MGMT – MGMT

von am 14. September 2013 in Album

MGMT – MGMT

Die Indiediscohits auf ‚Oracular Spectacular‚ waren nur ein grandioser Zwischenfall und die hippen MGMT nicht erst seit der nachjustierenden Meisterleistung ‚Congratulations‚ durch und durch eine psychedelische Popband. ‚MGMT‚ ist da als logischer nächster Evolutionsschritt nicht zufällig selbstbetitelt: weiter draußen – und damit wahrscheinlich auch näher bei sich selbst – waren die Amerikaner noch nie.

Eben jene verträumt agierende Popband ihres Zweitwerks sind MGMT immer noch, diesmal allerdings unter zahlreichen Lagen zusätzlicher Elektronik, trippig-ausufernder Psychedelika und dem ungezügelt verspulten Drang zum zusätzlichen Experiment versteckt – und damit auf den ersten Blick kaum noch erkennbar. Das Problem am bisher konsequentesten an den Grundbedürftnissen der Band orientierten (weil paradoxerweise: unfokusiertesten und schwammigsten) MGMT-Album ist, dass das Quintett unter der Führung von Andrew VanWyngarden und Benjamin Goldwasser jedoch auch diesmal eigentlich immer dann am besten ist, wenn sie für ihr Talent für sommerlich schwerelos halluzinierende, eingängige Melodien und ungezwungene Hooklines – das Händchen für schlicht umwerfend dösenden Pop also – in zielgerichtetere Bahnen lenken, greifbar bleiben. Darauf haben MGMT diesmal allerdings eben nicht mehr unbedingt Lust – letztendlich zwar doch öfter als es die ersten 10 Durchgänge der Platte glauben machen möchten, aber dennoch.

Nicht alle Songs finden sich über kurz oder lang selbst als solche zwischen all dem aufgefahrenen Geschwurbel wieder – zünden die Ansätze jedoch erst einmal ist die anfängliche Totalenttäuschung ‚MGMT‚ bis zu einem gewissen Maße ein kleiner Grower. Ein weiterer Schritt nach vorne auf dem Flaming Lips-Weg der in die Verweigerung zeigt (Produzent Dave Fridman bringt einiges aus der Umlaufbahn von ‚Lonerism‚, und noch weitaus mehr von der Blaupause ‚The Terror‚ mit, lässt die folkige Elektronik schick im Pseudo-Lo-Fi-Klanggewand scheppern und schimmern) – und durchaus auch in die Unnachvollziehbarkeit, Ziellosigkeit oder auch emotionslose Langeweile führen kann.
Fakt ist: auf Singles ala ‚Electric Feel‚ oder ‚Kids‚ haben MGMT definitiv keinen Bock mehr, auf Zielgruppenbedienung noch weniger, selbst ein ‚It’s Working‚ rückt in weite Ferne – wiewohl sich das simpel nervende ‚Plenty Of Girls in the Sea‚ mit seinem 80er lastigen Animal Collectiveim-Kindergartenmelodiemodus inklusive Bee Gees meets Beach Boys trächtigem ‚Tonight‚-Pre-Chorus-Harmoniegesang-Finale schon verdammt hartnäckig (bis unangenehm) in den Ohrmuscheln einnistet.

Während das müde schrammelnde ‚Alien Days‚ vergleichsweise auf Nummer Sicher gehend eingangs am ehesten einen direkten Ankerpunkt zum Reich der zugängigen Sommerkaleidoskope von ‚Congratulations‚ bereitstellt, fordert die gesteigerte Konturlosigkeit auf Distanz doch eine deutliche Orientierungsphase. ‚A Good Sadness‚ wird schlussendlich trotzdem nur ein verschleiert blinkender Elektrosong bleiben, der seinen Kopf in anderen Sphären hat und den Körper im All treiben lässt, eine nebulöse schnipselnde und durchaus verlockend Science Fiction-Meditation ohne grundlegende Erkenntnisse; ‚Astro-Mancy‚ eine vielversprechende ‚Amnesiac‚-C-Seite mit viel ungenütztem Potential und noch mehr LSD im Körper; ‚I Love You Too, Death‚ in ähnlicher Gangart eine weichen Space-Noise-Schale, die nur äußerst gemächlich ihren eigentlich durchaus verspielten Panda Bear-Melodiekern freigibt. Spätestens wenn ‚An Orphan of Fortune‚ über die gefühlte doppelte Länge seiner fünfeinhalb Minuten Spielzeit zwischen losen Ideen und unausgegorenen Ansätzen mäandert, gleichzeitig viele und doch auch keine Richtung wirklich einschlägt, wird klar, dass sich MGMT zumindest in der zweiten Albumhälfte ein wenig verzettelt haben, sich hinten raus zu sehr gehen haben lassen, zu gewollt eine hippe Schrulligkeit forcieren und VanWyngarden und Goldwasser den Balanceakt zur Banalität und Langeweile auf atmosphärische Art und Weise verlieren.

Den Entwicklungsdrang der Band und ihren Mut sich den Erwartungshaltungen zu verweigern in allen Ehren, Kritikpunkt ist hier nicht, dass MGMT keine massentauglichen Hits mehr abliefern, sich die Band verändert oder kalkulierte Risiken eingeht. Das dritte Album der Kombo krankt schlicht daran, dass vieles Stückwerk bleibt, unfertig wirkt, schleierhaft bleibt ohne die nötige Sogwirkung zu entwickeln, zu wenig tatsächlich funktioniert.
Am stärksten ist ‚MGMT‚ deswegen in der unmittelbareren ersten Hälfte. Dann, wenn MGMT ihre Aufgaben als Möchtegern-Syd Barretts durchaus gemacht haben; wenn Songs eben trotz all des aufgewirbeltem Sternstaub jedoch noch zu Songs geraten sind. Was den unfertig rumpelnden Hookline-Rämpler ‚Your Life Is a Lie‚ da als Singleauskoppelung qualifiziert mag im schrulligen Verborgenen bleiben, wohingegen ‚Cool Song No.2‚ als fiebrig taumelnder Unterwelttanz in den Pianokeller durchaus zu faszinieren weiß und ‚Mystery Disease‚ Drum’n’Bass-Bigbeat-Rhytmen bis zum Delirium mit Valium füttert, während die Gesangsspuren von einem ertrinkenden Roboter aufgenommen worden zu sein scheinen: hierzu wird manch einer versuchen in Zeitlupe zu shaken.
Bezeichnend ist allerdings, dass ausgerechnet das großartige ‚Introspection‚ der beste Psych-Song der Platte ist: mit smart hallendem Marschschlagzeug traumwandeln MGMT hier federleicht in ein astreines Discographie-Highlight – geschrieben haben die Nummer allerdings Faine Jade im Jahr 1968. Verlass ist auf ‚MGMT‚ also nur darauf, dass bei dieser Band auf nichts Verlass ist. MGMT haben ihren Standpunkt mit einem zerfahrenen Stückwerk von einem Album ein für alle Mal klargemacht. Wäre allerdings schön, wenn sie sich darum herum nicht nur in dösenden Trips verlaufen, sondern auch wieder funktionierende Songs schreiben würden.

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