Mike Shinoda – Dropped Frames, Vol. 1

von am 14. Juli 2020 in Album

Mike Shinoda – Dropped Frames, Vol. 1

Mike Shinoda geht die Zeit der Covid-Quarantäne produktiv, aber demonstrativ gelassen an: Mit seinen Fans als Korrektiv hat er die Instrumental-Hip Hop-Skizze Dropped Frames, Vol. 1 aufgenommen.

Wer das offizielle Zweitwerk des 43 Jährigen als direkten Nachfolger des phasenweise ordentlichen Post Traumatic von 2018 sieht, könnte insofern von vornherein enttäuscht werden – sollte es aber aufgrund der gänzlich divergierenden Agenda eigentlich nicht: Shinoda hat im direkten Austausch mit Fans fünf Tage die Woche Twitch-Sessions abgehalten – jeweils vier davon um Musik zu schreiben, einen für das entsprechende Artwork reserviert – und dabei eine unaufgeregte Collage aus Tracks erschaffen, die nur im ersten Moment andeutet, nach marktwirtschaftlich orientierten Album/Song-Schemen funktionieren zu wollen.
Der Opener Open Door gönnt sich immerhin als einziger Song Vocals, Mike rappt und knapp ein halbes Dutzend der an den Sessions teilnehmenden Anhänger ist singend zu hören, was einen soliden Hip Hop-Standard zur austauschbaren Pop-Route und Richtung One More Light dirigiert, gerade den Übergang zwischen Strophe und Refrain holprig erscheinen lässt, aber vor allem daran krankt, dass es nichts zu entdecken gibt, Shinoda am Silbertablett servierend keine Ecken, Kanten oder Herausforderungen bietet. Nach dem Closer Booty Down, einem zu bemühten, vollkommen unnötig aus dem Rahmen fallenden und einfach nicht lustigen Brachial-Proll-Bouncer, der die Gesamtwertung zwischen den Punkten unverdient nach unten korrigieren wird, soll Open Door jedoch auch der schwächste Part von Dropped Frames, Vol. 1 bleiben.

Zwischen diesem Rahmen liefert Shinoda immerhin sehr okaye bis wirklich gelungene, kurzweilig und nonchalante auftretende Beatpaupläne und Song-Grundrisse, die sich als instrumentales Flanieren zudem insofern kurzweilig und variabel gestaltet, weil Dropped Frames, Vol. 1 (ach, was ist hier alles pragmatisch betitelt!) in der Ausrichtung ständig neue stilistische Tropen ausprobiert.
Super Galaxtica experimentiert mit neonfuturistischem Space-Neon, entschleunigt fiepend und ein bisschen gespenstisch, nur der synthetische Dubstep am Ende wirkt aufgesetzt. Duckbot schrammt mit clubtauglichen Subbässe am Deep House-Funk vorbei und Cupcake Cake hofiert orientalisch angehauchte Gimmicks in den Texturen, zeigt aber auch, dass die ätherischen Synthies für die Atmosphärearbeit stets in der Werkseinstellung träumen. Die Texmex-Fanfaren von El Rey Demonio führen zu einer nebulösen Trap-Fingerübung und der psychedelische Schimmer von Doodle Buzz findet eine dieser kindertauglichen Minimal-Shinoda-Melodien, die sofort effektiv hängen bleiben. Osiris wandert fernöstlich blasend in den Ambient und Babble Bobble wäre gern düsterer Synthwave, Session McSessionface werkelt mit seinen Nintendo-Effekten im Schatten von Bastler Aesop Rock, bevor Neon Crickets die zirpende Indietronic initialisiert.

All diese Schattierungen funktionieren, konzentrieren sich aber nie zu einer Expertise: Dropped Frames, Vol. 1 kann sehr viel durchwegs gut, aber kaum etwas wirklich herausragend oder beeindruckend.
Hinsichtlich des tatsächlichen Reizes der Platte sollte Shinoda deswegen wohl auch reflektieren, dass das Feedback seiner Fans nicht wirklich für genug kreative, kritische Reibungspunkte zu sorgen scheint, wenn Dropped Frames, Vol. 1 im Gesamten dann doch einfach zu unverbindlich und zwanglos die Gefälligkeit bedient.
Was sich so am besten anhand von Channeling, Pt. 1 nachvollziehen lässt, seines Zeichens der nachhaltigste Track der Platte und nominell einzige mit Feature: Dan Mayo sorgt als Kooperationspartner für eine tranceartigere Hypnose in der Tiefenwirkung, addiert einen schillernd-flimmernder Sog bis zur Ahnung des Postrock. Weswegen man sich durchaus fragen darf, wie viel interessanter Shinoda arbeiten könnte, wenn ihn jemand einmal tatsächlich aus der eigenen Wohlfühlzone provozieren würde. Ob ein etwaiger nachfolgender weiterer Teil von Dropped Frames derartige Szenen beherbergen könnte bleibt indes zu bezweifeln – aber egal.

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