einer melancholisch schleppenden Wohltat auf ihren Schultern, während Tweedy im klassischem Wilco-Sound mit wunderbar effektiv platzierten kleinen Melodiekniffen den Sonnenschein ersetzen. Hier begegnet eine angekommene Staples mit ihrem Spätwerk jenem von Kristofferson, Chessnutt und Konsorten mindestens auf Augenhöhe. ‚One True Vine‚ ist beseelter Gospel-Soul in Reinform und ein Dacapo , dass die Vorzüge von ‚You Are Not Alone‚ noch weiter vertieft. Und außerdem keinen Zweifel mehr daran lässt, dass sich hier zwei gefunden haben, die sich immer schon gesucht haben.

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